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Vom Drehen an kleinen Schrauben

Von Brigitte Pechar

Politik

Der für Montag geplante Pensionsgipfel wird zur Verhandlungsrunde.


Wien. Ein Pensionsgipfel wurde verkündet, eine Pensionsreform in Aussicht gestellt. Tatsächlich wird sich am Montag die Vierergruppe - Sozialminister Alois Stöger/AK-Direktor Werner Muhm (beide SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling/Sozialsprecher August Wöginger (beide ÖVP) - treffen, aber nur zu Verhandlungen. Ob sich dann noch die Sozialpartner dazu gesellen, um einige Korrekturen oder weitere Verhandlungen zu fixieren, ist noch offen. Am Freitag kam es noch zusätzlich zu Irritationen, weil Finanzminister Schelling am Montag erst ab 17 Uhr Zeit findet für dieses Treffen. Aus SPÖ-Sicht ist eines klar: "Das ist kein Gipfel, es ist schlicht eine Verhandlungsrunde."

"Schluss mit der Hysterie"

In der Sozialdemokratie ist man über die Hochstilisierung zu einem Pensionsgipfel durch die ÖVP verärgert. "Die Konservativen machen Politik mit Angst. Es muss endlich Schluss sein mit der Hysterie", sagte etwa SPÖ-Jugendsprecherin Katharina Kucharowits. Man habe bei der Regierungsklausur im März 2015 beschlossen, Ende Februar 2016 die Pensionszahlen zu analysieren und dann aufgrund der Analysen über weitere Maßnahmen zu beraten. "Geplant war also kein Reformgipfel, sondern ein Diskussionsgipfel - und den brauchen wir dringend", sagte SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha.

Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen in der Regierung war, dass die ÖVP sowohl einen Automatismus (automatische Anhebung des Pensionsalters parallel zur Erhöhung der Lebenserwartung) als auch eine raschere Angleichung des Frauenpensionsalters (60) an das der Männer (65) umsetzen will. - Das Frauenpensionsalter wird nach verfassungsgesetzlicher Vereinbarung erst ab 2024 bis 2034 schrittweise an das der Männer angeglichen. - Beides ist mit der SPÖ allerdings nicht umsetzbar. Zuletzt hatte Finanzminister Schelling vorgeschlagen, die Steigerungsraten auf dem Pensionskonto nicht mit der Reallohnentwicklung, sondern nur mit der Inflationsrate anzusetzen, was die Pensionen der Jungen erheblich schmälern könnte. Die SPÖ will das auf jeden Fall verhindern.

Bereits akkordiert - jedenfalls unter den Sozialpartnern - scheint zu sein, dass es beim Rehabilitationsgeld Nachschärfungen geben wird. Das Rehab-Geld ersetzt seit 2014 die Invaliditätspension für unter 50-Jährige. Ziel ist, diese Gruppe durch Gesundheitsmaßnahmen wieder ins Erwerbsleben zu bringen. Modelle soll es auch für eine raschere Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nach langer Krankenstandsdauer geben. Und es soll eine Reform der Pensionskommission kommen, weil in dieser zu viele Player vertreten sind, was einen Kompromiss nahezu unmöglich macht.

Einig sind sich fast alle, Experten und Politik, dass das Pensionsalter schrittweise erhöht werden muss: 1970 lag das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der Männer bei 61,9 Jahren, das der Frauen bei 60,4 Jahren. Es ist in den 1990er Jahren auf 58 beziehungsweise 56 Jahre gesunken. Aber seit dem Jahr 2000 steigt es wieder schrittweise an, und ab 2015 macht sich eine Trendumkehr bemerkbar: 2015 lag das Antrittsalter der Männer bei 61 Jahren und 3 Monaten, das der Frauen bei 59 Jahren und 2 Monaten. Dafür verantwortlich ist die de facto Abschaffung der Frühpension und das Auslaufen der Hacklerregelung, die nun frühestens ab 62 angetreten werden kann. Ganz unumstritten ist dieses vom Sozialministerium veröffentlichte Antrittsalter nicht, die ÖVP kritisiert, dass die Rehabgeld-Bezieher nicht enthalten sind, was das Durchschnittsalter senken würde. Allerdings sind Rehabgeld-Bezieher auch in anderen Staaten nicht in den Pensionsstatistiken, weil sie eine Leistung von den Krankenkassen erhalten und nicht von der Pensionsversicherung. Und die Hoffnung besteht, dass diese wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Außerdem heißt es von der PVA, der Pensionsversicherungsanstalt, dass das Antrittsalter auch unter Einbeziehung der Rehabgeld-Bezieher steige.

Von den 6,4 Millionen erwachsenen Menschen in Österreich befinden sich 3,6 Millionen im aktiven Erwerbsalter; hinzu kommen rund 460.000 Beamte. Dem gegenüber stehen 300.000 Beamte im Ruhestand und rund 2 Millionen Pensionisten. Der Bundeszuschuss zu den Pensionen liegt bei rund 19 Milliarden Euro - davon werden 10 Milliarden auf alle selbständigen und unselbständigen Pensionen zugezahlt, 9 Milliarden Euro ist der Zuschuss für die Beamtenpensionen. Zuletzt stellte sich heraus, dass der Bundeszuschuss sehr viel geringer ausfällt als budgetiert. Insgesamt entwickelt sich der Bundeszuschuss, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) konstant. Er lag 2015 bei 6,03 Prozent und soll 2060 bei 6,36 Prozent liegen.

Harmonisierung der Systeme

Die Anlehnung der Ausgaben an das BIP macht Sinn, weil ja auch die Steuereinnahmen mit dem BIP korrelieren. Allerdings seien Langfristprognosen bis in die 2060er Jahre mit Vorsicht zu genießen, sagt dazu Michael Christl vom Think Tank "Agenda Austria". Er rät wie die ÖVP zu einem Nachhaltigkeitsmechanismus, aber auch zu einer rascheren Anpassung der Beamtenpensionen in das ASVG-System.

Die SPÖ findet, dass die Steigerung des Bundeszuschusses finanzierbar sei. "Wir sind gerne bereit, an kleinen Schrauben zu drehen, aber wir nehmen keine Altersarmut in Kauf", sagte SPÖ-Verhandler Werner Muhm zur "Wiener Zeitung". Pensionssystem und Arbeitsmarkt sind kommunizierende Gefäße. Je höher und besser die Beschäftigung, desto höher sind die Pensionsbeiträge. Und da setzt die Kritik der SPÖ-Jugendsprecherin an: "Weg mit den unbezahlten Praktika. Wir wollen endlich gerechte und bezahlte Jobs für junge Leute."