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Vereint gegen den Wucher

Von Simon Rosner

Politik

Europäische Sozialversicherungen planen Einkaufsgemeinschaft für Medikamente.


Wien. Man kann es als ehernes Gesetz im Wirtschaftsleben sehen: Je größer das Einkaufsvolumen, desto geringer ist der Stückpreis, egal ob es sich um Fernseher, Schokolade oder Unterhosen handelt. Wer größere Mengen ordert, erhält einen Mengenrabatt. Dies führt dazu, dass sich gerade im Handel immer wieder Einkaufsgemeinschaften bilden, um dann gemeinsam bessere Konditionen zu erhalten. Ein Beispiel dafür wäre der Zusammenschluss der Elektronikfachhändler Red Zac, hinter dem die in Holland beheimatete europäische Einkaufsgemeinschaft Euronics steht.

In Zukunft könnte eine solche Einkaufsgemeinschaft auch im Gesundheitsbereich entstehen, zumindest gibt es erste Gespräche dazu, wie die "Wiener Zeitung erfuhr. Im Gesundheitsministerium gibt man sich zwar noch bedeckt, jedoch sei dies unlängst auch ein Thema bei einem Treffen der zuständigen Ministerinnen und Minister aus den deutschsprachigen Ländern (Deutschland, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich) gewesen.

Preistreiber Innovation

Auch bei der Pharmig, dem Dachverband der heimischen Pharmaunternehmen, bestätigt man derartige Ideen. "Es ist ja auch nicht ganz unverständlich, denn dadurch hat man eine andere Marktmacht als Einkäufer", sagt Jan Oliver Huber, der Generalsekretär der Pharmig. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der sich mit einem enormen Anstieg der Medikamentenkosten in den vergangenen zwei Jahren konfrontiert sieht, wünscht sich langfristig "Rahmenbedingungen, bei denen wir wirksamer gut einkaufen können", wie Josef Probst, Generaldirektor des Hauptverbandes, sagt.

Hintergrund ist die Gruppe sogenannter "innovativer Medikamente". Das sind neue Präparate, die oft deutlich wirksamer oder nebenwirkungsärmer sind als bestehende Therapieformen. Doch sie sind in der Regel auch sehr teuer. Das Begehr nach einer europäischen Einkaufsgemeinschaft der Krankenkassen ist im Vorjahr aufgekommen, nachdem ein neues Medikament gegen Hepatitis C auf den Markt kam (Sovaldi), das diese chronische Erkrankung zu etwa 90 Prozent heilbar macht. Das ist ein enormer medizinischer Fortschritt. Der Preis für eine Packung liegt jedoch hierzulande bei mehr als 14.000 Euro.

Der Hauptverband zahlte im Vorjahr 1800 Patienten diese teure Behandlung - muss er auch, da er im Fall so maßgeblicher Innovationen dazu verpflichtet ist, den Patienten die bestmögliche Behandlung anzubieten. Hätte vor rund zwei Jahren, als Sovaldi auf den Markt kam, nicht jeder Versicherungsträger in Europa selbst mit der Herstellerfirma verhandelt, sondern eine Einkaufsgemeinschaft, wäre der Preis womöglich geringer. Einerseits würde man gleich für 500 Millionen Einwohner in Europa verhandeln, andererseits könnte man auch geschlossen auftreten und sich stärker gegen das Ausnützen einer Monopolstellung wehren. Zumindest ist das die Hoffnung der Sozialversicherungen.

Das Hepatitis-C-Medikament ist ein Sonderfall, wie Jan Oliver Huber von der Pharmig sagt. Denn entwickelt wurde es von einer eher kleineren Pharmafirma, die dann um 11,5 Milliarden US-Dollar vom Gilead-Konzern gekauft wurde. "Bei so einem Preis muss man schon sehr überzeugt sein", sagt Huber. Deshalb ist der Preis für das Medikament so hoch, da Gilead diese Aquise refinanzieren muss, und zwar schnell bevor ein ähnliches Präparat auf den Markt kommt. Es mag ein singulärer Fall eines besonderen Medikaments sein, doch vielleicht ist es eben auch ein Präzedenzfall. Was, wenn es ein Mittel gibt, das einen bestimmten Krebs tatsächlich heilen kann? Was kann ein Pharmakonzern dann verlangen? Und gibt es eine ethische Grenze für den Preis?

Jeden Preis bezahlen

Wie man in Österreich generell mit innovativen Medikamenten umgeht, soll zwischen Pharmig und Hauptverband, aber auch mit Einbindung der Politik bis zum Sommer geklärt werden. Alle Medikamente, die Patienten in Österreich verschrieben bekommen und deren Kosten (exklusive Selbstbehalt) von den Krankenkassen übernommen werden, sind im sogenannten EKO, dem Erstattungskodex, aufgelistet, fast 7000 verschiedene Medikamente.

Mit der vereinbarten Verlängerung des Rahmenvertrages zur Begrenzung der Medikamentenkosten am Dienstag wurde auch die Weiterentwicklung des Erstattungskodex festgeschrieben. "Es geht darum, zu klären, in welche Richtung sich das Gesetz ändern wird", sagt Huber. "Die Regelungen sind seit 2004 in Kraft, seither hat sich die Welt weiterentwickelt." Schon bei der Schaffung des EKO war lange umstritten, wie diese innovativen Medikamente behandelt werden sollten. Zwar deklariert sich der Hauptverband weiterhin klar dafür, auch in Zukunft den Patienten die bestmögliche Therapie anzubieten. Wenn dies allerdings gesetzlich so festgeschrieben ist wie derzeit, muss dann auch jeder verlangte Preis bezahlt werden, wenn es einen maßgeblichen Nutzen für die Patienten gibt. Und das ist nicht gerade die beste Verhandlungsposition.