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Der neue Stil

Von Nina Flori

Politik

Die Begeisterung von Bundeskanzler Kern macht auch vor der ÖVP nicht Halt - die Regierung ist in Aufbruchsstimmung.


Wien. So zuversichtlich und ausgelassen wie beim ersten Ministerrat des neuen Bundeskanzlers Christian Kern haben sich die Ministerinnen und Minister an einem Mittwochmorgen selten gezeigt - zumindest all jene, die im Amt bleiben. Die vier, die gehen mussten, waren eher gedrückter Stimmung.

Der von Christian Kern ausgehende Optimismus hat nicht nur die eigenen Reihen erfasst, auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner schlug am Mittwoch ganz andere Töne an als noch beim Ministerrat eine Woche zuvor. Vor acht Tagen ging die ÖVP auf Konfrontationskurs. Da war von fünf Punkten die Rede, die der neue Kanzler zu akzeptieren habe: den Kurs in der Asylpolitik beizubehalten, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, ein mittelfristiges Reformpaket für die Bereiche Bildung, Pensionen und Gesundheit, die Einbindung bestimmter Gruppen bei wichtigen Themen und eine andere Kultur, was die Zusammenarbeit innerhalb der Regierung betrifft.

Im letzten Punkt hat man offensichtlich ausgezeichnet zusammengefunden. Bereits am Dienstag sprach Kern bei seiner Antrittspressekonferenz von einem "neuen Stil", den es in der Politik zu etablieren gelte.

Künftig wolle man Meinungen gemeinsam erarbeiten und Differenzen nicht in der Öffentlichkeit austragen, sagte Mitterlehner vor dem Ministerrat. "Ich glaube, es ist notwendig, dass wir diesen Stil des Querschießens vor allem im engeren Bereich, sprich: auf der Ebene der beiden Klubs und der Regierung, ändern und uns anders verhalten." Ein deutlicher Rüffel für ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka. Die Chemie zwischen ihm, Mitterlehner, und Kern stimme, erklärte der Vizekanzler. Man habe eine gemeinsame Wellenlänge gefunden.

Karmasin zeigt sich euphorisch

Geradezu euphorisch reagierte Familienministerin Sophie Karmasin auf den neuen SPÖ-Kanzler. "Ich freu mich riesig, ich kenne Christian Kern noch aus meiner Vergangenheit als Meinungs- und Motivforscherin und schätze ihn fachlich sehr", sagte sie. Sie sei sehr gespannt auf die Zusammenarbeit.

Auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) freute sich auf einen Neustart und darüber, dass der neue Kanzler in der Asylpolitik auf Linie bleibt.

Den positiven Tönen schloss sich auch Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) an. Er lobte Kern dafür, dass er bei seiner ersten Rede am Dienstag einen wirtschaftlichen Schwerpunkt gesetzt habe. Rücktrittsgerüchten um seine Person setzte Schelling ein Ende: "Schauen sie mich an. Fragen sie mich das in zwei Jahren wieder. Ich bin energiegeladen, voller Elan." Er sei zuversichtlich, dass die Regierung noch bis 2018 arbeite und er Finanzminister bleibe, erklärte Schelling.

Nur ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka versuchte, möglichst schnell an den Journalisten vorbeizukommen, und gab sich wortkarg. Lopatka hatte Kern vergangene Woche im Ö1-"Morgenjournal" als "sehr teuren ÖBB-Manager" bezeichnet, der höhere Gehaltsabschlüsse als im Öffentlichen Dienst habe, und sich dafür Kritik in den eigenen Reihen eingehandelt. Auf die Frage, ob er seiner Partei damit geschadet habe, sagte Lopatka: "Ich habe immer versucht, der ÖVP zu nutzen." Sein Blick sei nach vorne gerichtet.

Gedrückt war die Stimmung bei den scheidenden SPÖ-Regierungsmitgliedern: Kanzleramtsminister Josef Ostermayer sagte, er sei traurig, er habe den Job sehr gerne gemacht. Er kündigte an, die Politik zu verlassen.

Steßl wirkte wehmütig

Auch Staatssekretärin Sonja Steßl wirkte wehmütig. Sie finde es schade, dass sie ihre Pläne im Bereich der Digitalisierung nicht vollenden konnte, blicke aber zufrieden auf Vollbrachtes zurück. Sie wird in den Nationalrat zurückkehren, ebenso die abgelöste Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Ex-Infrastrukturminister Gerald Klug. Heinisch-Hosek will am 24. Juni zudem bei der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz erneut für den Vorsitz der SPÖ-Frauen kandidieren. Das sagt Frauen-Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner zur APA.

Der neue Bundeskanzler selbst hielt sich am Mittwoch bedeckt. Kern zeigte sich weder vor noch nach dem Ministerrat den versammelten Medienvertretern. Heute, Donnerstag, wird Kern vor den Nationalrat treten und eine offizielle Regierungserklärung abgeben.

Angelobung der Neuen

Zu Mittag lobte Bundespräsident Heinz Fischer im Beisein von Kern und Mitterlehner die neuen Regierungsmitglieder an. Jörg Leichtfried wurde zum neuen Infrastrukturminister ernannt. Sonja Hammerschmid ist die neue Bildungsministerin und übernimmt vorerst auch das Frauenressort, das später an Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser übergehen soll. Thomas Drozda wurde zunächst als Minister ohne Portefeuille angelobt, er wird im Kanzleramt nach Änderung der Ministeriengesetze unter anderem für Kultur zuständig sein. Muna Duzdar wurde zur Staatssekretärin für Diversität, Beamte und Digitalisierung im Kanzleramt ernannt. Sie betonte, als erste Muslima in einer Regierungsfunktion, gleich vorweg, nicht über ihre Religion definiert werden zu wollen. Diese sei schließlich Privatsache.