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Tragödie einer Verstaatlichung

Von Marina Delcheva

Politik
2009 verhandelten Staatssekretär Andreas Schieder, Finanzminister Josef Pröll und Bayerns Finanzminister Georg Farschon (v.l.n.r.).

Hypo-U-Ausschuss: Notverstaatlichung wirft heikle Fragen an prominente Zeugen auf.


Wien/Klagenfurt. Es war das wohl teuerste Wochenende in der Geschichte der Zweiten Republik. Es ist der 11. Dezember 2009. In den kommenden drei Tagen wird die staatliche Übernahme der damaligen Pleitebank Hypo Alpe Adria verhandelt. Letzten Endes wird die Republik unter der Federführung des damaligen Finanzministers Josef Pröll (ÖVP) die Hypo verstaatlichen. Den Steuerzahler wird diese Entscheidung etliche Milliarden Euro und jahrelange Aufarbeitung kosten.

Neben Pröll finden sich auch sein damaliger Kabinettsmitarbeiter Michael Höllerer - beide sind jetzt Top-Manager bei Raiffeisen - sowie Notenbanker Ewald Nowotny, SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder und führende Manager der heimischen Großbanken zu Gesprächen im Finanzministerium ein. Später kommen auch die Bayern unter dem damaligen Finanzminister Georg Farschon (CSU) nach Wien.

Mit eben dieser Zeit beschäftigt sich jetzt der parlamentarische Untersuchungsausschuss. Mit durchaus prominenten Zeugen. So müssen diese Woche der ehemalige Hypo-Investor Tilo Berlin und Nationalbank-Chef Nowotny auf der Zeugenbank Platz nehmen. Bis Weihnachten müssen auch Ex-Finanzminister Pröll und sein damaliger enger Mitarbeiter Höllerer den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Aber der Reihe nach.

Unter dem damaligen Chef der Hypo, Wolfgang Kulterer, und dem Kärnter Landeshauptmann Jörg Haider ist die Bilanzsumme der ehemals kleinen Landeshypothekenbank geradezu explodiert. Bis 2008, dem Jahr vor der Verstaatlichung, stieg sie auf mehr als 40 Milliarden Euro, getrieben von großteils Krediten.

Verhängnisvolle Haftungen

Die Expansion war wegen der üppigen Kärntner Landeshaftungen, ermöglicht durch die Haider-Landesregierung, machbar. In Spitzenzeiten betrugen sie 24 Milliarden Euro (siehe Grafik), das Zehnfache des Landesbudgets. Im Gegenzug wurde die großzügige Wachstumspolitik des Landeshauptmanns finanziert - eine Seebühne, ein Fußballstadion. Eben diese Landeshaftungen wurden der Republik auf Jahre zum Verhängnis.

2008 schreibt die Hypo 520 Millionen Euro Verlust. Daraufhin pumpt die Republik 900 Millionen Euro an Partizipationskapital in die Bank, die damalige Mutter BayernLB weitere 700 Millionen. Grundlage für die Staatshilfe ist ein Bericht der Nationalbank, der die Hypo als "not distressed" bezeichnet. In der internationalen Bankensprache gibt es eigentlich nur "sound", also gesund, oder "distressed", also notleidend. Die Hypo, so die Notenbank, ist damals irgendwo dazwischen. Wäre sie notleidend, hätte man wohl damals schon die Abwicklung einleiten müssen.

Ein Teil der Fragezeit, so Grünen-Abgeordneter Werner Kogler zur "Wiener Zeitung", wird am Donnerstag eben diesem "österreichischen Schlaumeiertum" gewidmet. Die restliche Fragezeit Nowotnys gilt der Notverstaatlichung.

2009 verbucht die Hypo wieder einen Verlust, es sind 1,5 Milliarden Euro. Diesmal will die BayernLB aber kein weiteres Kapital zuschießen. Ohne das Geld der Bayern drohte die Pleite. Also springt der Staat ein - und kauft die marode Bank mitsamt ihren Altlasten um einen symbolischen Euro. Im Gegenzug bleibt eine Milliarde Euro in der Bank, rund 825 Millionen von der BayernLB sowie 200 und 30 Millionen von den Miteigentümern Land Kärnten und Grawe. Wäre die Hypo tatsächlich in die Pleite geschickt worden, hätte Kärnten sie in die ungeregelte Insolvenz geschickt, was einen Bankenrun ausgelöst hätte, und - so die Befürchtungen des Finanzministeriums und anderer Großbanken - der Finanzplatz Österreich hätte einen Schaden davongetragen. Außerdem haftete Kärnten da noch mit 20 Milliarden Euro für die Hypo.

Milliardenschweres Poker

Dass die BayernLB ihre marode Tochter pleitegehen hätte lassen, bezweifeln die Oppositionsparteien im U-Ausschuss. Das hätte die ohnehin angeschlagene Bayerische Landesbank nämlich sechs Milliarden Euro gekostet. Auch Notenbanker Nowotny sei an diesem verhängnisvollen Wochenende zunächst gegen die Verstaatlichung gewesen, so Kogler. In den Akten sei von einer 40:60-Teilung der Pleite zwischen Österreich und Bayern die Rede. Warum also das Umschwenken?

Auch Finanzminister Pröll sei zunächst gegen eine Übernahme gewesen. In der Nacht auf Montag, den 14. Dezember, besiegelt er nach zähen Verhandlungen den Deal dann doch. Das Argument: Aus damaliger Sicht sei zu bezweifeln gewesen, dass Bayern die Hypo rettet. Eine Pokerpartie, die eindeutig an Bayern geht. Ob das tatsächlich so war, wird Pröll am 17. Dezember zumindest gefragt.