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Frühförderung für Flüchtlinge

Von Simon Rosner

Politik

Asylwerber haben keinen Anspruch auf Deutschkurse. Das soll sich künftig ändern, um Flüchtlinge früher in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integrieren zu können.


Wien. Bei all den düsteren Szenarien, die angesichts der Fluchtproblematik dieser Tage gemalt werden, waren die Ergebnisse des Kompetenzchecks des Arbeitsmarktservices (AMS) eine überraschend positive Ausnahme. Wenn auch mit Fragezeichen. Denn es scheint möglich, dass bei den im Vorjahr angekommenen Flüchtlingen, deren Qualifikationen noch nicht erhoben wurden, die Ergebnisse anders, und zwar schlechter, ausfallen. Vor Krieg und Verfolgung fliehen in der Regel besser gebildete und einkommenstärkere Schichten früher.

Das zweite Fragezeichen betrifft die Sprache, denn ohne die ist (fast) alles nichts, wie auch Johannes Kopf, Vorstand des AMS, immer wieder betont. Generell gilt: Je höher die Kompetenz, desto wichtiger ist auch die Sprache, um auch entsprechend der Qualifikation arbeiten zu können. Und genau da zeigt sich ein Systemfehler im österreichischen Asylwesen. Denn in jenem Zeitraum, in dem Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, also während des Verfahrens, haben sie bis auf eine Ausnahme keinen Anspruch auf Deutschkurse. Die Ausnahme betrifft unbegleitete Minderjährige.

Durch die hohe Anzahl der Asylanträge verzögert sich deren Abarbeitung beträchtlich. Laut Innenministerium beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer mittlerweile sechs Monate, wobei dies nur die erste Instanz betrifft. Wenn ein Verfahren in die zweite Instanz geht, dauert es weitere Monate. Während dieser Zeit dürfen Asylwerber nicht arbeiten. Eine Ausnahme gibt es für Saisonarbeit. In der Praxis hat sich dies aber kaum bewährt. Die vom Sozialministerium festgelegten Quoten für Saisonarbeit werden nicht ausgeschöpft, da es Probleme gibt, wenn die Saisonarbeit endet. Dann müssen nämlich die Asylwerber wieder in die Grundversorgung aufgenommen werden, die von den Bundesländern bereitzustellen ist. Der Übergang funktioniert oft nicht.

Eine Öffnung des Arbeitsmarktes nach einer bestimmten Wartezeit - im Gespräch waren sechs Monate -, ist wegen der angespannten Situation kein Thema. Für das AMS ist es ohnehin schwer genug, Asylberechtigte zu vermitteln. Dennoch stellt sich die Frage, wie die immer länger werdende Wartezeit während des Verfahrens so genützt werden kann, dass es allen hilft, den Asylwerbern sowie Gesellschaft und öffentlicher Hand.

Zivilgesellschaft springt ein

Der Präsident des Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, sagt: "Wir müssen schauen, dass die Flüchtlinge ab dem ersten Tag Deutsch lernen." Tatsächlich wird das auch von den Flüchtlingen nachgefragt, das Angebot kommt aber mit dem Bedarf bei Weitem nicht mit. Es gibt zwar kostenpflichtige Kurse, doch mit dem Taschengeld von 40 Euro pro Monat ist das für Asylwerber kaum zu bezahlen. Deutschkurse sind erst ab einem positiven Asylbescheid vorgesehen, wenn die Flüchtlinge auch offiziell arbeiten können. In der Regel muss dann aber erst die Sprache erlernt werden. Das bedingt in weiterer Konsequenz, dass die Flüchtlinge länger Mindestsicherung beziehen müssen, ehe sie tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar sind.

Dies ist eines der Argumente für frühere Qualifizierungsmaßnahmen. Ein weiteres ist die erzwungene Beschäftigungslosigkeit der Flüchtlinge. "Das macht den Menschen Sorgen", sagt Mödlhammer. Oft richten sich Bedenken der Bevölkerung vor Eröffnung eines Quartiers genau an dieses Faktum des untätigen Wartens der Asylwerber.

Da und dort erhalten sie zwar bereits Deutschunterricht, doch ist es die Zivilgesellschaft, die hier die systemische Lücke schließt. In Wien, wo die meisten Asylwerber untergebracht sind, hat man insofern darauf reagiert, dass man 5000 Plätze in Deutschkursen für Asylwerber anbieten wird, wobei Jugendliche (bis 21 Jahre) besonders gefördert werden und zwar auch hinsichtlich Berufsausbildung. Dieses Projekt ist allerdings erst im Werden.

Basteln an 15a-Vereinbarung

Klar ist, dass nicht alle Asylwerber auch bleiben werden. Das spräche gegen die "Frühförderung" für alle Asylwerber. Mittlerweile hat sich jedoch die Bewusstseinsbildung insofern entwickelt, dass der Mehrgewinn durch die frühere Qualifizierung als höher beziehungsweise wichtiger als der zusätzliche Aufwand bewertet wird. Integrationsminister Sebastian Kurz hat auch vor Monaten schon erklärt, dass er sich Deutschkurse für Asylwerber aus Ländern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit vorstellen kann. Doch wer macht’s? Wer zahlt’s?

Gearbeitet wird an einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, wobei während der Vorarbeiten bereits ein Konsenspapier entstanden ist, das vorsieht, Flüchtlinge während des Verfahrens auf das Sprachniveau A2 zu bringen. Das Papier liegt nun im Finanzministerium, wo ein Sondertopf für Integrationsmaßnahmen mit 75 Millionen Euro dotiert wurde. Welche Projekte am Ende damit finanziert werden, wird dann in Abstimmung mit dem Bundeskanzler festgelegt. Wie hoch die Kosten für die zusätzlichen Deutschkurse wären, konnte nicht ermittelt werden. Eine Anfrage an das in der Sache zuständige Integrationsministeirum blieb zwei Tage unbeantwortet.

Fragt sich noch, wie es umgesetzt wird. In Kärnten ist schon seit Jahren vorgeschrieben, dass jeder Quartierbetreiber Deutschkurse anbieten muss. Das wäre eine Möglichkeit. Will man die Flüchtlinge auf das Niveau A2 bringen, wären jedoch intensivere Kurse notwendig, als sie derzeit in Kärnten angeboten werden.

In Deutschland wurden Gratis-Deutschkurse im Herbst für Asylwerber geöffnet, wie Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter betont: Es seien kostenintensive Maßnahmen, "aber langfristig gesehen lohnen sie sich".