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Einmal noch König sein

Von Simon Rosner

Politik

Macht der Landespolitik vor gravierenden Veränderungen, aber nicht wegen des neuen Finanzausgleichs.


Wien. Nein, es war keine Rochade in der ÖVP. Bei einer Rochade wechselt bekanntlich der König seine Position, doch der bleibt in St. Pölten. Erwin Pröll ist zeit seines politischen Lebens der offenbar doch nicht so süßen Versuchung, in die Bundespolitik zu gehen, nicht erlegen - auch wenn es knapp war. Prölls Absage zur Präsidentschaftskandidatur war doch überraschend und erwischte ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner genauso am falschen Fuß wie nun der Jobtausch von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka.

Doch hätte das überhaupt gepasst, Pröll und die Hofburg? Diese Frage ließe sich auch bei anderen Landeshauptleuten stellen, ebenso wie die Kanzlerfrage. In Deutschland ist dies anders. Gerd Schröder und Helmut Kohl waren Ministerpräsidenten, Willy Brandt Bürgermeister von Berlin. Auch die Kanzler-Herausforderer kamen meist aus der Position eines Ministerpräsidenten: Franz Josef Strauß, Johannes Rau, Oscar Lafontaine, Rudolf Scharping sowie Edmund Stoiber. Diese politische Karriereleiter hat eine innere Logik. Man arbeitet sich die diversen Ebenen hinauf, und wer als Landeschef erfolgreich ist, kann zum Sprung nach Berlin (oder früher Bonn) ansetzen.

Warum das in Österreich nicht so ist, machte Mikl-Leitner am Sonntag, vermutlich unbeabsichtigt, klar: Sie habe bald den schwierigsten Job dieser Republik hinter sich und "die schönste Aufgabe in Österreich vor mir". Sie meinte wohl nicht ihre neue Position als Finanzlandesrätin, sondern die offenbar recht mittelbare Nachfolge Prölls.

Landeshauptleute haben in Österreich weniger Entscheidungsbefugnis als deutsche Ministerpräsidenten, was auch gleichbedeutend mit weniger knallharter politischer Arbeit und Auseinandersetzung ist. Es gibt keine Steuerautonomie, das Geld fließt über den Finanzausgleich aus Wien in Richtung Landeshauptstädte und wird dann verteilt, wobei sich die Bundesländer in der Vergangenheit nicht gerade mit Sparsamkeit überboten haben.

Pröll dekretiert Minister

Warum also mühsame Bundespolitik? Auch der politische Eroberer Jörg Haider hatte, als sich die Chance bot, nicht darauf bestanden, nach Wien zu wechseln. Er blieb in Kärnten und erfand gönnerhafte Direktförderungen: Babygeld, Muttergeld, Schulstartgeld, Billigbenzin sowie einen Fußballverein powered by Hypo Alpe Adria. Einfluss auf das, was in Wien passiert, nahm er freilich trotzdem. Wie auch andere Landeshauptleute.

Die heimische Realpolitik schreibt ihnen große Machtbefugnis zu. Wie Pröll die Bundesregierung einfach umstellt, noch dazu ohne Rücksicht auf seinen Parteichef zu nehmen, war in dieser Hinsicht schon beachtlich.

Und es war kein Einzelfall. Bei jeder Ministerbesetzung muss auf die Befindlichkeiten der Länder und ihrer Chefs Rücksicht genommen werden. Legendär war die Entsendung von Heidrun Silhavy live in einer Pressekonferenz durch den damaligen steirischen Landeshauptmann Franz Voves. Und dass Andrä Rupprechter Landwirtschaftsminister geworden ist, war ein Zugeständnis an Tirol, weil Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, ebenfalls aus Tirol, sein Amt verloren hatte.

Die Macht der Landeshauptleute wirkt sich nicht nur auf die Besetzung der Ministerbank aus, sie ist auch inhaltlicher Natur. Wobei der Bundesrat als Länderkammer so gut wie keine Rolle spielt, nur formal hat er einen gewissen Einfluss auf die Gesetzgebung. Die Landeshauptleutekonferenz ist in der Bundesverfassung als politisches Organ zwar nicht vorgesehen, das innere Verständnis dieses Kreises kommt jedoch jenem einer Länderkammer gleich.

Klub der Nein-Sager

Der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer von der Universtität Innsbruck bezeichnet die Landeshauptleutekonferenz als "Klub von Veto-Spielern". Sie ist mächtig genug, um Nein zu sagen und damit bundespolitische Bestrebungen zu unterbinden, inhaltlich aber dann doch zu gespalten, um selbst initiativ werden zu können. Die Durchsetzungsfähigkeit ist demnach nur recht einseitiger Natur: beim Nein.

Über die Jahre und Jahrzehnte ist das Gremium der Landeshauptleute auch deshalb immer bedeutsamer geworden, weil besonders im Sozial- und Bildungsbereich immer mehr staatliche Aufgaben definiert werden, die dann in 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern geregelt sind. Darunter fällt die Mindestsicherung, die Grundversorgung von Asylwerbern, Pflege, Kinderbetreuung oder auch Energieeffizienz. In diesen Vereinbarungen wird definiert, welche Gebietskörperschaft die diversen Aufgaben wahrnehmen muss und wer zu welchen Teilen den finanziellen Aufwand zu tragen hat.

Ex-Minister als Landeschefs

Nun stellt sich die Frage, welche Kraft die Landeshauptleutekonferenz entwickeln kann, wenn sich die politischen Schwergewichte verabschiedet haben. Die Dringlichkeit der Rückkehr Mikl-Leitners deutet auf einen doch baldigen Rückzug Prölls hin, Josef Pühringer hat seinen Abschied bereits avisiert und auch Michael Häupl könnte noch während der Legislaturperiode abtreten. Für die drei Langzeit-Landeschefs könnte daher die Verhandlung um einen neuen Finanzausgleich der finale Höhepunkt werden.

Zweimal war die bestehende Aufteilung der staatlichen Finanzmittel verlängert worden - und zwar wohl durchaus bewusst auf dieses Jahr, in dem nur die Bundespräsidentenwahl stört und das auch nur bis spätestens Mai. Umso bedeutender für die mittelfristige Zukunft der Republik könnte daher sein, was am Ende der Verhandlungen herauskommt. Noch befinden sich die Gespräche in einem Anfangsstadium, allerdings wurden die Erwartungen auf einen wirklich großen Wurf schon merklich heruntergeschraubt.

Dafür könnte der real gelebte Förderalismus eine Veränderung erleben. Würde Mikl-Leitner bei künftigen Regierungsbildungen auch so mitwirken wie Pröll? Günther Platter war 2008 der erste Politiker seit Leopold Figl, der aus dem Bund kommend Landeshauptmann wurde. Mikl-Leitner könnte die Nächste sein, und über Gerald Klug (Steiermark), Hans Peter Doskozil (Burgenland) und eventuell auch Andreas Schieder (Wien) wird zumindest diskutiert.

Ob dieser Seitenwechsel im Verhältnis zwischen Landes- und Bundespolitik etwas ändert? "Das könnte schon etwas ausmachen", sagt Föderalismusforscher Peter Bußjäger. "Sie wären dann zwar Landesorgane, bringen aber doch Verständnis für die andere Seite mit." Dem "kooperativen Föderalismus", wie ihn Bußjäger nennt und der sich eben unter anderem in 15a-Vereinbarungen illustriert, sei diese Entwicklung zuträglich.

Dass, erstens, die politische Landkarte bunter wird, auf Landesebene schon diverse Koalitionsvarianten Realität sind, und, zweitens, offenbar auch die Wähler der partei- und landespolitischen Spielereien überdrüssig geworden zu sein scheinen, könnte den Umgang zwischen Bund und Ländern weiter verändern. Mit dem Schimpfen auf die Regierung in Wien konnte die Landespolitik immer Wahlen gewinnen. Aber ob das noch reicht? "Bei Philippi sehen wir uns wieder", sagte Wolfgang Sobotka einmal erboßt in Richtung Finanzminister Hans Jörg Schelling. Philippi, das ist nun der Ministerrat.