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Erleichterung, Lob und etwas Kritik

Von Simon Rosner

Politik

Jene Kräfte, die Christian Kern zum Parteichef machen wollten, sind nach der Entscheidung erleichtert. Und auch aus der ÖVP kommen wohlwollende Stimmen - und Kritik am eigenen Klubchef.


Wien. Schweigen war am Donnerstag in den Reihen der SPÖ eine Option. Und tuscheln, natürlich. Nur wenige Minuten nach der Entscheidung zugunsten von ÖBB-Chef Christian Kern als neuen SPÖ-Vorsitzenden und künftigen Kanzler machten schon erste Ministerlisten die Runde. Der Steirer Jörg Leichtfried, derzeit Landesrat für Verkehr, soll Gerald Klug im Infrastrukturministerium beerben, Sonja Wehsely aus dem Wiener Gesundheitsressort in jenes des Bundes wechseln. Monika Kircher, die ehemalige Infineon-Chefin, und wie "Kernmacher" Peter Kaiser aus Kärnten, wird für das Bildungsressort ins Spiel gebracht. Kircher, vormals Kircher-Kohl, hat 2011 das Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch unterstützt.

Sabine Oberhauser (als neue Sozialministerin) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil könnten demnach als Einzige aus der derzeitigen Ministerriege der SPÖ den Chefwechsel hin zu Kern überleben. Doch vermutlich wird bis Dienstag, wenn Kern auch formal durch den Parteivorstand bestätigt wird, viel herumgeschoben und wieder zurückgeschoben und werden neue Namen auftauchen, die Teil- und Länderorganisationen gerne in der Regierung sehen würden.

Wenn keine weiteren Überraschungen passieren, wird Christian Kern am Mittwoch als 13. Bundeskanzler der Republik von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt werden. Auch die neuen Ministerinnen und Minister werden dann in der Hofburg ihren ersten Auftritt absolvieren. Anschließend präsentieren sie sich dem Nationalrat.

Geredet hat am Donnerstag Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten und einer der Architekten des Parteichefwechsels. "Es war eine positive Situation, zwischen zwei hervorragenden Persönlichkeiten wählen zu können. Kerns permanente Präsenz in Österreich und die erfolgreiche Führung der ÖBB waren ein starkes Asset", sagt Kaiser zur "Wiener Zeitung". Dass die Entscheidung schneller als ursprünglich geplant gefallen sei, wertete Kaiser auch als positiv. "Das gibt schon ein gutes Gefühl, dass wir so schnell entschieden haben." Dass Kern keine Erfahrung in einem gewählten Amt in der Politik aufweisen kann, sei kein Problem, so Kaiser: "Es ist nicht die Norm, aber er war und ist in einem direkten politischen Umfeld tätig, insofern ist es für ihn nichts Neues."

Das sieht auch Gewerkschafter Josef Muchitsch so. Der Nationalratsabgeordnete hat sich schon früh für den ÖBB-Chef deklariert: "Er hat einen Riesenvorteil, unbeeinflusst in die österreichische Politikarena zu kommen. Er hat bei all seinen Stationen soziale Kompetenz bewiesen und danach gehandelt, und zwar bei Gesprächen mit Mitarbeitern in der Werkstatt wie im letzten Stock des Unternehmens." Kern, sagt Muchitsch, sei eine große Chance für die SPÖ. "Er gestaltet, wo es notwendig ist und trifft Entscheidungen. Und rhetorisch kann er in wenigen Sätzen die Sache auf den Punkt bringen."

Kern bekommt aber nicht nur lobende Worte aus den eigenen Reihen vor seinem Amtsantritt als Kanzler serviert, auch aus der ÖVP kommen durchaus wohlwollende Stimmen. "Das ist eine Chance, nach mehrjährigem Stillstand zum Aufbruch zu kommen", sagt Christoph Leitl, Chef der Wirtschaftskammer.

Dass ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka am Mittwoch in Ö1 dem künftigen Kanzler quasi eine schlechte Vorred’ anhängte, hat am Donnerstag zu einem Verweis aus der eigenen Partei geführt- und zwar in aller Öffentlichkeit. Generalsekretär Peter McDonald bezeichnete die Aussagen Lopatkas, der Kern einen "teuren Manager" nannte, als "alten Stil". Er, McDonald, erhoffe sich durch den Wechsel an der Spitze der SPÖ einen Neubeginn für die Regierung.

Die Kritik von Lopatka an Kern treibt auch Muchitsch die Zornesröte ins Gesicht.

Muchitsch kontert Lopatka

"Das ist grauslich und unverschämt", sagt er. "Das ist ein Stil, der viele Menschen abschreckt, sich für die Politik zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen diesen Dobermannstil nicht. Alle diese Typen, und zwar egal von welcher Partei, sollen sich wirklich einmal in den Spiegel schauen und fragen, wie es ihnen ergehen würde, wenn andere so agieren wie sie. Sogar im Fußballstadion ist man gnädiger. Da werden die Spieler nämlich bei schlechten Leistungen ausgepfiffen und nicht, wenn sie aufs Spielfeld laufen."

Lopatka blieb zumindest in dieser Woche aber die einzige sehr kritische Stimme zu Kern aus Richtung der ÖVP. Möglich, dass sich die Neuwahl-Ideen, die Anfang der Woche gewälzt wurden, und zwar durchaus bei beiden Koalitionsparteien, wieder zunehmend in den Hintergrund rücken. Zumindest lassen sich die Aussagen McDonalds in dieser Hinsicht interpretieren. Viel wird wohl vom Neustart und den ersten Gesprächen zwischen Kern und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in der kommenden Woche abhängen. Mitterlehner sorgte bereits für gutes Klima: Er attestierte Kern in der "SN" "Managementqualitäten" und glaube daher, dass er und Kern persönlich "nicht schlecht zusammenpassen". "Ich bin ebenfalls ein Organisationstyp", er hoffe, "dass wir uns gut ergänzen". Das erste Treffen von Kern und Mitterlehner soll schon vor der Angelobung stattfinden, gestern traf der Vizekanzler nur mit SPÖ-Interimschef Häupl zusammen und überbrachte ihm die Wünsche der ÖVP in Sachen: Standortpolitik, Flüchtlinge und Reform der Mindestsicherung.