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Guter Rat ist gar nicht teuer

Von Werner Reisinger

Politik
Lernen hilft auch gegen Langeweile: Deutschkurs im Flüchtlingsheim Vordere Zollamtsstraße.
© IFRC/John Engedal Nissen

Eine vom Roten Kreuz herausgegebene Integrations-Broschüre soll Flüchtlingen helfen, sich in Österreich zurechtzufinden.


Wien. Welche Gesetze gelten in Österreich? Wie begegne ich Frauen, wie verhalte ich mich in der Öffentlichkeit? Welche Feste feiern die Österreicher? Antworten auf Fragen, die Flüchtlinge am häufigsten beschäftigen, will ein am Mittwoch vom Roten Kreuz im Asylquartier in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien vorgestellter Taschenratgeber bieten. Unter dem Titel "Angekommen" und in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch und Dari finden sich in der Broschüre Informationen über Politik, Alltag und Zusammenleben in Österreich. Über den Ablauf des Schulunterrichts und Kinderrechte können Asylwerber sich ebenso informieren wie über medizinische Einrichtungen und den Kauf eines Handys.

Weil die Betreuer und freiwilligen Helfer der Flüchtlingsunterkunft oft mit Fragen und Schwierigkeiten der Bewohner konfrontiert würden, sei der Ratgeber notwendig geworden, so die Leiterin der Unterkunft Vordere Zollamtsstraße, Martina Burtscher. Auf Basis dieser Fragen sei der Leitfaden entwickelt worden. Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer will die Broschüre mit einer Auflage von 60.000 Stück als "Integrations-Leitfaden" verstanden wissen. Schließlich seien Investitionen in Integration auch immer im Sinne der aufnehmenden Gesellschaft. Insgesamt 48.000 Euro kostete die Produktion der Broschüre. Gut integrierte Zuwanderer seien wichtig, da wegen der demografischen Entwicklung bald auch mit einem Rückgang der Erwerbstätigen zu rechnen sei, betonte Schöpfer.

Zudem könne nur gelungene Integration das Entstehen von "Parallelgesellschaften, die den sozialen Frieden gefährden", verhindern. Migrationsexperte Heinz Faßmann begrüßte die Initiative als "Mosaikstein" auf dem Weg zu gelungener Integration.

Augenmerk auf Gleichberechtigung

Auf Werte wie Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Erläuterung der für alle geltenden Grundrechte wird in der 146 Seiten starken Broschüre besonders Augenmerk gelegt. Klar erkennbar ist darin das Anliegen der Verfasser, Spannungen im Alltag vorzubeugen. Vor allem muslimischen Flüchtlingen werden mehrfach darauf hingewiesen, dass sich der soziale Umgang hierzulande deutlich von jenem in muslimischen Ländern unterscheidet. Nachdrücklich werden die Leser aufgefordert anzuerkennen, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder keineswegs toleriert und strafrechtlich verfolgt wird. Zu lesen ist im Ratgeber auch, dass in Österreich Staat und Kirche getrennt sind und es daher nicht möglich ist, Kinder auf eine islamische Schule zu schicken. Es sei für Eltern wie Kinder von Vorteil, wenn diese bei allen schulischen Aktivitäten in vollem Umfang mitmachen würden: "Ihr Kind sollte eine öffentliche Schule besuchen, damit es Deutsch lernt und am gesellschaftlichen Leben teilnimmt." Dass für ein Weiterkommen in Österreich auch die Teilnahme an Festen und Feiern hilfreich ist, wird ebenso herausgearbeitet: "Wenn Ihnen jemand etwas zu Weihnachten oder zu Ostern schenkt, will diese Person Sie deshalb nicht zum Christentum bekehren. Sie will Ihnen nur eine Freude machen."

Im Flüchtlingsquartier Vordere Zollamtsstraße sind aktuell rund 650 Personen untergebracht. Im Oktober, zur Spitzenzeit der Flüchtlingsbewegung, übernachteten hier bis zu 1500 Personen. Bis zu 20 teils freiwillige Helfer kümmern sich um die Flüchtlinge, es gibt einen Kindergarten und Deutschkurse, für die die Betreuer besonders zu motivieren versuchen. Die Bewohner zu beschäftigen, ist laut Unterkunftsleiterin Burtscher eine Herausforderung - besonders bei Jugendlichen. "Die kommen aus einem Kriegsgebiet, haben Schlimmes erlebt, oft keine Eltern und nichts zu tun."

Angekommen