Die Ethikplatttform der Boku in Wien gab Empfehlungen für den Umgang mit vom Militär finanzierten Uni-Projekten.  - © Wiener Zeitung, Figl
Die Ethikplatttform der Boku in Wien gab Empfehlungen für den Umgang mit vom Militär finanzierten Uni-Projekten.  - © Wiener Zeitung, Figl

Wien. Der Ruf nach mehr Transparenz bei externen Geldgebern in der Forschung ist stärker geworden. Nach einer parlamentarischen Anfrage der Grünen wollte Transparency International mehr Einblick bei Forschungsgeldern, heute führen einige Universitäten ethische Debatten über Forschungsprojekte und deren Finanzierung. Zuletzt hat die Ethikplattform der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien Empfehlungen für den Umgang mit vom Militär finanzierten Uni-Projekten herausgegeben.

Die Trendwende erfolgte, als bekannt wurde, dass das US-Militär Forschung an österreichischen Universitäten bezahlt. Damals hatte die "Wiener Zeitung" in Zusammenarbeit mit NDR Info aufgedeckt, dass das Pentagon an öffentlichen Universitäten und an der öffentlichen Akademie der Wissenschaften Projekte in der Höhe von fast neun Millionen Euro finanziert beziehungsweise finanziert hat.

Unterschiedliche Regelungen

Formal hat sich seither nichts verändert: Die Unis sind nach wie vor nicht dazu verpflichtet, offenzulegen, woher sie ihre Gelder beziehen, oft muss der Projektleiter nicht einmal das jeweilige Uni-Rektorat informieren. An der Uni Wien sind Wissenschafter alleine für den Inhalt ihrer Projekte verantwortlich, an der Uni Graz ist jedes Forschungsvorhaben, das mit Drittmittel finanziert wird, dem Rektorat zu melden. An der Uni Innsbruck müssen Drittmittelprojekte von der Institutsleitung bewilligt, und bei ethischen Fragen muss der Ethik-Beirat herangezogen werden. Die meisten Unis betonen, sie würden - auch wenn das Geld vom US-Militär kommt - reine Grundlagenforschung betreiben. Oft wird argumentiert, allzu strenge Regeln würden die Forschungsfreiheit einschränken.

"Keine militärischen Ziele"

An der Boku müssen Forscher mit einer Ja/Nein-Antwort angeben, ob sie ihre Projekte als ethisch bedenklich einstufen. "Die Antwort lautet immer ‚Nein‘", kritisiert Gerd Sammer. Der emeritierte Boku-Professor war Mitinitiator und erster Vorsitzender der dortigen Ethikplattform. Anders als an den meisten Universitäten, an denen die Diskussionen über Ethik und Transparenz - wenn überhaupt - nur hinter verschlossenen Türen stattfindet, hat sich die Boku der Debatte auch öffentlich in einer Podiumsdiskussion gestellt. Forschung und Lehre an der Boku sind friedlichen Zielen verpflichtet und Forschungsergebnisse für zivile Zwecke ausgerichtet, heißt es in der seit Frühjahr 2015 existierenden Ethik-Charta. Zuletzt hat sich die Ethikplattform Ende 2015 mit einem Projekt im Bereich der Nanotechnologie beschäftigt, das die Forschungsabteilung der US-Luftwaffe, dem US Air Force Office of Scientific Research, mit knapp 410.000 Euro finanziert hat. Für das Projekt, das Ende Mai 2015 auslief, hatten die Forscher einen Verlängerungsantrag gestellt. Das nahm die Ethikplattform zum Anlass, Empfehlungen für den Umgang mit Projekten wie diesem zu entwickeln.

Bei dem Projekt werden Protein-Membran-Strukturen an der Oberfläche von Bakterien, sogenannte S-Layer, erforscht. Die Forscher versuchen den geringen Strömungswiderstand in den S-Schichtgittern durch die Struktur der Wassermoleküle zu erklären. In diesem Fall wäre eine Anwendung bei Trinkwasseraufbereitung denkbar - eine waffentechnische Nutzbarkeit oder militärische Ziele konnten die Mitglieder der Ethikplattform nicht erkennen. Die Intentionen der Projektverantwortlichen an der Boku seien "zweifelsfrei zivil", dennoch können sie nicht beurteilen, ob die Forschungsergebnisse langfristig nicht doch militärisch anwendbar seien. Die Ethiker sehen sich außerstande, eine Abwägung vorzunehmen. Sammer schlägt daher eine durch externe Experten besetzte Ethik-Kommission vor.

Er betont, Miteinbeziehung ethischer Aspekte sei ein Prozess und ein Balanceakt zwischen Forschungsfreiheit und ethischer Verantwortung. Insbesondere bei der Antragsstellung solle man ethische Fragen stärker berücksichtigen, so Sammer, und Geldgeber seien hinsichtlich ihrer Ziele unter die "ethische Lupe zu nehmen". Zu den Zielen der Fördergeber, dem Pentagon, erhebt die Ethikplattform im Anlassfall "deutliche Zweifel".

Die Ethik-Kommission empfiehlt, dass Wissenschafter aller Forschungsgebiete im Fall einer geplanten Forschungsförderung aus militärischen Quellen das Rektorat informieren müssen. Mehr Transparenz bei Drittmitteln fordert auch Transparency International. Die NGO will Daten zu Sponsoring, Forschungsaufträgen und -kooperationen aus der Privatwirtschaft an österreichische Hochschulen sammeln. Vorbild ist die deutsche Plattform www.hochschulwatch.de. Ziel ist, die "Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft für jedermann nachvollziehbar zu machen und versteckten Einflussnahmen der Privatwirtschaft auf Forschung und Lehre entgegenzuwirken", so Thomas Gradel von Transparency International Austrian Chapter. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, derzeit formiert sich eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Hochschulen und Studierenden, und auch das Ministerium ist angefragt.