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Retten, was zu retten ist

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Die gravierenden Impflücken kommen Österreich teuer zu stehen.


Nun sind bereits mehr als 400 Personen mit einer Covid-19-Infektion in den Intensivstationen der österreichischen Krankenhäuser. Stark betroffene Regionen haben kaum mehr Intensivbetten samt Pflegekapazität in den Krankenhäusern. Das Gesundheitspersonal ist schon seit geraumer Zeit am Anschlag, sie haben zu viel leisten müssen in den letzten 20 Monaten. Neuerliche Reisewarnungen für Österreich stehen vor der Tür. Die jüngste Wifo-Konjunkturprognose wird wohl im Dezember revidiert werden müssen.

Die gravierenden Impflücken in Österreich kommen uns teuer zu stehen: Menschenleben, kurz- und langfristige Gesundheitsprobleme und die damit verbunden Kosten für das Gesundheitssystem, Vertrauensverlust in die Politik und eine Reduktion der Wirtschaftskraft.

Wie konnte es trotz der schnellen Entwicklung einer wirksamen Impfung so weit kommen? Eine Impfpflicht, wie ich sie an dieser Stelle schon einmal vorgeschlagen habe, wird quer durch alle Lager abgelehnt. Nicht einmal eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheits- und Bildungsbereich wird ernsthaft diskutiert. Die Liste des Verabsäumten in den letzten Monaten ist lange: massive Impfkampagnen inklusive automatischer Terminangebote, Ausbau von PCR-Testmöglichkeiten in allen Bundesländern, Einbau von Luftfiltern in Schulklassen etc.

Schon vor einigen Monaten haben uns Simulationsexperten vorgerechnet, welchen gravierenden Unterschied eine höhere Impfquote für das Gesundheitssystem macht. Damit war klar, dass es im Frühling und Sommer 2021 mit allen Mitteln um eine Erhöhung der Impfquote gehen sollte, stattdessen wurden geplante Impfkampagnen, die auf die noch unschlüssigen Menschen abgezielt hätten, abgesagt bzw. nur in einer Schmalspurversion vorangetrieben. Obwohl wir gut berechnen können, dass die Covid-19-Impfung bereits einige Tausend Menschenleben gerettet hat. Der Großteil der Toten, die wir im Laufe der nächsten Monate zu beklagen haben werden, wäre vermeidbar gewesen bzw. ist zum Teil noch vermeidbar. Eines ist klar: eine Pandemie braucht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, dem Individualismus sind hier enge Grenzen gesetzt.

Was nun? Virologinnen und Virologen machen uns klar, dass die Booster-Impfung nun zentral ist, damit nicht auch das bereits Geschaffte wieder verpufft. Also bitte volle Konzentration auf eine Booster-Aktion. Aus Umfragen wissen wir, dass es bei den Nicht-Geimpften noch ein beträchtliches Reservoir an "Zauderern" gibt - diese gilt es nun zur Impfung zu bewegen. Das muss sehr niederschwellig passieren: Impfpersonal in die Wirtshäuser, Kirchen, Lagerhäuser, Einkaufszentren, etc. Und ja, bitte verlost, was das Zeug hält - Lotteriepreise (z.B. Klimatickets, Steuergutschriften) sind definitiv billiger als die ökonomischen Kosten von Lockdowns und kurz- sowie langfristigen gesundheitlichen Folgen. Studien zeigen, dass solche Aktionen durchaus erfolgreich sind.

Aber auch langfristig wird uns die Erfahrung der Covid-19-Pandemie einige Hausaufgaben bescheren. Allen voran in der Bildung: Wissenschaftsfeindlichkeit und Wissenschaftsskepsis ist einem Hochbildungsland nicht würdig und verursacht hohe ökonomische Kosten. Daran müssen wir arbeiten.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.