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Bierbrauerinnen statt Friseurinnen

Von Teresa Reiter

Politik

Neue Initiative für Mädchen am Lehrstellenmarkt.


Wien. Noch letzte Woche empörte sich Integrationsminister Sebastian Kurz über geschlechtergetrennt stattfindende Kompetenzchecks für Flüchtlinge beim AMS. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau stünde nicht zur Diskussion und man könne das den Flüchtlingen "nicht durchgehen lassen", sagte Kurz zum ORF-Radio. Tatsächlich bietet das AMS bereits seit einiger Zeit und unabhängig von der Flüchtlingskrise bestimmte Services speziell für Frauen an, um den faktischen Mangel an Chancengleichheit für Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.

Spezifische Herausforderungen stellen sich etwa für Mädchen ab 15 Jahren. So sind laut Arbeitsmarktservice 42 Prozent der Lehrstellensuchenden weiblich, aber von den insgesamt 116.000 Lehrlingen sind nur ein Drittel Frauen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass der Großteil der jungen Frauen sich auf wenige Berufe konzentriert: Friseurin, Bürokauffrau, Einzelhandelskauffrau und vielleicht noch Gastro.

Ein Gegengewicht für das Ungleichgewicht

Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, gibt es seit letzter Woche in Wien das erste österreichische Mädchen-Berufs-Zentrum (MBZ), eine Initiative des AMS Wien und der Mädchenberatungsstelle Sprungbrett. Für alle beim AMS als arbeitssuchend gemeldeten Frauen zwischen 15 und 21 soll das MBZ kostenlose Beratung bieten, Möglichkeiten zum Netzwerken, Bewerbungstraining und Kompetenzaufbau etwa bei der Selbstpräsentation. Obwohl das MBZ seinen Schwerpunkt bei Lehrberufen hat, können das Angebot alle jungen Frauen in Anspruch nehmen, die Arbeit suchen.

"Viele Mädchen, die zu uns kommen, erhalten von zu Hause nicht die ganz große Unterstützung bei der Berufswahl", erklärt Sprungbrett-Geschäftsführerin Margarete Bican. Infolgedessen würden die meisten Berufe ergreifen, die sie aus ihrer Familie oder aus ihrem Freundeskreis kennen, und das sei eben oft der der Friseurin. "Zu Sprungbrett kommen in erster Linie Mädchen, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht ganz so leicht haben", so Bican. Häufig hätten ihre Klientinnen Probleme im sprachlichen Ausdruck oder mit der Rechtschreibung, mit einfacher Mathematik oder mit dem Verfassen einer Bewerbung. Folglich würden sich viele umso mehr scheuen, nicht-traditionelle Lehrberufe zu ergreifen.

Monika Bayat ist 17. Sie lacht viel und überredet sofort ein paar Besucher des neuen MBZ, bei einem Logik-Spiel mitzumachen. So sei sie nicht immer gewesen, erzählt sie. Als das AMS ihr den Besuch des Sprungbrett-Workshops empfahl, habe sie ein mulmiges Gefühl gehabt: "Ich hatte Angst, dass die anderen Mädchen arrogant sind oder dass ich da nicht dazu passe. Ich bin nach zwei Jahren zu Hause zum ersten Mal wieder in ein soziales Leben hineinkommen. Ich war so schüchtern." Weil sich ihre Eltern die private Handelsakademie nicht mehr leisten konnten, habe sie diese abgebrochen. Danach kam zwei Jahre lang gar nichts. Kein Job, keine Ausbildung. Doch sie merkte schnell, dass es den anderen bei Sprungbrett nicht anders ging: "Ich habe mich sofort eingelebt. Die Mädchen waren super und es ist auf jeden Fall einfacher nur mit Mädchen. Man traut sich gleich, alles zu sagen und wird dann sehr gut beraten."

Ein Raum nur für Mädchen

Erst wollte Bayat zahnärztliche Fachassistentin werden, doch dann habe sie von der Zahntechniker-Lehre erfahren und das sei nun der neue Plan. "Ich habe gelernt, Bewerbungen zu schreiben, direkt zu sagen, was ich denke, ich kann plötzlich mit Fremden sprechen und es ist gar kein Problem mehr. Das ist super."

AMS-Wien Chefin Petra Draxl erklärt, Mädchen müssten unterstütz werden, auch nicht-traditionelle Berufe zu ergreifen; und sie erzählt vergnügt von einer Bierbrauerin, die aus dem letzten Workshop hervorgegangen sei. Natürlich gäbe es auch gemischtgeschlechtliche Berufsberatung und die werde auch von vielen Mädchen wahrgenommen, doch sei es wichtig, auch jene Mädchen anzusprechen, die für diese Vorbereitung lieber einen geschützten Raum ganz für sich haben wollen.

Dass bisherige Bemühungen keine große Veränderungen in der Liste der meistgewählten Lehrberufe erwirkt haben, gibt sie zu. Es sei schwierig, eingefahrene Muster zu verändern. "Und dann gibt es auch noch diesen Zusammenhang in Österreich: Haben die Eltern keine Bildung, haben die Kinder auch oft keine", so Draxl. Um dem entgegenwirken, brauche es eine gemeinsame Schule bis zum 14. Lebensjahr und mehr Beziehungen zwischen Schule und Wirtschaft.

Sprungbrett - Mädchen-Berufs-Zentrum