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Um Innsbruck gewachsen

Von Simon Rosner

Politik

Österreichs Bevölkerung ist 2015 um 115.000 Personen gewachsen - das bietet auch Chancen.


Wien. Im Vorjahr ist Österreich um ein zweites Innsbruck gewachsen. Nicht im Sinn eines Duplikats der Tiroler Landeshauptstadt, Innsbruck bleibt einzigartig. Doch bevölkerungsmäßig ist Innsbruck im Vorjahr dazugekommen. Laut dem vorläufigen Bevölkerungsstand ist Österreich um etwa 115.000 Personen gewachsen. Das Plus, das deutlicher ausfällt als in vergangenen Jahren, ist in erster Linie auf die Fluchtbewegung aus dem Nahen Osten zurückzuführen, wobei die Zahlen nach Auskunft der Statistik Austria nachträglich noch leicht nach oben korrigieren werden dürften.

Der Anstieg ist aber nicht nur fluchtbedingt. Weiterhin kräftig ist auch der Bevölkerungsanstieg von Personen aus jenen Ländern, die nach 2004 der EU beigetreten sind, wobei sich die Dynamik ein wenig eingebremst zu haben scheint. So weist die Statistik zwar für den Stichtag 1. Jänner 2016 rund 35.000 Staatsangehörige aus einem jener 13 Länder mehr als im Jahr davor aus, was aber einen Wachstumsrückgang bedeutet (2014: 41.000).

60 Prozent aus Drittstaaten

Blickt man tiefer in die Zahlen, so zeigt sich, dass das Bevölkerungswachstum primär ein Wiener Wachstum ist. Auf die Hauptstadt entfällt mehr als ein Drittel, obwohl weit weniger als ein Drittel der Menschen in Wien lebt. Nieder- und Oberösterreich kommen zusammen für etwas weniger als ein Drittel des Zuwachses auf. Auch in der Zeitreihe seit 2006 (siehe Grafik) zeigt sich, dass Wien massiv wächst.

Aufgeschlüsselt nach Herkunft ergibt sich in ganz Österreich ein ähnliches Bild. Rund 60 Prozent des Zuwachses entfallen auf sogenannte Drittstaaten, wobei hier eben die Fluchtbewegung aus dem Nahen Osten durchschlägt. In Tirol liegt dieser Anteil knapp unter 50 Prozent, wobei Tirol überhaupt eine Sonderstellung hat. In dem vom Tourismus geprägten Bundesland ist der Zuwachs aus den alten EU-Staaten - und hier vor allem aus Deutschland - nach wie vor sehr hoch. Im Burgenland spielen diese Herkunftsländer dagegen keine Rolle.

Dass Österreich doch signifikant wächst, war vor einigen Jahren kaum absehbar. Da diskutierten die Forscher über das Problem einer nicht nur alternden, sondern auch schrumpfenden Bevölkerung samt Auswirkungen auf die Beitragszahlungen in das Sozialsystem. "Mit Zuwanderung erspart man sich einen Teil dieses Problems", sagt Peter Huber vom Wifo. "Demografisch gewinnen wir, wachsende Bevölkerungen haben auch die Tendenz, Dynamiken zu entwickeln, die langfristig das Wirtschaftswachstum erhöhen." Es kommt allerdings auch auf die Art der Migration an. Es ist etwas anderes, wenn eine gut ausgebildete Deutsche für einen Job nach Österreich zieht oder ein Flüchtling zunächst einmal ein, zwei Jahre lang die Sprache erlernen muss, ehe er auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen kann.

"Die Arbeitsmarktintegration wird der Lackmustest werden", sagt Ökonom Huber. Immerhin: Österreich hat es bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand, diese Integration zu gestalten, etwa durch Qualifizierungskurse. "Man muss sich aber im Klaren sein, dass das mit Kosten verbunden ist", sagt Huber.

Investitionen durch Migration

Für das Budget ist das keine gute Nachricht - anders für die Wirtschaftsdaten. Huber schätzt, dass dieser Effekt bei 0,1 bis 0,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt liegt. Betroffen von den Investitionen ist aber natürlich auch der Wohnbau. Und hier ist vor allem Wien gefordert. Der Zuwachs an Bevölkerung betrug 2015 beinahe ein volles Ernst-Happel-Stadion: 43.236 Personen, wobei in den endgültigen Zahlen das Plus noch ein wenig nach oben klettern dürfte. Das ist in einem Jahr das Doppelte, das die Wiener Seestadt Aspern in der Endausbaustufe beherbergen kann.

Bei der Stadt Wien gibt man sich darüber nicht sehr überrascht, man habe seit Monaten die Zahlen genau beobachtet. Dennoch: Die ursprünglichen Prognosen wurden 2014 und nun auch 2015 übertroffen. An der Stadtentwicklungsstrategie ändert sich deshalb aber wenig, der Bedarf steigt eben weiter. Es muss also mehr gebaut und mehr verdichtet werden. "Und es wird sicher auch höher gebaut werden", heißt es aus dem Büro von Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig.