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Im Container über den Winter

Von Werner Reisinger

Politik

Kasernen als Quartiere: Das Asylpolitik-Hickhack in der Bundesregierung setzt sich auf Ebene der Ministerien fort.


Wien. Der Bürgermeister von Bruckneudorf im Burgenland ist noch immer empört. Gerhard Dreiszker (SPÖ) hat bis heute keine offizielle Meldung, weder vom Innen- noch vom Verteidigungsministerium, dass in seiner Gemeinde eine winterfeste Flüchtlingsunterkunft entstehen soll. Er habe am Mittwoch vergangener Woche aus einer Presseaussendung des Verteidigungsministeriums erfahren, dass auf dem Gelände der Kaserne Bruckneudorf/Bendeck, konkret auf einem Übungsplatz, eine Container-Siedlung für bis zu 450 Flüchtlinge entstehen soll. Die Stimmung in der Bevölkerung ist aufgeheizt, die Ablehnung des Vorhabens eint rote und blaue Politiker auf Landes- und Gemeindeebene. Die Bruckneudorfer finden sich alle zwei Tage zu Demonstrationen zusammen. Auch am Mittwochabend soll erneut gegen die Unterbringung der Flüchtlinge protestiert werden.

Was Bürgermeister Dreiszker am meisten ärgert, ist die Vorgangsweise der zuständigen Ministerien. Man habe vor, den Widerstand fortzusetzen und den Druck noch weiter zu erhöhen. Notfalls wolle man eine Autobahn besetzen oder Ähnliches, sagte Dreiszker zur "Wiener Zeitung". Einfach über die Bevölkerung drüberfahren, das gehe zu weit.

"Unglückliche Kommunikation"

Im Rahmen eines privaten Projekts sind in Bruckneudorf bereits 20 Flüchtlinge untergebracht. Damit seine Gemeinde den Richtwert zur Flüchtlingsunterbringung erreicht, habe man bereits im Oktober zusammen mit dem Innenministerium, dem Bundesheer und Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) ein Grundstück "mitten im Ortszentrum" begutachtet. Das dem Heer gehörende Grundstück sei perfekt geeignet gewesen, weitere 35 bis 40 Flüchtlinge in Bruckneudorf aufzunehmen. Die Gespräche seien auch positiv verlaufen, man wollte nur mehr die Details abklären. Tage später hieß es vonseiten des BMI, man müsse "nur noch Kleinigkeiten abklären". Seit dem herrsche Funkstille, so der Bürgermeister. Jetzt habe er den "Eindruck, dass man an Bruckneudorf ein Exempel" statuieren wolle. Immerhin sei er jetzt aber in Kontakt mit dem Verteidigungsminister, und der habe auch Bereitschaft signalisiert, von dem Plan abzurücken, "wenn Bruckneudorf seine Quote erfüllt".

In der Tat sei die Kommunikation "unglücklich" gelaufen, meint Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Schuld sei aber das Verteidigungsministerium, das mit einer Aussendung vorgeprescht sei, obwohl keine Details geklärt worden waren und das Innenressort zudem gebeten habe, keine Aussendung zu machen. Auch die dort genannte Zahl von 80 Containern könne er nicht bestätigen, so Grundböck. Es sei wichtig, künftig den Diskussionsverlauf zu optimieren: Zuerst müssten die Details abgeklärt und mit den Verantwortlichen gesprochen werden, erst dann könne man den Schritt an die Öffentlichkeit machen.

Bundesheer bietet Kasernen an

Bezüglich der seit Oktober in Diskussion stehenden Liegenschaft im Ortzentrum weist Grundböck die Schuld des Innenministeriums von sich. Die Gemeinde Bruckneudorf müsse sich an das Land wenden - dieses sei für Quartiere unter 100 Personen zuständig. Bei der Begehung im Oktober seien nur Berater des BMI anwesend gewesen, die der Bund in allen Ländern zur Verfügung stellt. Was also läuft falsch?

Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums kommen gänzlich andere Töne. Dieses bietet zurzeit acht weitere Kasernen und Liegenschaften des Bundesheeres für den Bau von winterfesten Flüchtlingsquartieren an (siehe Grafik). Einer dieser Standorte ist Bruckneudorf. Einige dieser Liegenschaften hat Minister Klug zum Verkauf ausschreiben lassen, so beispielsweise die Tilly-Kaserne in Freistadt in Oberösterreich oder die Badener Martinek-Kaserne. Die Kasernen in Horn und Tamsweg sollen Ende 2016 aus dem Betrieb ausscheiden, auch sie werden dem Innenministerium angeboten.

Dort heiße es aber, nur ein Jahr Nutzung sei zu wenig. Im Verteidigungsministerium stößt diese Haltung auf Unverständnis, schließlich sei ein Jahr besser als nichts. Die Kaserne Horn hätte man immerhin eineinhalb Jahre nutzen können, wenn man sich nach erfolgter Eignungsprüfung sofort zur Nutzung entschieden hätte, heißt es.

"Gratis" könne das Bundesheer die Kasernen, die bestens zur dauerhaften Unterbringung zahlreicher Flüchtlinge geeignet sind, freilich nicht dem Innenressort zur Verfügung stellen. Die kalkulierten Verkaufserlöse der Gebäude und Liegenschaften sind nämlich bereits fix im Verteidigungsbudget eingepreist. Das Bundesheer muss schließlich sparen.

Länder sind zuständig

Abkaufen könne das Innenministerium die Objekte jedoch nicht. Der Bund übernehme angesichts der Krise nur die Zuständigkeiten der Länder bei der Unterbringung, unterstreicht BMI-Sprecher Grundböck. Dauerhafte Unterbringung, das sei am Ende des Tages die Aufgabe der Länder. Und die seien nach wie vor säumig.

Innenministerin Mikl-Leitner gehe es vor allem darum, "überall und sofort Unterkünfte zu schaffen, und das ohne Rücksicht auf einen möglichen militärischen Dienstbetrieb", kontert man aus dem Verteidigungsministerium. Im Fall von Bruckneudorf habe es wie so oft eine falsche Vorgangsweise des BMI gegeben. Man müsse eben schon vor den Begehungen mit der Gemeinde und dem Land sprechen, um eine sofortige Eskalation und Abwehrreaktion zu vermeiden. Das geschehe aber nicht. Das Bundesheer müsse dann zwischen den Streitenden vermitteln, "was eigentlich nicht unser Job ist", beschwert man sich beim Heer. Man schiebt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Das politische Hickhack in der Bundesregierung, was die Asylpolitik betrifft, setzt sich auf Ebene der Ministerien fort.

Indes drängt die Zeit. Der Ankauf von Containern oder beheizbaren Zelten für den Winter könnte übrigens teuer kommen. Laut Beraterkreisen des BMI würde ein Container-Camp für 450 Personen rund 1,5 Millionen Euro kosten. Bei 15.000 unterzubringenden Flüchtlingen würden sich die Kosten demnach auf 50 Millionen Euro belaufen.