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Die Kern-Wende

Von Marina Delcheva

Politik

Kanzlerfrage: ÖBB-Chef Kern fliegen reihenweise Unterstützungserklärungen aus den Bundesländern zu. Medienmanager Zeiler hat allerdings den mächtigen Häupl auf seiner Seite.


Wien. Bis vor Kurzem war die entscheidende Frage unter SPÖ-Genossen: Und, wie halten Sie’s mit Faymann? Muss er weg, oder stimmt der Kurs doch? Heute, nach Werner Faymanns Rücktritt als Kanzler und SPÖ-Vorsitzender, ist die alles entscheidende Frage: Team Kern oder Team Zeiler? Und diese spaltet die Landesorganisationen und löst eine kleine Revolte der SPÖ-Südwest-Achse gegen Wien und das Burgenland aus.

Nach den Spekulationen der vergangenen Tage sind nur noch zwei Namen im Rennen um das Bundeskanzleramt, wie aus SPÖ-Kreisen zu hören ist: ÖBB-Vorstand Christian Kern sowie Medienmanager und ehemaliger ORF-General Gerhard Zeiler. Und beide haben durchaus mächtige Unterstützer und gute Argumente auf ihrer Seite.

Zweifellos als Favorit gilt derzeit Christian Kern. Der smarte und charismatische Bundesbahnen-Boss wird schon länger als Kanzlerreserve gehandelt. In der Flüchtlingskrise des vergangenen Sommers hat er sich als ruhiger und empathischer Macher hervorgetan. In einer Zeit, in der eigentlich nichts funktionierte, funktionierten die ÖBB, die im Stundentakt und ohne gröbere Vorkommnisse tausende Schutzsuchende weiter nach Deutschland brachten und auf ihren Bahnhöfen beherbergten. Er ließ "Mitmenschlichkeit fährt Bahn" auf Broschüren drucken und sagte in einer "ZiB"-Sendung: "Die Menschen haben nur das Nötigste, da ist es sinnvoll, bei der Kontrolle ein Auge zuzudrücken."

Kann Kern Kanzler?

Und alle jubelten. In den sozialen Medien und in der Presse überschlug sich das Lob ob der Führungsqualitäten des ÖBB-Managers in der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Jubel kann die SPÖ gerade gut gebrauchen. Die Wahlschlappe von Rudolf Hundstorfer - er kam im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl auf gerade einmal elf Prozent - hat die Partei massiv geschwächt. Intern ist ein Streit über den Flüchtlingskurs der SPÖ und der Frage, ob man mit der FPÖ koalieren soll, ausgebrochen. Da käme ein neuer Kanzler, dem (noch) Sympathien zufliegen gerade recht. Weil er keinem SPÖ-Flügel eindeutig zuordenbar ist, hoffen nun einige Genossen auf seine Vermittlerqualitäten.

Länder gegen Häupl

Ein SPÖ-Landesparteichef nach dem anderen prescht seit Montag mit Unterstützungserklärungen für Kern vor. Der steirische SPÖ-Landesparteivorstand hat sich bei einer Sitzung Dienstagvormittag geschlossen für Christian Kern als Nachfolger von Faymann ausgesprochen. Auch die Kärntner SPÖ unterstützt offen Kern. "Der Vorstand hat auf meinen Antrag hin einstimmig für Christian Kern votiert", sagte Landeshauptmann Peter Kaiser.

Ebenso die Vorarlberger SPÖ, die am Dienstagabend über eine Unterstützung Kerns votierte. "Er bringt das mit, was wir für die Zukunft brauchen", sagte der Vorarlberger SPÖ-Landesparteichef, Michael Ritsch, im Gespräch. Unterstützungsbekundungen für den ÖBB-Boss kommen auch aus Tirol und Salzburg. Die niederösterreichische SPÖ hat sich in einem Beschluss auf Kern festgelegt. Dem Vernehmen nach sollen sich zuletzt auch mächtige Gewerkschafter wie Wolfgang Katzian, Vorsitzender der GPA und der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter, Rainer Wimmer, Vositzender der Eisenbahner-Gewerkschaft, sowie der vida-Vorsitzende Gottfried Winkler auf Kerns Seite geschlagen haben.

Nur zwei SPÖ-Landeschefs schweigen noch: Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Als Favorit Häupls gilt Medienmanager Gerhard Zeiler. Der hat sich in der Vergangenheit auch aktiv als Kanzlernachfolger ins Spiel gebracht. Aus SPÖ-Kreisen ist zu hören, dass auch Niessl Zeiler favorisieren könnte.

Dass Kern quasi alle anderen auf seiner Seite hat, muss noch nicht die Kanzlerschaft bedeuten. Denn Zeiler hat mit Häupl den derzeit mächtigsten Mann in der SPÖ hinter sich. Der langjährige Medienmanager machte nach seiner Ära als ORF-Intendant den Privatsender RTL zur Nummer eins in Deutschland. Seit 2012 managed Zeiler die Time-Warner-Tochter Turner in London, zu der Sender wie CNN und TNT gehören. Auch er gilt in der Partei, trotz seiner langjährigen Abwesenheit aus Österreich, als bestens vernetzt.

Dass sich die Bundesländer südlich und westlich von Wien medienöffentlich für Kern aussprechen, gleicht einer Revolte gegen die mächtigen Länderchefs Häupl und Niessl. Innerhalb der Partei will man das so natürlich nicht interpretieren. "Es geht darum, hier den geeignetsten Kandidaten zu finden", sagt Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden.

Einigung jederzeit möglich

Für Freitag haben die SPÖ-Landesparteichefs in Wien ein Treffen fixiert, um einen Kandidaten zu bestimmen. Dass einige Länder mit einstimmig gefassten Unterstützungserklärungen, die auch von den Gewerkschaftern in den Ländern mitgetragen wurden, für Kern kommen, erhöht den Druck auf Häupl. Falls dieser doch noch einlenkt, könnte die Entscheidung für einen neuen Kanzler auch früher fallen, heißt es aus involvierten Kreisen. Am Dienstag soll dann der 70-köpfige Parteivorstand über die Nachfolge Faymanns abstimmen.