Wien. "Du Lausbub, Du." Mit diesen Worten hat Heinz Fischer den 50-jährigen Alexander Van der Bellen im Nationalrat empfangen, als dieser 1994 für die Grünen ins Parlament einzog. Mehr als 20 Jahre später sitzt dem "Menschen mit grüner Vergangenheit", wie sich Van der Bellen nun selbst nennt, immer noch der Schalk im Nacken. Nachdem er am Freitag das Geheimnis um seine Kandidatur als Fischers Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten gelüftet und in einer Videobotschaft sein Antreten kundgetan hatte, erklärte sich Van der Bellen am Sonntag in einer Pressekonferenz.

Vier Minuten zu spät, in Anzug und Krawatte, aber immer noch unrasiert, trat der Wirtschaftsprofessor vor die Medien. "Jetzt weiß ich endlich, wie es einem mittleren Hollywood-Schauspieler geht", scherzte er, nachdem er das Blitzlichtgewitter der Fotografen überstanden hatte. Und dann legte er los: Gewohnt besonnen, langsam und immer mit einer Prise Humor erklärte er, dass er daran glaube, eine Chance auf das Amt zu haben. "Und ich bin fest entschlossen, diese Chance zu nutzen", sagte Van der Bellen. Aber: "Ich bin auch nicht naiv, ich weiß, dass ich ein Außenseiter bin." Seit 1945 sei immerhin noch kein Bundespräsident nicht aus dem roten oder schwarzen Lager gekommen. "Aber die Zeiten ändern sich." Und dann seine Bewerbungsrede: Er sei ein "verbindlicher Charakter", gelegentlich zu polemisieren könne zwar Spaß machen, trotzdem müsse man aber eine Gesprächskultur des Anstands und der Vernunft wahren.

Als Flüchtlingskind – Van der Bellen ist der Sohn einer Estnin und eines Russen, die Familie flüchtete zuerst nach Wien und nach seiner Geburt nach Tirol – habe ihm Österreich große Chancen eröffnet und eine Heimat gegeben. Van der Bellen sprach von den großen Herausforderungen unserer Zeit – der Arbeitslosigkeit, dem Flüchtlingsdrama, dem Klimawandel und der Krise der Europäischen Union. Diese könne man nur mit Optimismus lösen, deswegen habe er für sein "Bewerbungsvideo" auch die Zeile "Mutig in die neuen Zeiten" aus der Bundeshymne gewählt. Und wer weiß – "vielleicht stehe ich in drei oder vier Monaten schon vor Euch und sage: ‚Ich bin’s, Euer Bundespräsident‘".

Einfach wird es freilich nicht, dieses Ziel zu erreichen, geht es doch bei der Bundespräsidentenwahl um weit mehr als die niedrigen zweistelligen Prozentbeträge, die die Grünen normalerweise bei Wahlen auf sich vereinen können. Das weiß der ehemalige Grünen-Chef nur zu gut. Deswegen warf er gleich in alle Richtungen die Angel aus: Er betonte, dass er jahrelang SPÖ-Mitglied gewesen sei, erinnerte Bundespräsident Heinz Fischer daran, dass er 2010 eine Wahlempfehlung für ihn ausgesprochen hatte und bezeichnete sich selbst als "halbwegs liberalen Menschen mit grüner Vergangenheit". Die Gretchenfrage in diesem Präsidentschaftswahlkampf, nämlich wie es ein Kandidat wohl mit der FPÖ hält, beantwortete Van der Bellen diesmal nicht so klar, wie man es von ihm schon gehört hat und sich vielleicht auch gewünscht hätte. Hatte er noch im Herbst erklärt, er würde FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Zweifelsfall nicht als Regierungschef angeloben, diese Aussage aber später mit dem Verweis relativiert, es handle sich dabei um einen "hypothetischen" Fall, so blieb er diesmal auch auf Nachfrage vage. Immerhin sei der Bundespräsident ja – genauso wie eine Partei bei der Nationalratswahl – demokratisch gewählt, allerdings mit einer höheren Stimmenmehrheit als eine (Kanzler-)Partei. Auch als stärkste Fraktion habe man nicht automatisch einen Anspruch auf die Kanzlerschaft, schmunzelte er. Was genau er damit meint, wie er verfassungsrechtlich damit umgehen würde und ob er – ähnlich wie etwa Thomas Klestil – eine schwarz-blaue Regierung zähneknirschend und mit Auflagen angeloben würde, darauf wollte Van der Bellen nicht genauer eingehen.

Über die anderen möglichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ließ er sich wenn, dann nur positiv aus, bei den Namen haperte es allerdings. So verwechselte er Andreas mit Helmut Khol und wie "der Sozialminister" heißt, wollte ihm partout nicht einfallen, auch wenn er ihn schon seit Jahren kenne. An seinem Namensgedächtnis wird Van der Bellen also noch feilen müssen, sollte er Bundespräsident werden und keine diplomatischen Verärgerungen riskieren wollen. Ein kleiner Fauxpas in einem ansonsten erwartet souveränen Auftritt.