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Die dazwischen stehen

Von Katharina Schmidt

Politik

Die "Generation In-Between" - junge Österreicher mit ex-jugoslawischen Wurzeln.


Wien. Es ist eine Generation zwischen zwei Welten. Geboren in den Wirren der Jugoslawien-Kriege, geflüchtet oder ausgewandert, leben sie oft seit frühester Kindheit und Jugend in Österreich, wo man sie nicht immer mit offenen Armen empfangen hat. Heute sind sie Anfang 30 und müssen sich zwischen Österreich und ihren jungen Herkunftsstaaten zurechtfinden. Dieser "Generation In-Between", der "Generation dazwischen", widmet sich nun eine eigene Studie, die von der Erste Stiftung finanziert und am Donnerstagabend im Alten AKH in Wien vorgestellt wurde.

Die Autoren rund um den Historiker Rainer Gries sehen diese Menschen als "europäische Schlüsselgeneration", die dafür zuständig sein wird, die Europäisierung in ihren Herkunftsstaaten voranzutreiben und eine Art Brücke zu den Aufnahmestaaten zu bilden. Außerdem seien die Parallelen zur aktuell stattfindenden Fluchtbewegung unübersehbar: Von den 115.000 Flüchtlingen, die in den frühen 1990er Jahren nach Österreich gekommen sind, waren rund die Hälfte Kinder, heißt es in der Publikation, die sich als Beginn einer längerfristigen Forschungsarbeit sieht.

Auch im vergangenen Jahr sind viele Familien nach Österreich gekommen - und die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien ist massiv angestiegen. Diese jungen Menschen werden mit großer Wahrscheinlichkeit in Österreich bleiben, es macht also Sinn, hinzuschauen, mit welchen Herausforderungen die vorangegangene Generation konfrontiert war, und daraus zu lernen. Denn beiden Fluchtbewegungen ist - bei allen Unterschieden alleine schon aufgrund der geografischen Distanz - eines gemeinsam: Es sind Kinder, die hautnah Krieg und Gewalt erlebt haben und die mit all ihren Traumata und biografischen Brüchen eine neue Perspektive in einem Land finden müssen, in dem sie nicht verwurzelt sind.

"Die Erfahrungs- und Erwartungshorizonte der Flüchtlinge vom Balkan und aus Syrien sind vergleichbar. Insofern verstehen sich unsere Forschungen auch als Pilotstudien für die wissenschaftliche Begleitung der Integration der heutigen Schutzsuchenden in unseren Ländern", sagte Gries, Inhaber des Franz Vranitzky Chair for European Studies, bei der Studienpräsentation. Und: "Es stellt sich die Frage, ob das Aushalten all der Verluste dereinst zu einem Aufbegehren und womöglich zu einem explosiven Aufruhr führen könnte: Wie werden sie in Zukunft mit ihren Frustrationen und Aggressionen umgehen - in ihren Heimatländern, in Österreich und in Europa?"

In vielen Interviews mit Vertretern dieser Generation konnten Gries und sein Team drei wesentliche Herausforderungen feststellen: Zunächst einmal geht es um die Frage der "Europeanness", also die Einstellung der Generation zu Europa, zu den Werten und Normen des vereinten Kontinents. Zweitens sehen die Autoren die Gefahr der Extremisierung und Radikalisierung und stellen die Frage, was getan werden muss, um eine derartige Entwicklung zu verhindern. Dem halten sie das dritte Ergebnis entgegen: Sie sehen ein hohes Bedürfnis und eine hohe Bereitschaft der jungen Menschen zur Kommunikation - gleichzeitig eine wichtige Präventionsstrategie.

Doch die Kommunikation spielt auch an anderer Stelle eine Rolle: Azra Hodić, die mit einem Jahr aus Bosnien ins Burgenland kam und heute als Journalistin arbeitet, brachte auf den Punkt, was sich an dem Abend wohl viele dachten: "Die österreichische Regierung hat das damals anders kommuniziert. Es hieß: ‚Es wird teuer, es wird kompliziert, aber es ist machbar‘."

Die Studie kann unter http://www.erstestiftung.org
bestellt werden.