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Koalitionäre Schockstarre

Von Jan Michael Marchart und Werner Reisinger

Politik

Richtungsstreit in der SPÖ, "Relaunch"-Pläne auch in der ÖVP: Wird jetzt alles anders?


Wien. Es sind schwierige Tage für die ohnehin schon angeschlagene Sozialdemokratie. Die Niederlage der SPÖ und ihres Kandidaten Rudolf Hundstorfer am Präsidentschaftswahlsonntag ist noch kaum verdaut, schon wartet auf die Kanzlerpartei die nächste Herausforderung. Am Montag segnete der parlamentarische Innenausschuss die Asylgesetzesnovelle ab, schon am Mittwoch soll das neue Gesetz im Parlament beschlossen werden.

Besonders wegen der geplanten Notstandsverordnung gehen aber in der Partei die Wogen hoch. Bereits vor einigen Wochen hatten sich mehrere SPÖ-Mandatare gegen die geplanten Asylrechtsänderungen ausgesprochen und in den Raum gestellt, gegen das Gesetz zu stimmen. Die oberösterreichische Nationalratsabgeordnete Daniela Holzinger will dem Gesetz am Mittwoch nicht zustimmen, sollte "das Gesetz so kommen, wie jetzt geplant". Innenausschuss-Mitglied Ulrike Königsberger-Ludwig ließ ihre Entscheidung ebenfalls offen.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder versuchte noch am Montagvormittag, die Wogen zu glätten. Er präsentierte vor dem Innenausschuss einen Kompromiss mit der ÖVP. Demnach sollen beeinträchtigte Personen, Schwangere sowie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von "Asyl auf Zeit" und Einschränkungen beim Familiennachzug ausgenommen sein. Die Möglichkeit einer Notstandsverordnung soll auf sechs Monate befristet werden, im Anlassfall aber drei mal um je sechs Monate verlängert werden können. Er erwarte am Mittwoch im Parlament eine breite Mehrheit für den Gesetzesvorschlag.

Ederer für Faymann-Rücktritt

Die Wahlniederlage Hundstorfers befeuert nun den immer offener ausgetragenen Richtungsstreit in der SPÖ noch weiter. Nicht wenige rote Funktionäre und Abgeordnete machen den 180-Grad-Schwenk der Parteispitze für Hundstorfers desaströses Abschneiden am vergangenen Sonntag verantwortlich. Die Wähler würden eben den Schmied und nicht den Schmiedl wählen, so der Tenor bei vielen in der angeschlagenen Partei.

Dass in der SPÖ aber keineswegs alle dem neuen, restriktiven Kurs beim Asylthema die Schuld geben, zeigte am Montagmorgen zum wiederholten Mal Hans Niessl auf. Als wäre er bereits in den Startlöchern gestanden, schlug der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann seiner Partei gleich am Montagvormittag vor, doch eine Mitgliederbefragung über die inhaltliche Ausrichtung der Partei abzuhalten.

Vor dem Innenausschuss trafen sich am Montag die SPÖ-Abgeordneten zu einer offenen Fraktionssitzung. Ihr Zweck: die Partei vor der Abstimmung auf Linie zu bringen. Das gleiche Prozedere folgte bei der kurzfristig einberufenen Präsidiumssitzung, um schnellstmöglich Luft aus der aufschwelnden Kritik um die Wahlniederlage am Sonntag zu nehmen. Geschlossen stellten sich die SPÖ-Landeschefs hinter Kanzler Werner Faymann. Vor dem traditionellen Maiaufmarsch der SPÖ gilt es, ein einheitliches Gesicht zu wahren. Eine prominente Forderung nach der Ablöse Faymanns war noch am Wahlabend von der früheren SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer zu hören.

ÖVP: "Keine Obmanndebatte"

Auch in der Gewerkschaft, die größte Stütze Werner Faymanns, wird der Kanzler und Parteichef kritisch hinterfragt. Die Partei müsse sich neu positionieren, meinte "younion"-Vorsitzender Christian Meidlinger, ob mit Faymann oder ohne ihn: "Wer diese Antworten gibt, ist für mich sekundär." Mit Neuwahlen im Herbst rechnen aber weder er noch Baugewerkschaftschef Josef Muchitsch. Das wäre "ein Schuss ins Knie", meinte Letzterer. Für ÖGB-Präsident Erich Foglar ist es "so sicher wie das Amen im Gebet", dass es in der SPÖ nun zu Personaldiskussionen kommt. Das Präsidium am Montagabend werde aber Geschlossenheit signalisieren, sagte er. Mit Ablöse-Forderungen wie jener Ederers kann Foglar nichts anfangen.

Weit weniger hitzig verliefen Personaldebatten am Montag innerhalb der ÖVP. Der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler erteilte einer Obmanndebatte eine Absage. "Scheibchenweise Demontageversuche" der Parteispitze hätten sich noch nie bewährt. Vielmehr müsse es - wie von Parteichef Reinhold Mitterlehner bereits am Wahlsonntag angedeutet - einen "Relaunch" der Regierungsarbeit geben. Gegen personelle Änderungen sprach sich auch der oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer aus. Ändern müsse sich aber dennoch einiges, die ÖVP müsse wieder zu "einer Partei für Leistungswillige" werden, sagte er. Berichte, denen zufolge der erst kürzlich bestellte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald aufgrund der Wahlniederlage von ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol seinen Hut nehmen müsse, wies McDonald zurück.