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Kern ante portas?

Von Werner Reisinger

Politik

Die SPÖ steht unter Zeitdruck. Als wahrscheinlichster Kandidat für Faymanns Nachfolge gilt ÖBB-Chef Christian Kern.


Wien. Man sei von Faymanns Schritt tatsächlich überrascht gewesen, so der Tenor unter den SPÖ-Landesparteivorsitzenden nach ihrem Treffen mit Werner Faymann am Montagvormittag, in dem der Kanzler seinen Rückzug bekannt gab. Nachdem sich führende SPÖ-Politiker und ehemalige Parteigranden in den vergangenen Wochen einen öffentlichen Schlagabtausch über die Frage Faymann Ja oder Nein geliefert hatten, deutete am Wochenende vieles dann wieder doch darauf hin, dass Faymann sich zumindest bis zum für 28. und 29. November geplanten Parteitag halten könnte. Angesichts von Faymanns Rücktritt ist der Termin im November aber nicht mehr haltbar. Der Bundesparteivorstand einigte sich noch am Montag auf einen neuen Termin: In sechs Wochen, am 25. Juni, soll nun der Parteitag stattfinden.

Schlussendlich musste der schon oft totgesagte Parteichef Faymann dem innerparteilichen Druck nachgeben. Wie also könnte es jetzt in der SPÖ weitergehen?

Variante 1: Notlösung Schieder

Werner Faymann verlässt Partei und Bundeskanzleramt mitten in einer heftigen innerparteilichen Krise. Seine Nachfolge muss auf jeden Fall bis zur Bundespräsidentschafts-Stichwahl am 22. Mai über die Bühne gegangen sein. Dass der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der am Montag interimistisch den Parteivorsitz übernahm, länger als unbedingt notwendig Parteichef bleibt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Schon kommende Woche Dienstag soll ein SPÖ-Präsidium den neuen Parteichef bestimmen. Darauf einigten sich die SPÖ-Landesparteivorsitzenden am Montag.

Aber auch wenn der Wechsel an der Partei- und Regierungsspitze rasch gelingt - die innerparteilichen Diskussionen um die Ausrichtung der Partei, vor allem in Bezug auf die Asylpolitik und die Frage, wie man in Zukunft mit der FPÖ umgegangen werden solle, werden durch die Personalrochaden nicht beendet werden.

Davon ging am Montag auch die Spitze der Gewerkschaft aus. GPA-Chef Wolfgang Katzian und ÖGB-Präsident Erich Foglar verweisen auf den laufenden Strategie-Prozess in der Partei. Ebenfalls aus Gewerkschafts-Kreisen war am Montag zu hören, dass SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, gleichsam als Zwischenlösung, die Parteiführung und auch den Kanzlersessel übernehmen könnte.

Schieder wurde auch in der Vergangenheit immer wieder als möglicher Nachfolger Faymanns gehandelt. Ob der von der Parteibasis mehrheitlich herbeigesehnte personelle und programmatische Wechsel, der ein Ende der roten Depression einläuten soll, mit dem langjährigen SPÖ-Klubchef an der Spitze tatsächlich gelingen kann, ist fraglich. Eine Monate lang dauernde Interimslösung würde zudem die Krisensituation der Partei verlängern. Dass es zu dieser Variante kommt, ist aber eher unwahrscheinlich.

Variante 2: Außenseiter Zeiler

Fast schon stereotyp wurde der ehemalige ORF-Generaldirektor und jetzige Turner-International-Manager Gerhard Zeiler in Interviews nach seinen Ambitionen auf den SPÖ-Chefsessel gefragt. Ebenso stereotyp seine Antwort: "Wenn die Partei mich braucht, stehe ich zur Verfügung." Dem erfolgreichen Medienmanager und gebürtigen Wiener Zeiler werden seit geraumer Zeit Ambitionen auf den höchsten Posten in der SPÖ nachgesagt. Immer wieder soll er sich hinter den Kulissen selbst ins Spiel gebracht haben, wenn, wie so oft in den vergangenen Jahren, öffentlich über ein mögliches Ende der Ära Faymann spekuliert wurde.

Vor allem der linke Flügel der Partei aber steht einem möglichen neuen Parteichef und Kanzler Zeiler skeptisch bis ablehnend gegenüber. "Sollte er Kanzler und Parteichef werden, trete ich sofort aus der Partei aus. Das wäre das Ende. Sie sehen ja, was Zeiler aus dem ORF gemacht hat", sagte ein prominentes SPÖ-Mitglied aus dem linken Flügel der Partei vor dem Wiener Landesparteitag gegenüber der "Wiener Zeitung".

Zeiler gilt vor allem als Kandidat der Wiener Landespartei. Seine Chancen, tatsächlich Werner Faymann zu beerben, sind aber aufgrund seiner langen Abwesenheit vom politischen Parkett und seiner langjährigen Tätigkeit im Ausland als gering.

Variante 3: Favorit Kern

Rund um den Parteivorstand am Montag ist dem Vernehmen nach der Name Zeiler nicht gefallen. Ein Name ist dafür in aller Munde: ÖBB-Chef Christian Kern gilt allseits als Favorit für den SPÖ-Vorsitz und den Kanzlersessel.

Schon vor Monaten war aus SPÖ-Kreisen zu hören, dass der erfolgreiche Manager und ÖBB-Chef dem Kanzleramt und der Parteispitze durchaus nicht ablehnend gegenüberstehen würde. Allerdings habe Kern wenig Interesse, mitten in der Parteikrise zu übernehmen. Viel eher könne er sich vorstellen, erst mit Beginn des Wahlkampfs zu übernehmen - verständlich, wenn man bedenkt, dass der Manager Kern, sollte er nicht reüssieren, nicht mehr auf seinen ÖBB-Posten zurückkehren könnte.

Sollte Kern am Dienstag kommender Woche vom SPÖ-Präsidium tatsächlich als Nachfolger Faymanns designiert werden, warten auf ihn eine Reihe schwieriger Herausforderungen. Es gilt den Richtungsstreit in der Asylfrage beizulegen, eine Linie zu finden, die Landeschefs zur Einheit zu rufen und einen nachhaltigen Erneuerungsprozess einzuleiten. Ein Bundeskanzler Christian Kern würde auch automatisch eine größere Regierungsumbildung zur Folge haben - Kanzleramtsreform inklusive.

Die größte Herausforderung für Kern wird jedoch sein, in der SPÖ interne Mitbestimmung wieder möglich zu machen. Auch hinsichtlich des ausgedünnten Parteinachwuchses muss Kern den Dialog zur Basis anders führen, als sein Vorgänger.