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Neuling, Frau, unabhängig

Von Werner Reisinger

Politik

Um Haaresbreite wäre mit Irmgard Griss erstmals eine unabhängige Frau in eine Stichwahl um das höchste Amt im Staat gekommen.


Wien. Als Irmgard Griss im Dezember 2014 den Endbericht der Hypo-Untersuchungskommission vorlegte, in dem, kurz zusammengefasst, von einem "Multiorganversagen" aller Beteiligten im unbestritten größten Bankenskandal der Zweiten Republik die Rede war, brachte dies der kompetent und resolut auftretendenden Juristen massenhaft Sympathiebekundungen ein. Genutzt hat ihr das alles nichts. Mit 19 Prozent (vorläufiges Ergebnis, Anm.) der Stimmen verpasste sie nur knapp den Einzug in die Stichwahl.

Ihr Auftritt in der ORF-Sendung "Im Zentrum" wenige Wochen nach Abgabe des Berichts löste einen regelrechten Hype um die pensionierte Präsidentin des Obersten Gerichtshofs aus. "Griss for President!", forderten zahlreiche Stimmen vor allem in den sozialen Medien. Irmgard Griss dürfte sich das zu Herzen genommen haben. Obwohl sie seit damals oft gefragt wurde, zögerte sie lange mit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur. Als sie schließlich am 19. Oktober des vergangenen Jahres, nach mehreren recht deutlichen Absagen, mit den Worten "ich bin bereit" doch ihre Absicht, kandidieren zu wollen, ankündigte, rechneten viele Beobachter damit, dass Griss "Frühstart" ihr zum Nachteil gereichen würde.

Liberal und konservativ

Vor Bekanntgabe ihrer Kandidatur spekulierte Griss noch damit, von SPÖ und ÖVP als unabhängige Kandidatin unterstützt zu werden - eine vergeben Liebesmühe. Recht rasch begann das Buhlen der Oppositionsparteien um die ehemalige Höchstrichterin. Auf die allgegenwärtige Frage, wie sie es als Präsidentin mit einer FPÖ-Regierungsbeteiligung und einem möglichen Kanzler HC Strache halten würde, zog sich Griss, ganz Juristin, auf den Standpunkt des Verfassungsrechts zurück: Ein demokratisches Votum würde es unmöglich machen, Strache als Kanzler nicht anzugeloben. Daraufhin lud Strache Griss zu einem Hearing vor blauen Spitzenfunktionären. Ihre Positionen in den für das FPÖ-Umfragehoch zentralen gesellschaftspolitischen Themen Flüchtlinge und Asyl aber stießen in der FPÖ auf keine Gegenliebe.

Als unabhängige, weibliche Kandidatin konnte Griss im Wahlkampf die Anti-Regierungs-Stimmung gut für sich nutzen. Schlussendlich von den Neos unterstützt, setzte sie auf das Thema politische Erneuerung. Sie wolle das Amt bestmöglich aufwerten und dem rot-schwarzen Postenschacher ein Ende bereiten. Stolze 21 Punkte beinhaltete ihr Wahlprogramm, mehrheitlich Punkte, die weit über die Kompetenz des Bundespräsidentenamtes hinausgehen. Verwaltungsreform, direkte Demokratie, Neuerungen im Pensionssystem und ein unternehmerfreundlichers Klima - klassische wirtschaftsliberale Positionen.

Genutzt hat ihr das letzten Endes nicht. Dass sie sich nach diesem Wahlkampf gänzlich aus der politischen Öffentlichkeit zurückzieht, bezweifeln Politikexperten allerdings.