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"Was peinlich ist, entscheide ich allein"

Von Walter Hämmerle

Politik
© wz/Moritz Ziegler

Hofburg-Wahl: Richard Lugner über den Kasperl, Billigprodukte und sein Demokratieverständnis.


Wien. Immerhin, die erste Kandidatenregel hat Richard Siegfried Lugner im kleinen Finger: Aufmerksamkeit erregen. Der 83-jährige Selfmade-Millionär, den der "Trend" mit einem geschätzten Vermögen von 100 bis 300 Millionen Euro auf Platz 94 der reichsten Österreicher listet, hat dabei mit öffentlicher Selbstentblößung kein Problem. Dahinter steckt nicht nur Manie, sondern auch Kalkül: Mit seiner Transformation zur allgegenwärtigen postmodernen Medienfigur erspart sich der ehemalige Baumeister und Immobilienunternehmer zahllose Werbemillionen.

Vor diesem Hintergrund traf die "Wiener Zeitung" Richard Lugner zum Interview über seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten.

"Wiener Zeitung": Herr Lugner, seit Ihre Kandidatur fix ist, reagieren Sie unwirsch, wenn Sie als Kasperl beschrieben werden.

Richard Lugner: Das kommt immer darauf an, wie man die Sache betrachtet. Ich, und niemand sonst, entscheide, was ich mache. Wenn ich mich für Werbezwecke als Osterhase verkleide und in der Lugner-City auftrete, mache ich Werbung für mein Unternehmen und nichts anderes.

In Ihrem Antrittsvideo, bei Ihrer Antrittspressekonferenz geht es allerdings um eine Kandidatur für das höchste Amt im Staat.

Was hat Sie, bitte, daran gestört?

Mich gar nichts. Es ist nur so, dass Sie bei diesen Gelegenheiten fast ausufernd den Kasperl geben.

Bei der Pressekonferenz ist mir das passiert, das war nicht beabsichtigt. Ansonsten verkleide ich mich ab und zu, aber das ist auch alles. Na und? Ich spiel ja auch bei "Wir sind Kaiser" mit.

Sie haben sogar eine eigene Dokusoap auf ATV, wo auch Ihr Wahlkampf groß inszeniert wird. Als Kandidat, der ernst genommen werden will, müssten Sie doch umgehend diese Sendung aussetzen.

Wenn ich eine Sendung stoppen würde, die Werbung für mich macht, dann wäre ich wohl erst recht nicht ein ernsthafter Kandidat. Dann wäre ich wirklich ein Kasperl.

In einem Werbevideo und kürzlich im "ZiB 2"-Interview haben Sie wiederholt davon gesprochen, dass Sie als Bundespräsident von Ihrem Recht laut "Artikel 50" des Bundes-Verfassungsgesetzes Gebrauch machen und die Regierung entlassen würden. Nur: Worauf Sie sich beziehen, steht im Artikel 70. Sollte man nicht zumindest, wenn man schon die Befugnisse des Bundespräsidenten in extremis anwenden möchte, wenigstens die richtigen Verfassungsartikel zitieren?

Ja, da habe ich die falsche Artikelnummer erwähnt, das stimmt. Aber es geht ja um den Inhalt, der ist entscheidend. Natürlich muss man diese Kompetenzen mit Bedacht wahrnehmen, aber genauso gilt, dass die Regierung endlich wieder für die Bürger arbeiten muss. Wir haben ein ungelöstes Pensionsproblem, eine riesige Staatsverschuldung.

Wo stehen Sie bei diesen Fragen? Die Bürger wissen sehr viel über Ihr öffentlich inszeniertes Privatleben, aber nichts über Ihre politischen Haltungen. Beginnen wir bei den Steuern: Wer zahlt Ihrer Ansicht nach zu viele, wer zu wenige Steuern oder passt es so wie es ist?

Wir Österreicher zahlen insgesamt sehr, sehr viele Steuern. Der Höchststeuersatz liegt jetzt bei 55 Prozent, da greift der Staat schon massiv in den finanziellen Erfolg des Einzelnen ein.

Also runter mit dem Höchststeuersatz?

Nein, das sage ich nicht. Aber nehmen Sie den Kommunismus, da hat man alle enteignet . . .

Allerdings denkt heute niemand daran, in Österreich demnächst den Kommunismus einzuführen.

Aber der Staat sollte sich trotzdem nicht in alle Lebensbereiche einmischen.

Wo genau sollte sich der Staat nicht mehr einmischen?

Darüber muss man diskutieren, das kann ich jetzt nicht sagen. Nehmen Sie das transatlantische Handelsabkommen TTIP: Ich bin dagegen, dass wir dann lauter genveränderte Lebensmittel essen müssen. Und ich bin auch gegen Billigeinfuhren von Produkten, die von Arbeitssklaven oder sogar von Kindern in Fernost hergestellt werden. Billig, billig, ist das Einzige, was zählt, das kann es nicht sein.

Gerade die Lugner-City hat sich auf solche Billigstprodukte aus Fernost spezialisiert.

Das ist nun einmal das Geschäftsmodell unserer Zeit. Es ist Sache des Gesetzgebers, nicht meine, das zu ändern.

Sie könnten Ihre Geschäftsflächen an andere Firmen vermieten.

Ich bin kein Träumer, sondern ein realistischer Geschäftsmann.

Stichwort Europa: Ist es gut, dass Österreich Teil Kerneuropas ist und den Euro hat?

Die einzelnen Nationalstaaten werden nicht verschwinden, aber ich bin froh, dass es dieses vereinigte Europa gibt. Das gilt auch für den Euro. Bei der gemeinsamen Verteidigungspolitik wäre mehr Integration sicher von Vorteil, Österreich sollte da auch mitmachen, obwohl wir uns als neutrales Land nicht an Auslandseinsätzen beteiligen können. Das müssen wir halt ausverhandeln.

Sind Sie ein religiöser Mensch?

Ich bin römisch-katholisch, nicht extrem gläubig, aber doch. Ich stehe zu meinem Glauben.

Stichwort Obergrenze für Flüchtlinge und Zuwanderung?

Eine fixe Obergrenze für Asylwerber kann es aus völkerrechtlichen Gründen nicht geben, daher lehne ich eine solche ab. Österreich braucht auch eine gewisse Zuwanderung, weil wir zu wenige Kinder haben und deshalb zu überaltern drohen.

Sie werden in Medienberichten mitunter als peinlich bezeichnet, auch lächerlich gemacht. Stört, kränkt Sie das?

Schauen Sie, ich bin ein erfolgreicher Unternehmer, und jeder, der Erfolg hat, zieht deshalb auch Neider an. Das ist einfach so, damit muss man leben. Ich lebe mein Leben und die anderen sollen ihr Leben leben. Und was für mich peinlich ist, das entscheide ich allein und nicht die Medien oder sonst irgendjemand.

Von Frank Stronach ist der Satz überliefert, dass wer mehr Geld verdiene auch klüger sei. Wie sehen Sie das?

Ich bin nie dem Geld nachgerannt, ich wollte immer nur erfolgreiche Dinge machen. Und wenn das gelingt, verdient man automatisch auch Geld, das kommt dann fast von allein.

Wie reich sind Sie eigentlich?

Das können Sie im "Trend" nachlesen, obwohl ich schon sagen muss, dass das eine unvollständige Liste ist. Ich kenne nämlich viele, die reicher sind als ich, nur stehen die nicht in der Liste vom "Trend". Von daher glaube ich also nicht, dass ich zu den hundert reichsten Österreichern gehöre.

Von welchem aktuellen Politiker haben Sie eine positive Meinung?

Sowohl Rote wie Schwarze haben gute Minister, etwa den Schelling (Hans Jörg, Finanzminister, ÖVP; Anm.) und den Doskozil (Hans Peter, Verteidigungsminister, SPÖ; Anm.), aber ich will jetzt hier nicht alle Politiker beurteilen.

Ihnen ist jede Regierung recht, nur eine Koalition von SPÖ und ÖVP dürfe es nicht mehr sein . . .

Ja, weil das in die Katastrophe führen würde. Die können einfach nicht mehr miteinander.

Damit geben Sie der FPÖ einen Freifahrtschein auf eine Regierungsbeteiligung.

Gemessen an den derzeitigen Umfragewerten haben Sie recht.

Kommt Ihnen das nicht selbst seltsam vor?

Nein, ich finde das sogar gut, und das, obwohl die FPÖ nicht zu meinen Freunden zählt. Aber das Recht geht nun einmal vom Volk aus und der Bundespräsident hat das zu akzeptieren.

Damit widersprechen Sie sich aber selbst: Wenn der Wille des Volkes, wie er in Wahlen zum Ausdruck kommt, das zentrale Argument ist, dann zählt allein, welche Parteien sich im Nationalrat auf eine Mehrheit einigen können. Der Bundespräsident hätte dann gar nichts bei der Regierungsbildung mitzureden.

Nein, der Bundespräsident ernennt die Regierung und kann sehr wohl Wünsche äußern, wie diese ausschauen soll. Wichtig ist, dass der Bundespräsident unabhängig ist.

Richard Lugner: Geb. 1932 in Wien, gründete er Anfang der 1960er ein Bauunternehmen. 1990 eröffnete er das Einkaufszentrum "Lugner-City". Mittlerweile leiten zwei Söhne das Bauunternehmen. Bereits einmal, 1998, kandidierte er für das höchste Amt im Staat und erreichte 9,9 Prozent der Stimmen. Seit Jahrzehnten inszeniert er sich als Werbeträger in eigener Sache. Lugner ist - in fünfter Ehe - mit dem deutschen Playmate Cathy Schmitz verheiratet.