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Ein "New Deal" statt vieler "halber Sachen"

Von Werner Reisinger

Politik

Ökonomen sehen Chancen auf besseres Wirtschaftsklima. Arbeitslosigkeit bleibt aber Hauptproblem.


Wien. Manche mögen seine Vorhaben als zu "optimistisch" abstempeln, sagte der frischgebackene Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern in seiner ersten öffentlichen Rede am Dienstag noch vor seiner Angelobung. Was vom neuen Hoffnungsträger der Regierung erwartet wird, ist in der Tat beträchtlich: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Asylpolitik, Wirtschaftsentwicklung, Bildung - allesamt Bereiche, in denen dringender Handlungsbedarf besteht. Einen "New Deal für Österreich" will Kern deshalb ausarbeiten.

ÖVP-Chef und Vizekanzler Mitterlehner zeigte sich am Dienstagabend optimistisch, dass der Reformstau durch Kerns Bestellung aufgebrochen werden könnte und formulierte gleich erste zentrale Anliegen. Der Wirtschaftsstandort Österreich müsse aufgewertet werden, ein unternehmerfreundliches Klima geschaffen werden. Es sei die letzte Chance für die große Koalition, so Mitterlehner. Wo kann das neue Regierungsteam unter Christian Kern rasch konkrete Akzente setzen, wo ist nur längerfristig mit wirksamen Impulsen zu rechen, und wo wird es schwierig?

Positive Stimmung wichtig

Dass Kern allen Skeptikern zum Trotz gut daran tut, im Land eine optimistische Stimmung zu schüren, davon ist Helmut Hofer, Ökonom am Institut für Höhere Studien (IHS), überzeugt. "Die Wirtschaftsstimmung ist nicht nur bei uns, sondern auch international sehr schlecht. Auch bei den Konsumenten herrscht eher Pessimismus", sagt Hofer. Hier ein Zeichen für einen neuen Aufbruch zu setzen, begrüßt der Wirtschaftsexperte, besonders für Unternehmen sei eine positive Grundstimmung wichtig, denn ohne Investitionen schwinden die Chancen auf höheres Wirtschaftswachstum dahin.

Und diese Chancen schätzt Ökonom Hofer ohnehin als recht gering ein, immerhin sei die heimische Entwicklung sehr stark an die internationale Entwicklung gebunden, Österreichs Handlungsspielraum sei gering. Wo also konkret ansetzen? So wichtig die Steuerreform auch gewesen sei, für eine laut Hofer dringend wichtige Senkung der Lohnnebenkosten und damit einer Entlastung des Faktors Arbeit habe man, anders als noch vor einigen Jahrzehnten, diesmal kein Geld aufgehoben. Gerade auf solche Maßnahmen müsse aber ob der schwierigen internationalen Wirtschaftslage und der historisch hohen Arbeitslosigkeit aber besonders gesetzt werden, ist Hofer überzeugt. "Vor 15 Jahren waren wir eines der unternehmensfreundlichsten Länder in Europa. In letzter Zeit wurde aber viel auf Rhetorik, auf die Themen Verteilungsgerechtigkeit und Steuern gesetzt. Für die Wirtschaft wurde insgesamt kaum etwas getan", sagt Hofer. Einen weiteren Impuls für mehr Jobs könnte eine Arbeitszeitflexibilisierung bringen. Hätten Unternehmen bisher, in Absprache mit den Betriebsräten und an der Gewerkschaft vorbei, ohnehin schon flexible Regelungen getroffen, so sei dies jetzt nicht mehr möglich. Ein neues Gesetz zur Arbeitszeit könnte Erleichterung bringen, so Hofer.

Vorteile vermitteln

Als "Gesamtpaket" versteht der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, Kerns Diktum vom "New Deal für Österreich". Anstatt kleiner, halbherziger Einzelreformen werde Kern ein ganzes Konzept erarbeiten, so Aigingers Erwartungen. "Beispiel Energie: Denkt man über höhere Besteuerung von fossilen Brennstoffen nach, wird die Gewerkschaft ebenso wie die Wirtschaft dagegen sein. Kerns große Aufgabe wird sein, beiden Seiten zu vermitteln, dass es besser ist, hier einzulenken, dass die Nachteile einer Maßnahme anderswo durch zwei Vorteile aufgewogen werden. Man sollte keine halben Sachen mehr machen", so der Wifo-Chef.

Die Chancen, dass die hohe Arbeitslosigkeit spürbar zurückgeht, sind laut dem Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker aber dennoch gering. Der Grund sei das große Angebot an Arbeitskräften, das trotz neu geschaffener Jobs nicht aufgefangen werden könne. Bei Initiativen im Wohnbau würden hauptsächlich Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland zum Zug kommen, ist Scheiblecker überzeugt.