Zum Hauptinhalt springen

Reine Männersache

Von Simon Rosner

Politik

Fast 80 Prozent der Rot-Weiß-Rot-Karten werden männlichen Zuwanderern erteilt - Nachbesserungen werden verhandelt.


Wien. Die Rot-Weiß-Rot-Karte gehört zu jenen großkoalitionären Projekten der Post-Wende-Ära, die in mühseligen Verhandlungen geboren und dann auch mit bedeutsamen Worten angepriesen wurden. Und bei denen einige Monate oder Jahre später nicht ganz klar ist, ob es diese Mühsal (und bedeutsame Worte) überhaupt gebraucht hätte.

Es ist nicht so, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte, die seit Juli 2011 die qualifizierte Arbeitsmigration aus Drittstaaten regeln sollte, ein völliger Reinfall wäre. Doch Regierung und Sozialpartner verhandelten damals so lange, dass sich in der Zwischenzeit der Arbeitsmarkt für EU-Bürger aus den ehemaligen osteuropäischen Staaten geöffnet hatte. Was dazu führte, dass der Bedarf des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft nicht mehr so groß war, wie er das zu Beginn der Verhandlungen gewesen war.

Damals jedenfalls war von einem "Systemwechsel" die Rede, einem "höheren Wirtschaftswachstum durch qualifizierte Zuwanderung" und einer "Konkurrenzfähigkeit im Kampf um die besten Köpfe", wie Regierungsvertreter bekundeten. Tatsächlich haben seit dem Startschuss im Sommer 2011 aber nur 8344 Personen eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten, im Vorjahr waren es 1181, wie eine parlamentarische Anfrage an das Innenministerium ergab. Reinhold Mitterlehner, damals wie heute Wirtschaftsminister, rechnete einst mit ungefähr viermal so vielen Zuwanderern über die Rot-Weiß-Rot-Karte.

Streit um Einkommensgrenze

Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Männer bei fast 80 Prozent liegt. Auf den ersten Blick könnte das auf eine strukturelle Benachteiligung hindeuten, da für eine der fünf Gruppen, die für eine Rot-Weiß-Rot-Karte in Frage kommen, auch das Einkommen eine Rolle spielt: den sogenannten "sonstigen Schlüsselkräften". Das sind Personen aus Drittstaaten, die nicht in die Kategorie der Hochqualifizierten fallen, in keinem Mangelberuf arbeiten, nicht selbständig sind oder eben gerade ein Studium absolviert haben.

Die Höhe der Einkommensgrenze ist und war ein koalitionärer Streitfall. Derzeit liegt sie bei 2916 Euro brutto pro Monat für über 30-Jährige, für Jüngere bei 2430 Euro. Die ÖVP pocht auf eine Herabsetzung, die SPÖ war bisher dagegen - Stichwort Lohndumping. Diese Gehaltslimits könnten aber auch das Ihre dazu beitragen, dass vor allem Männer eine solche Arbeitserlaubnis erhalten. Denn während das arithmetische Mittel der Bruttoeinkommen von ganzjährig vollzeitbeschäftigten Männern klar über der Einkommensgrenze für die Rot-Weiß-Rot-Karte liegt, liegt sie bei Frauen deutlich darunter.

Männerdominierte Branchen

Sieht man sich die Branchen an, in denen seit 2011 Schlüsselarbeitskräfte eine Arbeitserlaubnis und einen Job in Österreich gefunden haben, fällt auf, dass der Großteil aus Sparten stammt, in denen Männer grundsätzlich überrepräsentiert sind, etwa in technischen Berufen, aber auch in der Kategorie der "Manager".

Mehr als zehn Prozent der Rot-Weiß-Rot-Karten-Erteilungen (912 positive Bescheinigungen) fällt auf die Gruppe der Profisportler. Dies betrifft in erster Linie Team- und Mannschaftssportler, etwa Fußballer der Bundesliga oder Eishockeyspieler aus Kanada - in erster Linie Männer. Für die Profisportler wurden auch einige Ausnahmen geschaffen.

Denn zusätzlich zum Mindesteinkommen müssen Schlüsselkräfte auch Zulassungskriterien erfüllen (Berufserfahrung, Berufsausbildung, Sprachkenntnisse). Je nach Qualifizierung gilt es, in einem Punktesystem ausreichend Punkte zu sammeln. Statt eines formalen Abschlusses können allerdings auch "spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten" vorgewiesen werden, eben Fußball spielen. Zudem gibt es für Profisportler grundsätzlich 20 Punkte extra. Und das ist meistens auch notwendig, um die vorgeschriebenen 50 Punkte zu erreichen, da vor allem junge Sportler über wenig Berufserfahrung und meist nicht über Deutschkenntnisse verfügen.

In der parlamentarischen Anfrage wird die Innenministerin auch gefragt, ob "Maßnahmen geplant sind, um die Rot-Weiß-Rot-Karte attraktiver zu machen". Antwort: Ja, es gebe bereits Expertengespräche dazu, was auch das Sozialministerium bestätigt. Ein Thema seien auch die Einkommensgrenzen. Man müsse sich anschauen, heißt es aus dem Sozialministerium, ob es Faktoren gibt, die zu Benachteiligungen von Frauen führen. Interessant ist übrigens auch, wer sich dafür interessiert, wie man die Karte attraktiver machen könnte. Die Anfrage kam von Edith Mühlberghuber von der FPÖ.