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Von Mäusen und Menschen

Von Katharina Schmidt

Politik

Streit um die Wiederzulassung von Glyphosat beschäftigt nun die Justiz.


Wien. Eigentlich wäre Zeit bis zum Sommer gewesen. Denn im Juni läuft die Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzwirkstoffs Glyphosat aus (die "Wiener Zeitung" berichtete am Mittwoch). Doch schon am kommenden Montag und Dienstag wird auf Expertenebene die Entscheidung über eine Neuzulassung des Mittels auf dem europäischen Markt fallen. Und die Chancen für die Verlängerung stehen gut, denn die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa hat, wie berichtet, im vergangenen Herbst vorgeschlagen, Glyphosat nicht als krebserregend einzustufen.

Doch so einfach ist die Sache nicht: Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hat nun neuerlich schwere Vorwürfe gegen den Hersteller, die Efsa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erhoben. Die NGO-Experten glauben, dass Studien, die die krebserregende Wirkung von Glyphosat bei Mäusen nachweisen würden, umgedeutet beziehungsweise ignoriert worden seien. Am Mittwoch hat Global 2000, unterstützt von Umweltorganisationen anderer europäischer Länder, bei den Staatsanwaltschaften Berlin und Wien Sachverhaltsdarstellungen gegen Monsanto, das BfR und die Efsa unter anderem wegen Betrugs, Verstoßes gegen die Pestizidverordnung und die Pflanzenschutzmittelrichtlinie eingebracht.

Widersprüchliche Studien

Die Argumentation dahinter erklärte Helmut Burtscher, Biochemiker bei Global 2000, in einer Pressekonferenz wie folgt: Monsanto habe als Vertreter der Glyphosate Task Force, eines Zusammenschlusses von 22 Pestizidherstellern, im Mai 2012 einen Antrag auf die europaweite Wiederzulassung von Glyphosat beim BfR eingereicht. Monsanto lieferte dazu fünf Krebsstudien an Mäusen, die belegen sollten, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Diese Studien unterliegen der Geheimhaltung, allerdings sind zwei davon laut Global 2000 schon seit einiger Zeit im Umlauf und wurden von der internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO geprüft. "Die IARC-Experten fanden unmissverständliche Belege dafür, dass Glyphosat für Tiere krebserregend ist", so Burtscher.

Das BfR war indes der Argumentation Monsantos gefolgt und hatte erklärt, dass Glyphosat nicht krebserregend sei - laut Burtscher deswegen, weil man sich keiner OECD-konformen Datenauswertung bedient habe. Erst nachdem die IARC im vergangenen Sommer eine krebserregende Wirkung festgestellt hatte, kam es laut Global 2000 zur Neubewertung der Mäusestudien. Diesmal habe auch das BfR "in allen fünf von der Industrie eingereichten Mäusestudien signifikante dosisabhängige Tumorhäufungen" (siehe Grafik) festgestellt, diese jedoch als irrelevant und zufallsbedingt verworfen. Die Gutachten des BfR waren die Basis für die Bewertung als nicht krebserregend durch die Efsa im Herbst.

Kritik von Industrie-Vertretern

"Das BfR hätte die von Monsanto gelieferten Daten überprüfen müssen, hat es aber nicht getan und dann die OECD-Richtlinien ignoriert", sagt Rechtsanwalt Josef Unterweger, der für Global 2000 die Sachverhaltsdarstellungen einbringt. Und: "Warum das so passiert ist, können wir nicht überprüfen." Sollte sich herausstellen, dass eine allfällige Verlängerung der Zulassung auf Basis einer falschen Datenauswertung zustande gekommen ist, wäre die Zulassung ungültig, so der Jurist.

Während die Grünen nun eine Beteiligung an der Anzeige überlegen, hagelte es von der Industriegruppe Pflanzenschutz, der Interessengemeinschaft der Pflanzenschutzmittel-produzierenden Unternehmen in Österreich, Kritik an Global 2000. Die IARC habe nicht nur Glyphosat als krebserregend eingestuft, sondern auch Wurst, Schinken und Bier, hieß es in einer Aussendung. Zudem reichere sich Glyphosat nicht im Körper an, sondern werde zur Gänze ausgeschieden. Und: Bisherige Nachweise etwa in Muttermilch seien fehlerhaft gewesen. Die "Wiener Zeitung" hat auch Monsanto Deutschland um eine Stellungnahme gebeten, allerdings bis Redaktionsschluss keine erhalten. In Ö1 wurde Monsanto mit den Worten zitiert, man distanziere sich von "medienwirksam inszenierten" Debatten, die nur zur Verunsicherung der Verbraucher führen würden. Man fordere eine sachliche Diskussion, werde aber vermeintliche Anklagepunkte analysieren.

Wichtig für Landwirte

Klar ist jedenfalls, dass Glyphosat auch in der österreichischen Landwirtschaft eine nicht unwesentliche Rolle spielt, obwohl es laut Günther Rohrer von der österreichischen Landwirtschaftskammer in erster Linie in gentechnisch veränderten Kulturen in Brasilien, Argentinien und Nordamerika angewendet wird. "Bei uns wird es etwa zur Unkrautbereinigung bei Vorkulturen eingesetzt", sagt er. Ein Verbot würde laut Rohrer die Bewirtschaftung erschweren und zu finanziellen Einbußen führen. Und der Bauernvertreter appelliert an die Behörden: "Wir sind Landwirte und keine Chemiker. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die Behörden nur ungefährliche Stoffe zulassen."

Laut Global 2000 könnte unter Bauern - jener Berufsgruppe, die am meisten mit dem Mittel zu tun hat - die jährliche Zahl der Neuerkrankungen an Lymphdrüsenkrebs um europaweit 500 steigen. Wenn die Zulassung für Glyphosat denn verlängert wird.