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Die Selbstzufriedenen

Von Brigitte Pechar

Politik

Den Grünen fehlt es an einer programmatischen Auseinandersetzung - auch mit der Flüchtlingsfrage, sie haben Rekrutierungsprobleme und die Parteistrukturen passen nicht mehr. Eine Analyse.


Wien. Die Ökopartei hat bei allen Wahlen seit 2009 dazugewonnen, nur in Wien musste heuer ein kleiner Dämpfer von 0,8 Prozentpunkten in Kauf genommen werden. Die Grünen sitzen in fünf Landesregierungen. Und sie sind Ansprechpartner Nummer eins der Regierung, wenn es darum geht, eine Verfassungsmehrheit im Parlament zustande zu bringen. Diese Konstanz macht sie international noch immer zur Vorzeigepartei der Grün-Bewegung.

Passen die Antworten?

Und nun folgt das Aber: Reicht das für die Zukunft aus? Wie kann die Partei mehrheitsfähig werden? Sind die Grünen überhaupt gewillt, in andere Wählerschichten vorzudringen? Haben sie dafür das richtige Personal? Und vor allem: Passen ihre politischen Antworten? "Ich denke, 85 Prozent für eine grüne Bundessprecherin bei der vierten Wahl sind sehr in Ordnung." So kommentierte Eva Glawischnig das Wahlergebnis beim Bundeskongress der Grünen vergangenen Sonntag in Villach. In gewisser Weise spiegelt diese Zufriedenheit die Stimmungslage der Grünen wider.

Peter Pilz und andere hinterfragen Glawischnigs Kurs zunehmend kritisch. "Ich will so wenige Flüchtlinge wie möglich. Ich stehe nicht mit einer Kerze an der Südgrenze und freue mich über jeden, der kommt", sagte Pilz in einem Interview mit der "Presse". Man dürfe das Feld nicht der FPÖ überlassen.

In Deutschland stellen die Grünen mit Winfried Kretschmann (67) den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Er ist ein konservativer Grüner, einer, der mit Hausverstand an die Dinge herangeht. In der Flüchtlingsfrage hat er klar Position bezogen: "Nicht alle, die zu uns kommen, können auch hier bleiben", hat er klargestellt. Der Tübinger Oberbürgermeister, der Grüne Boris Palmer, nahm zuletzt ein grünes Unwort in den Mund und forderte Obergrenzen ein. Die österreichischen Grünen sind bei der Willkommenskultur stehen geblieben, eine Debatte über Obergrenzen: unmöglich. Fairerweise muss gesagt werden, dass Palmer und Kretschmann bei den deutschen Grünen auch umstritten sind.

Der Wachstumsprozess einer Partei muss immer von mehreren Seiten eingeleitet werden. Vier Fragen müssen zuvor beantwortet werden: Passt der Inhalt? Stimmt das Personal? Haben wir die richtige Struktur? Was sind meine Zielgruppen?

Stimmt das Personal?

Den österreichischen Grünen ist im Bereich Umweltschutz viel gelungen. Öko, Bio, CSR (Corporate Social Responsibility) sind tief verankert. Aber um breiter zu werden, muss in Sachen Wirtschaftspolitik mehr kommen als Einpersonenunternehmen. Wie hält sie es etwa mit der Industrie? Die Debatte "Leistung versus Gerechtigkeit" muss geführt werden. Was braucht es zur Schaffung von Arbeitsplätzen? Stehen die Grünen aufseiten der Jungen oder der Alten, etwa bei den Pensionen?

Was das Personal betrifft, sind die Grünen beinahe schon so abgeschottet wie SPÖ und ÖVP. Die Strukturen sind nicht geeignet, Menschen auf Zeit als Ideengeber an sich zu binden. Die Parteiführung wird nicht drumherum kommen, programmatische Antworten für die Zukunft zu geben und die Partei für neue Personen zu öffnen.