Zum Hauptinhalt springen

Dritte Runde für Alois Stöger

Von Brigitte Pechar, Werner Reisinger und Katharina Schmidt

Politik

Alois Stöger soll neuer Troubleshooter im Sozialministerium werden.


Wien. So war das sicher nicht geplant. Eigentlich hätten die monatelangen Spekulationen um die Frage, wen die SPÖ ins Rennen um die Hofburg schicken wird, erst am Freitag beendet werden sollen. Und zwar ganz offiziell, in einer Pressekonferenz im Anschluss an die Parteigremien. Doch da hat man sich bei den Sozialdemokraten selbst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Am Mittwoch sickerte offenbar aus den innersten Parteikreisen an mehrere Medien durch, was ohnehin schon viele vermutet hatten: Rudolf Hundstorfer soll für die SPÖ zur Bundespräsidentenwahl antreten, dafür werde das rote Regierungsteam umgebaut. Glaubt man den Auguren, dann wird Infrastrukturminister Alois Stöger das Sozialministerium übernehmen; seinen Posten soll wiederum Verteidigungsminister Gerald Klug, der lange überhaupt als Ablösekandidat galt, übernehmen. Und das Verteidigungsressort soll an den burgenländischen Landespolizeidirektor Peter Doskozil gehen.

So weit, so erwartbar. Was von außen am meisten verwundert, ist die Rolle Alois Stögers. Wer ist dieser Mann, der bisher in der Öffentlichkeit kaum aufgefallen ist und doch zu immer höheren Ministerweihen gerufen wird? Würde man willkürlich auf der Straße die Menschen befragen: Selbst halbwegs an der Politik Interessierte würden bei einer spontanen Aufzählung der Ressortchefs wohl auf Stöger vergessen. Der 55-Jährige ist der Sohn eines Totengräbers aus Oberösterreich, er absolvierte eine Lehre bei der Voest und war fast 20 Jahre lang Mühlviertler Bezirkssekretär der Metallergewerkschaft. Eine Fortbildung im sozialen Bereich folgte der nächsten.

Von der Notlösung zur Lösungskompetenz

2005 wurde der Vater einer Tochter Obmann der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, von wo aus er 2008 als Notlösung zum Gesundheitsminister berufen wurde. Vom ersten Tag an galt er als unauffälliger Ablösekandidat, beackerte aber tapfer eine Ressort-Baustelle nach der anderen. So brachte er die Elektronische Gesundheitsakte Elga auf den Weg und zog die Gesundheitsreform durch. Nach dem Tod Barbara Prammers und dem Wechsel von Doris Bures an die Spitze des Nationalrats im Sommer 2014 übernahm Stöger das Infrastrukturministerium, wo er still und leise weiterarbeitete.

In beiden Häusern konnte sich Stöger schnell einen guten Namen machen. Er gilt als besonnen, kompetent, pragmatisch und integer - ehemalige Mitarbeiter schwärmen von seinen Qualitäten als Chef. "Seine Tür war immer offen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne", so frühere Kollegen. Hierarchien hätten bei der Behandlung seines Teams nie eine Rolle gespielt, Stöger habe immer für alle ein offenes Ohr gehabt. Ein bisschen Pedanterie wird ihm nachgesagt, aber das ist eine Qualität, die im Sozialministerium derzeit ohnehin ein wenig abgeht, heißt es.

Das Bild in der Öffentlichkeit ist ein anderes: Zwar gibt es keine spezifischen Befragungen des Meinungsforschungsinstituts OGM zum Bekanntheitsgrad der Politiker, aus dem APA/OGM-Vertrauensindex könne man aber schließen, dass dieser nicht besonders hoch sei, erklärt Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer von OGM. Stögers Werte im monatlichen Vertrauensindex seien unspektakulär und pendelten sich knapp im negativen und zuletzt knapp im positiven Bereich ein. Dennoch: "Stöger erhält mittlerweile das dritte Ministeramt. Und das wiederum bedeutet, dass er Erfahrung und Routine ins Sozialministerium mitbringt - wenngleich ihn nicht die Kommunikationsbegabung von Hundstorfer auszeichnet."

Tue Gutes - und rede nicht darüber

Nein, er ist wahrlich kein Verkäufer, weder für sich selbst noch für seine Vorhaben rührt Alois Stöger gerne die Werbetrommel. Das liegt nicht nur daran, dass ihm persönlich nicht allzu viel am Licht der Öffentlichkeit liegt. Manchmal steckt dahinter auch Kalkül. Glaubt man ehemaligen Mitarbeitern, so wägt Stöger stets ab, was ihm mediale Inszenierung bringen kann. Das Scheitern seiner Vorgängerin im Gesundheitsministerium, Andrea Kdolsky, habe Stöger auf deren "exzessives Auftreten" in den Medien zurückgeführt - und sich daran ein Negativbeispiel genommen.

Stöger habe begriffen, dass es nicht immer förderlich ist, politische Erfolge medial an die große Glocke zu hängen. Seine Stärke in Verhandlungen sei vor allem gewesen, sein eigenes Licht vor der Presse nicht allzu sehr unter den Scheffel zu stellen - und damit seinem Gegenüber zu ermöglichen, das Gesicht zu wahren. Als Gesundheitsminister gelang ihm 2009 die Änderung der Reihungskriterien-Verordnung und damit eine faktische Einführung einer Quotenregelung für Frauenärztinnen. Das konservative Österreich hätte Stöger in der Luft zerrissen, hätte er den politischen Erfolg ausgekostet, erzählt eine damalige Mitarbeiterin.

Außerdem gilt Stöger als sehr loyal. Seine Loyalität ist es wohl auch, die ihm trotz eines nicht zu leugnenden Mangels an Charisma den Weg vom Ablöse- zum Aufstiegskandidaten geebnet hat. Dem Vernehmen nach soll es der Wunsch der Gewerkschaften gewesen sein, dass Stöger das Sozialministerium übernimmt. Aber auch Kanzler Faymann ist sicher daran gelegen gewesen, den langjährigen Gewerkschaftler und Pragmatiker in der Ministerriege zu halten. Schließlich ist der immer wieder mit Ablöse-Gerüchten und parteiinterner Kritik konfrontierte Kanzler auf die Unterstützung der Gewerkschaften angewiesen. Diese gelten gemeinhin als Faymanns wichtigster Rückhalt. Eine parteiinterne Revolte ist vom Pragmatiker Stöger ebenfalls nicht zu erwarten - und Faymann muss nicht befürchten, dass Stöger ihn in der Öffentlichkeit in den Schatten stellt.

Große Herausforderungen warten

Und plötzlich hat der oft als farblos kritisierte Stöger einen Ruf als sachlicher Reformer - die Hoffnung ist, dass er das Sozialministerium in ruhigere Fahrwasser geleiten kann. Denn auf das Haus, das Hundstorfer seit 2008 leitet, und seinen künftigen Chef kommen schon sehr bald wahre Herkulesaufgaben zu. Die wichtigste Herausforderung ist wohl der Arbeitsmarkt, seit 1947 war die Arbeitslosigkeit nicht mehr so hoch wie jetzt. Den tausenden Asylwerbern Jobperspektiven zu eröffnen, wird für Stöger harte Arbeit sein. Das Pflegesystem aufrecht zu erhalten und das Dauerthema Pensionen werden weitere Prüfungen für ihn sein. Es bleibe abzuwarten, ob es Stöger gelingen wird, in zentralen Fragen das Verhältnis zwischen Staat und Sozialpartnern neu auszubalancieren, so der Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal. Heikle Reformvorhaben, die auch in den Regierungsprogrammen der vergangenen Jahre festgeschrieben wurden, wurden bisher fast ausschließlich den Sozialpartnern überantwortet.

Auch in der Wirtschaftskammer zeigt man sich über Stögers kolportierte Bestellung erfreut. Sozialpolitik-Sprecher Martin Gleitsmann saß mit Stöger im Dienstrechtsausschuss der oberösterreichischen Gebietskrankenkassa, als dieser deren Obmann war - und streut ihm Rosen: Stöger habe "stets die sachliche Zusammenarbeit in den Vordergrund und ideologische Haltungen in den Hintergrund gestellt". Man sei "erwartungsvoll, in den wesentlichen Themen, und an denen mangelt es im Sozialministerium nicht, wichtige Veränderungen voranzutreiben", so Gleitsmann. Auf den scheuen Pragmatiker Stöger wartet also jede Menge Arbeit.