Zum Hauptinhalt springen

Nächste Episode: Das Einschlummern der Macht

Von Simon Rosner

Politik

Analyse: Die Regierung hat ein hartes Jahr hinter sich. 2016 verspricht ruhiger zu werden, doch die Konfliktfelder zwischen SPÖ und ÖVP bleiben.


Die Qualen der Wahlen hat die Bundesregierung beinahe ausgestanden. Einmal geht’s noch. Im Frühjahr wird der Nachfolger oder Nachfolgerin von Bundespräsident Heinz Fischer gewählt, planmäßig ist dies der letzte Urnengang in dieser Legislaturperiode. Für die Regierung ist das insofern eine Erleichterung, da Wahlen von SPÖ und ÖVP immer auch als Gelegenheit verstanden werden, dem Koalitionspartner Unfreudlichkeiten auszurichten.

Allerdings braucht es dafür auch nicht unbedingt Wahlen, es reicht mittlerweile das Pressefoyer nach dem Ministerrat, wenn Kanzler und Vizekanzler vor die Medien treten und offen in Streit ausbrechen. Das ist nicht unbedingt das, was gerade in unsicheren Zeiten eine Regierung darstellen sollte. Tatsächlich ist es ein verhehrendes Bild, das sich auch in Umfragen niederschlägt.

Dazu kommen eine Reihe von versteckten Fouls, etwa wenn aus einem Ministerium scheinbar unabsichtlich gewisse Pläne und Informationen herausdringen, die dann zufällig den Koalitionspartner in Aufregung versetzen, wie dies jüngst mit einem Expertenpapier zum Thema Pensionen geschehen ist, das Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Parteifarbe ins Gesichts gezeichnet hat.

Die Kampflinien heißen derzeit SPÖ gegen ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka sowie ÖVP gegen SPÖ Wien, die letzte noch verbliebene (und auch gerupfte) Bastion der Sozialdemokraten. Den Landeshauptmann in der Steiermark verlor die SPÖ im Sommer und in Oberösterreich marginalisierte sie sich und fiel sogar unter ihren Wert aus Niederösterreich.

Dennoch sitzt Werner Faymann nach wie vor im Sattel, was ihm Anfangs des Jahres gar nicht so viele zugetraut hatten. Bei der Wiederwahl 2014 hatten ihm nur rund 84 Prozent der Delegierten ihre Stimme gegeben, was für Vorsitzende der SPÖ ein schlechtes Ergebnis darstellt, zumindest in Österreich. Sigmar Gabriel in Deutschland war nur von knapp 75 Prozent bestätigt worden.

Keine Dynamik bei Parteichefwechsel

Die Steuerreform besänftigte dann aber die gewerkschaftlichen Gemüter und die Landtagswahlen in der Steiermark - so bitter sie für beide Regierungsparteien auch waren - hatten aus Sicht Faymanns auch einen positiven Aspekt. Denn Franz Voves, der sich ganz gern als parteiinterner Grantscherm gefiel und bereits 2013 alle seine Bundesfunktionen zurückgelegt hatte, trat zurück.

Dabei gab es durchaus Versuche, einen personellen Wechsel an der Parteispitze zu erwirken. Eine Gruppe rund um den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler forderte ganz offen eine Diskussion darüber, eine andere Initiative, der sich Ex-Sozialminister Erwin Buchinger anschloss, tat dies ebenso. Wirklich Fahrt nahmen beide Initativen nicht auf, nicht einmal als sich erst Ex-ORF-General Gerhard Zeiler in einem Interview selbst annoncierte und zum wiederholten Mal ÖBB-Chef Christian Kern medial ins Rennen geschickt wurde.

Dass Faymann als Kanzler eher ein "Reagierungschef" ist und selten selbst die Agenda setzt, wird ihm seit Jahren als Schwäche ausgelegt. Machtpolitisch muss es das nicht sein, denn so kann er die Wünsche und Stimmungen der diversen Teilorganisationen besser in seine Politik einbauen. Er tut dies mit Forderungen, die aus der Gewerkschaft kommen (die wohl auch den Kandidaten für das Präsidentenrennen stellen darf), und er tut dies aktuell etwa bei der Frage nach einer Asylgesetznovelle mit den Befindlichkeiten aus Wien, das die Asyl-auf-Zeit-Pläne vehement bekämpft.

Zulauf zur FPÖ fesselt die Koalition aneinander

Innerhalb Europas hat sich der Kanzler mittlerweile ein anderes Profil verpasst, als er es in Österreich hat. Hinter Angela Merkel ist er auch der am längsten dienende Regierungschef innerhalb der EU. In den vergangenen beiden Jahren tauschten mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten ihre Regierungschefs aus. In Sachen Flüchtlinge ist Faymann auf EU-Ebene durchaus initiativ, wie etwa jüngst ein in der österreichischen Botschaft in Brüssel organisiertes Treffen offenbarte. Wie sehr dies auch auf seine Position in Österreich ausstrahlt, wird sich allerdings erst weisen.

Während dieses Jahr durch die Landtagswahlen und die Steuerreform mit innenpolitischen Stolpersteinen durchaus vollgepflastert war, verspricht das kommende Jahr für die Regierungsparteien ruhiger zu werden. Die Bundespräsidentenwahl hat nicht ganz die Sprengkraft, wie es Wahlen in großen Bundesländern haben, und die Verhandlungen um den Finanzausgleich sind zwar von enormer Wichtigkeit für die Republik, jedoch so komplex, dass es ohnehin fast niemand durchblickt - Politiker eingeschlossen.

Die hohe Arbeitslosigkeit und das Flüchtlingsthema werden natürlich weiterhin das Land und damit auch die Regierung beschäftigen und für Diskussionen sorgen, bei denen beide Koalitionsparteien versuchen werden, Deutungshoheit zu erlangen. Bis 29. Februar muss auch eine Entscheidung fallen, ob es weiterer Pensionsreformen bedarf, was für die SPÖ ein deutlich unangenehmeres Thema darstellt, vor allem mit Blick auf die Wählerschaft. Gerade die Generation 50-Plus, und da vor allem die Frauen, gehören zu den treuesten Unterstützerinnen der Sozialdemokratie.

Für die ÖVP könnte sich vor allem das Budget als Herausforderung darstellen. Nicht wenige Experten vermuten, dass es auch aufgrund der Steuerreform nicht halten werde, die Gegenfinanzierung war eher von Optimismus getragen. Für Finanzminister Hans Jörg Schelling wäre die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts unangenehm, dann geht es aber darum, wo eingespart werden soll. Die großen Budgetposten Gesundheit, Bildung, Pensionen und Soziales sind in Verantwortung des Regierungspartners.

Auch wenn vielleicht die großen Streitpunkte und Stolpersteine im kommenden Jahr fehlen, bleibt der stetige Zulauf zur FPÖ, der Neuwahlen zu keiner Option macht. Die Schwäche beider Parteien zwingt sie noch enger zusammen, auch wenn sie das nicht wollen. SPÖ und ÖVP werden daher ums ständige Zusammenraufen nicht umhinkommen.

Für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gilt das auch intern. Mit seinem Ja zur Steuerreform hat er zwar für den ÖAAB, den größten Bund, etwas getan, dafür seine Hausmacht, den Wirtschaftsbund, verprellt. Durch die vereinbarte Lohnnebenkostensenkung hat Mitterlehner den wachsenden Ärger aus der Wirtschaft zwar etwas dämpfen können, doch die Grundstimmung bleibt schlecht. Dass sich dann und wann sogar SPÖ-Minister zur Mediation innerhalb der Volkspartei ausrücken müssen, ist eher keine Übertreibung.

Können Königsmachermit Kurz?

Es ist natürlich das grundsätzliche Problem eines jeden ÖVP-Obmanns, dass er sich mit den Befindlichkeiten der Bünde, deren divergierenden Interessen sowie den Landeshauptleuten auseinandersetzen muss. Doch auch im Fall von Mitterlehner gilt: Wer soll ihn absetzen?

Sicher dürfte Sebastian Kurz in den Startlöchern stehen, doch wie stehen die parteiinternen Königsmacher zu ihm? Im Gegensatz zu Mitterlehner und Schelling soll Kurz Schwarz-Blau nicht abgeneigt sein. Sagen zumindest die Kassandrarufer der anderen Parteien. Doch Schwarz-Blau steht derzeit ohnehin höchstens als strategische Drohkulisse der ÖVP im Raum. Die FPÖ will keinen fliegenden Wechsel und nach der kommenden Nationalratswahl - geplant: 2018 - könnte sich eine andere Reihenfolge ergeben. Und ob Kurz Strache zum Kanzler machen wollen wird, ist schon eine andere Frage.

Ein Ausweg aus dieser für beide Parteien dystopischen Zukunft ist zwar in der Theorie denkbar und bei SPÖ und ÖVP auch sicher bekannt, doch solange der größere Feind auf der anderen Seite der Regierungsbank vermutet wird, wird das kommende Jahr nur eine Fortsetzung des bisherigen Films sein.