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Österreich wächst durch Zuzug

Von Marina Delcheva

Politik

Zuwanderung bringt Entlastungen für das Pensionssystem.


Wien. Bis zum Jahr 2060 wird Österreichs Bevölkerung von derzeit 8,6 Millionen auf 9,7 Millionen Menschen wachsen. Im Extremfall, wenn die Flüchtlingskrise nicht bald abflaut, wächst die Bevölkerung auf über zehn Millionen. Oder doch auf knapp neun. Zu diesen Ergebnissen kommt die Statistik Austria in ihrer aktuellen Bevölkerungsprognose. Ganz ohne Zuwanderung würde Österreich übrigens bis 2060 auf 7,2 Millionen Menschen schrumpfen.

Der Bevölkerungszuwachs stellt das Land vor eine Reihe Herausforderungen, für das Pensionssystem ist das aber ein Segen. Österreich sieht sich vor einer zunehmend alternden Bevölkerung. Durch Zuwanderung wird "das Problem der Pensionsfinanzierung nach hinten geschoben", sagte der Generaldirektor der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, vor Journalisten. Aufgehoben ist das Problem damit aber nicht.

Zuwanderung Haupttreiber

Noch im Vorjahr waren die Statistiker von einem Bevölkerungsanstieg von jährlich 45.000 Personen ausgegangen. Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise mussten sie heuer ihre Prognose nach oben korrigieren und rechnen mit einem Anstieg von 70.000 Menschen jährlich bis 2020. Danach soll sich der Zuwachs auf 60.000 einpendeln.

Schon in sieben Jahren soll Österreich die Neun-Millionen-Marke erreichen. "Hauptfaktor ist dabei die internationale Zuwanderung", sagte Pesendorfer. Bei ihren Berechnungen gehen die Statistiker von zwei wahrscheinlichen Szenarien aus. Im ersten Fall flaut die Flüchtlingskrise bald ab und das Bevölkerungswachstum bleibt bei 70.000 jährlich. Wenn sich die Lage in den Krisenregionen allerdings nicht beruhigt und der Flüchtlingszuzug in den kommenden Jahren nicht abflaut, rechnen die Statistiker mit bis zu 98.000 Personen jährlich.

Am stärksten wird dabei Wien wachsen. Die Bundeshauptstadt knackt nach aktueller Prognose und ohne eine lange andauernde Asylkrise 2030 die Zwei-Millionen-Marke. Auch Niederösterreich und Oberösterreich wachsen besonders stark. Ein Bundesland wird laut Prognose eher von Ab- denn von Zuwanderung geplagt, nämlich Kärnten. Das südlichste Bundesland verliert nach derzeitiger Prognose sechs Prozent seiner Bevölkerung bis 2060.

Durch die anhaltende Zuwanderung steigt auch der Anteil jener Personen an der Bevölkerung, die nicht in Österreich geboren sind. Nämlich von derzeit 17 Prozent auf 25,8 Prozent. Das bringt Herausforderungen in puncto Integration, Bildung und Wohnraum, vor allem in Wien, mit sich.

Migranten retten Pensionen

Kein anderer Teil des Sozialstaates profitiert so sehr von der Zuwanderung wie das Pensionssystem. Durch den verstärkten Zuzug kommen vor allem Menschen im erwerbsfähigem Alter nach Österreich. Angesichts fast 400.000 Arbeitsloser steigert das zwar den Druck auf den Arbeitsmarkt, aber auch die Beschäftigung steigt weiterhin und damit auch die Einzahlungen in den Pensionstopf.

Am Freitag wird die Pensionskommission ein Papier zur Entwicklung der Pensionskosten vorlegen. Das Ergebnis wird dabei positiv überraschen. So sollen nächstes Jahr um 591 Millionen Euro weniger vom Budget zugeschossen werden, als im Budgetplan vorgesehen. Bis zum Jahr 2019 sollen laut Prognose die Budgetzuschüsse zu den Pensionen auf 12,54 Milliarden Euro statt wie bisher erwartet auf 13,3 Milliarden steigen.

Das ist eine Entlastung, aber keine Lösung für das Pensionsproblem. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will bis Ende Februar 2016 ein umfassendes Pensionskonzept inklusive Reformvorschläge vorlegen. Der Pensionsautomatismus - also die Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung - bleibt allerdings Streitpunkt zwischen SPÖ und ÖVP. Widerstand kommt vonseiten der SPÖ. Diese sieht hier nämlich keinen Handlungsbedarf, wie Kanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag vor dem Ministerrat erklärte.

Mit oder ohne Automatismen, Experten fordern jedenfalls eine umfassende Reform des Pensionssystems, weil dieses nicht "zukunftsfit" sei. Gottfried Haber von der Donau Uni Krems sprach sich bei einem Hintergrundgespräch für ein stärkere Einbindung der zweiten und dritten Säule der Pensionsvorsorge - die betriebliche und private Vorsorge - aus.

"Wie ein Döner"

"In allen Varianten, die wir durchgerechnet haben, gilt eines ganz klar: Die Bevölkerung im Pensionsalter wird steigen", erklärt Alexander Hanika von der Statistik Austria. "2060 sieht die Bevölkerungspyramide wie ein Döner aus." Das stelle freilich auch Betriebe vor neue Herausforderungen, denn langfristig würden immer weniger junge und immer mehr ältere Arbeitnehmer zur Verfügung stehen.

Die Lebenserwartung wird in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen. Im Jahr 2060 soll ein Mann durchschnittlich 87,3 Jahre und eine Frau 90,6 Jahre werden. Das ist ein Anstieg von neun Jahren bei den Männern beziehungsweise sieben Jahren bei den Frauen. Geht es nach den Statistikern, soll auch die Geburtenrate wieder leicht anziehen. Derzeit bekommt jede Frau im Schnitt 1,46 Kinder. Im Jahr 2060 sollen es 1,55 Kinder sein. Der leicht Anstieg ist einerseits auf die Zuwanderer zurückzuführen, anderseits bekommen Frauen immer später Kinder. Damit ginge ein Verzögerungseffekt einher, erklärte Hanika.