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Schmerzen des Umstiegs

Von Simon Rosner

Politik

Die Energie AG hat ihr letztes Kohlekraftwerk stillgelegt. Generaldirektor Leo Windtner kritisiert das Förderregime, das den Strompreis in den Keller treibt. Der Ausstieg aus der fossilen Energie gestaltet sich schwierig.


Wien. "Der Weg war kein leichter", sagt Werner Steinecker, Vorstand der Energie AG. Im März wurde in Oberösterreich das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt. "Ein Stück Industriegeschichte ist damit zu Ende gegangen", sagt er. Der Transport der Kohle aus Tschechien und Polen war zu teuer geworden. Oder anders gesagt: Der Strom ist zu billig. Die Megawattstunde wird derzeit um 30 Euro gehandelt, sie war schon einmal bei rund 90 Euro.

Es ist kein singuläres Problem der Energie AG, die gesamte Branche fährt sein Jahren im Alarmmodus. Die Aktie des Verbundes hat sich innerhalb von fünf Jahren gedrittelt. Dabei wäre Strom, gerade in Österreich, saubere Energie. Leo Windtner, seit 1994 Generaldirektor der Energie AG, sagt: "Elektrische Energie ist der Schlüssel für die Bewältigung der Herausforderungen." Er schätzt, dass ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch von einem Fünftel auf ein Drittel steigen wird.

Der langfristige Ausstieg aus der fossilen Energie und die Reduktion von CO2-Emissionen ist zu einem fast globalen, jedenfalls aber europäischen und österreichischen Ziel der Politik geworden. Der Weg dorthin bringt die heimischen Energieversorger nun aber langsam in Nöte. Der Umstieg in Erneuerbare Energie wird kräftig gefördert, vor allem in Deutschland, wo es bisher, und anders als in Österreich, keine Deckelung gibt.

Die Idee dahinter schien naheliegend. Da die Stromproduktion durch Wind und Sonne fernab des Marktpreises lag (und noch immer liegt), wurde und wird sie subventioniert. Der saubere Strom wird bei der Einspeisung prioritär behandelt und erhält auch einen fixen Tarif, während sich herkömmliche Produzenten an den Marktpreis halten müssen. Das führte dazu, dass vor allem in Deutschland unzählige Windanlagen errichtet wurden und deshalb mehr Strom produziert als tatsächlich verbraucht wird. Es ist einer der Gründe, weshalb der Strompreis fiel und für die Erneuerbaren der Weg zum Marktpreis wieder weiter weg rückte - gewissermaßen ein Hase-Igel-Problem. Kaum ist man scheinbar am Ziel der Marktkonformität, wird der Strom schon wieder billiger.

Verwerfungen auf dem Markt

"Die gesamte Branche ist mit einer Entwicklung konfrontiert, die niemand vorhergesehen hat", sagt Windtner. Er spricht von "extremen Verwerfungen" auf dem Energiemarkt. Und das hat eben Konsequenzen, wie nun in Riedersbach. Einst waren im Kohlekraftwerk 200 Arbeiter beschäftigt, zuletzt waren es noch 83.

Für die Konsumenten ist ein niedriger Strompreis freilich eine positive Nachricht und das Ende von fossilen Kraftwerken wiederum gut für die Umwelt. Also einfach nur: Pech für Energie AG, Verbund und Co, die alten Hausherren auf dem Energiemarkt? So einfach ist es nicht. Erstens werden die Förderungen durch die Ökostromsteuern gedeckt, also von den Konsumenten selbst bezahlt. In Wien gibt es zudem ein spezielles Problem. Hier werden 250.000 Privatwohnungen mit Fernwärme versorgt. Nur circa ein Fünftel wird über die Müllverbrennungen abgedeckt, der überwiegende Teil der Energie kommt über kalorische Kraftwerke. Zwar ist der Gaspreis gesunken, dennoch ist der Betrieb aufgrund des niedrigen Strompreises nicht kostendeckend.

Neues Förderregime

Ein zweites Problem ist, dass Wind- und Sonnenenergie nur dann produziert werden, wenn es weht und scheint. Komplementär braucht es daher, zumindest derzeit noch, herkömmliche Kraftwerke. In den Niederlanden und im Norden Deutschlands sind Speicherkraftwerke aus topografischen Gründen kaum realisierbar, dafür rauchen in Deutschland noch die Schlote der alten Kohlekraftwerke, die im Gegensatz zu Riedersbach, weil eben schon abgeschrieben, sehr billig Strom produzieren können.

Eine der prinzipiellen und auch schwer zu lösenden Herausforderungen im Energiemarkt ist die unterschiedliche Kostenstruktur der verschiedenen Anbieter. Bei Wind, Sonne und Wasser sind die Betriebskosten niedrig, dafür die Investitionskosten hoch. Bei Gas und Kohle ist es umgekehrt. Energie-AG-Chef Windtner will deshalb nicht die Abnahme der Erneuerbaren fördern, sondern die Investitionen. "Diese Dauersubventionitis wird nicht finanzierbar sein." Windtner ist mit dieser Forderung nicht alleine.

Aus dem Wirtschaftsministerium ist zu hören, dass im Rahmen einer Ökostrom-Novelle, die ab Herbst verhandelt werden soll, das Förderregime sehr wohl in diese Richtung geändert werden dürfte. Auch die deutsche Politik steigt in Sachen Förderungen langsam auf die Bremse. Windtner erwartet jedoch nicht, dass vor 2020, wenn in Deutschland Kernkraftwerke schließen, der Strompreis wieder anzieht.

Deshalb wird sich die Energie AG verstärkt im Windenergiesektor engagieren, was angesichts der Fördersummen gegenwärtig betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Doch wie lange? Und was, wenn die Politik Windtners Forderung entspricht, die Subventionen zurückzufahren?

Windtner übt nicht nur Kritik am Ökostromgesetz, sondern auch an "überbordenden Bestimmungen" in Österreich. Dazu gehören diverse Genehmigungsverfahren oder eine Richtlinie für Wasserkraftwerke, wonach diese Fischlifte einbauen müssen. Das verursacht Kosten und reduziert die Leistungskraft ein wenig. Vergleichsweise sind das Kinkerlitzchen, doch es zeigt, wie groß die Anspannung bei den Energieversorgern mittlerweile ist.

Der Ausstieg aus der fossilen Energie gestaltet sich auch für Österreich schwierig, obwohl hier Wasserkraft schon überwogen hat, als anderswo der Umstieg gerade erst eingeleitet wurde. Die goldenen Zeiten sind für die Energieversorger vorbei. Vermutlich auf längere Sicht.