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Deutschkurse am Fließband

Von Werner Reisinger

Politik
Bei Lehrern, die in privaten Instituten im Auftrag des AMS Flüchtlinge in Deutsch unterrichten, ist Burnout keine Seltenheit.
© WZ-Montage/Fotolia (Monkey Business)

Deutschtrainer für Flüchtlinge klagen nach wie vor über Missstände. Ein Betriebsrat eines privaten Instituts, das für das AMS Deutschkurse anbietet, wurde jetzt vom Dienst freigestellt – weil er die Probleme offen anspricht.


Wien. Sie sollen eine der wichtigsten Herausforderungen für die österreichische Gesellschaft bewältigen, die es zurzeit gibt: Flüchtlingen und Migranten Deutsch beizubringen, damit eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Ohne gute Deutschkenntnisse, darin sind sich Politik, NGOs und Zivilgesellschaft einig, bliebe jenen Flüchtlingen, die in Österreich bleiben werden, der Weg zum Job und damit auch der soziale Anschluss versperrt.

Dass zwischen der politischen Rhetorik auf Pressekonferenzen und der Realität in den Deutschkursen ein erheblicher Unterschied besteht, hat die "Wiener Zeitung" bereits im vergangenen Jänner ausführlich berichtet. Das Arbeitsmarktservice (AMS) vergibt per Ausschreibung die Aufträge für die Kurse an private Bildungsträger. Die großen, gewinnorientierten Institute Ibis Akam, Mentor, ZIB Training, BIT oder das Berufsförderungsinstitut (BFI) rittern um diese Aufträge und versuchen sich gegenseitig zu unterbieten, um sich bei der Auftragsvergabe durchzusetzen. Denn zum Zug kommt, wer das beste und günstigste Angebot macht. Der so entstehende finanzielle Druck wird von den Instituten an ihre Beschäftigten weitergegeben.

Gegenüber der "Wiener Zeitung" sprachen Deutschtrainer über schlechte Bezahlung, unsichere Dienstverhältnisse, mangelnde Unterrichtsqualität und enormen zeitlichen und psychischen Belastungsdruck. Neben dem Unterricht müssen sie auch administrative Aufgaben erledigen, sie betreuen Datenbanken, müssen dutzende Formulare ausfüllen und sich um Unterrichtsmaterialien kümmern. Fällt ein Lehrer aus, muss oft ein weiterer dessen Kurs mitbetreuen. In der Praxis bedeutet das, den einen Kurs immer wieder zu verlassen um im anderen nach dem Rechten zu sehen. "Mit der Konsequenz, dass ich mich um keinen der Kurse mehr richtig kümmern kann", sagte damals eine Trainerin, die anonym bleiben wollte.

Erfahrung und Ausbildung spiele bei der Einstellung der Trainer keine Rolle, zwischen Akademikern und solchen Lehrern, die nur eine Unterrichtsberechtigung erworben haben, werde nicht unterschieden. Die Verträge der Lehrenden seien an die Auftragszeiträume gebunden. Arbeitslos gewordene Trainer müssten sich erneut bei jenen Instituten bewerben, die gerade bei der Ausschreibung zum Zug gekommen sind. Vordienstzeiten aber würden nicht entsprechend angerechnet. "Wanderhuren" nennen sich die Deutschlehrer daher scherzhaft untereinander. Im Bereich einer für die Gesellschaft so zentralen Herausforderung herrschen also offensichtlich höchst prekäre Arbeitsbedingungen.

"Ein Exempel statuieren"

Sebastian Reinfeldt ist einer der Betroffenen. Seit Jahren arbeitet er als Deutschlehrer mit wechselnden Anstellungen für die großen Institute. Weil er in der Tageszeitung "Die Presse" offen über die Belastungen der Trainer und die damit einhergehende schlechte Qualität gesprochen hatte, wurde Reinfeldt, der in einem großen privaten Institut auch als Betriebsrat tätig ist, vom Dienst freigestellt. Die Begründung: "betriebsschädigendes Verhalten". Brisant dabei: Reinfeldt hatte sich im angesprochenen "Presse" Artikel nicht konkret auf sein eigenes Institut bezogen, sondern allgemeine Kritik geäußert, wie es bereits zahlreiche Trainer getan haben.

Reinfeldt selbst möchte seine Freistellung nicht kommentieren. Unterstützung bekommt er jedoch vom Österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache (ÖDAF) und seiner Präsidentin, Sabine Dengscherz. "Für mich sieht es danach aus, als würde an Herrn Reinfeldt ein Exempel statuiert werden. Die Botschaft lautet wohl: Halt den Mund, sonst bist du deinen Job los", vermutet Dengscherz. Der Grund für diese Vorgangsweise sei möglicherweise bei den in den letzten Wochen laufenden Ausschreibungen zu finden. "Während die Ausschreibung läuft, will man offensichtlich die laufende Diskussion über die Missstände unterbinden", so Dengscherz. Ein internes E-Mail, das der "Wiener Zeitung" aus dem Umfeld des betroffenen Instituts zugespielt wurde, bekräftigt diese Annahme.

Einige Betriebsräte wenden sich darin an die Lehrer und ersuchen diese, nicht mit Medien über die Situation in den Deutschkursen zu sprechen. "Der Bericht in der ,Presse‘ vom 21.04.2016 über die Problematik der Deutschkurse schädigt das Vertrauen unseres Hauptauftraggebers, des AMS, und kann zu einem massiven Auftragsverlust führen", ist darin zu lesen. Und weiter: "Es gab eine Vereinbarung mit Frau Petra Draxl vom AMS Wien, mit dem AMS nicht über die Medien zu kommunizieren, damit eine Gesprächsbasis zwischen Betriebsräten und dem AMS aufrecht bleiben kann. Wir als Betriebsrat haben uns bei Frau Draxl in schriftlicher Form entschuldigt, um die kommenden Gespräche nicht zu gefährden." Offensichtlich fürchtet man im Institut derart um die Aufträge, dass selbst der Betriebsrat, der sich in der Frage der Arbeits- und Unterrichtsbedingungen für die Trainer einsetzt, sich hinter das Unternehmen stellt. Der Verdacht liegt nahe, dass auch vom AMS Druck auf das Institut ausgeübt wurde, die Mitarbeiter bezüglich der Missstände zum Schweigen zu bringen.

AMS: "Achten auf Qualität"

Auch Markus Koza, Bundessekretär der Alternativen und unabhängigen GewerkschafterInnen (Auge), ist Reinfeldts Fall bereits bekannt. "Ich verstehe nicht, wieso dem Kollegen in dem Zusammenhang betriebsschädigendes Verhalten unterstellt wird", sagt Koza. "Man sieht hier, wie schwach das Recht auf Meinungsfreiheit im Arbeitsumfeld ausgeprägt ist. Das Aufweisen eines Missstandes darf nicht dazu führen, dass ein Betriebsrat dienstfrei gestellt wird." Immerhin habe Reinfeldt kein betriebliches Geheimnis öffentlich gemacht. Die Unternehmen müssten im Gegenteil eigentlich froh sein, dass ihre Betriebsräte die Missstände thematisieren. Auch für ihn liegt der Verdacht nahe, dass der Ausschreibungsdruck den eigentlichen Grund für Reinfeldts Dienstfreistellung darstellt.

Dass das AMS Wien etwas mit dem Fall zu tun hat, stellt dessen Chefin Petra Draxl in Abrede: "Selbstverständlich darf man auch medial Kritik üben, wenn man das Gefühl hat, intern nicht weiterzukommen." Von Reinfeldts Dienstfreistellung will Draxl nicht gewusst haben, diese kann sie sich auch nicht erklären: "Es ist natürlich der Job der Betriebsräte, sich gegen Missstände zu wehren." Auf den Zuschlag bei der Ausschreibung würden mediale Äußerungen der betroffenen Lehrer keinerlei Auswirkungen haben - allerdings wisse sie nicht, wer in der laufenden Ausschreibung zum Zug gekommen ist, da sie gar nicht involviert gewesen sei. Für Draxl stellen die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen für die Deutschlehrer einen Grund dar, "medial viel Stimmung zu machen". Für das AMS sei jedenfalls klar: "Wir wollen Qualität, und achten auch drauf, dass die Maßstäbe eingehalten werden."

Nachlese

"Man spricht Deutsch" - Zu wenig Personal, schlechte Bezahlung, mangelnde Unterrichtsqualität: Deutschtrainer für Flüchtlinge beklagen Missstände und prekäre Arbeitsbedingungen in privaten Bildungsinstituten.

"Presse" - Kritik an Deutschkursen für Flüchtlinge