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Traiskirchen zu Gast im Wiener Rathaus

Von Valentine Auer

Politik
Farah Naz aus Pakistan ist eines von sieben Flüchtlings-"Models", die für die Ausstellung fotografiert wurden.
© Tom Platzer

Tom Platzer fotografierte Flüchtlinge, um den täglichen "hässlichen Bildern" zu trotzen. Die Ausstellung läuft bis 10. Juni.


Wien. Ein sonniger Tag im Prater. Der Vorsitzende des Wiener Kulturausschusses Ernst Woller und Fotograf Tom Platzer treffen sich zum gemeinsamen Laufen. Es ist die Zeit, in der Traiskirchen und das dazugehörige Flüchtlingsthema Medien, Gesellschaft und Politik nicht loslassen wollen. Wollers Idee, welche beim gemeinsamen Lauf entstand, war daher naheliegend: Menschen auf der Flucht sollten vor die Kamera geholt werden.

Am 21. September war es so weit: Gemeinsam mit der Designerin Imma Baumgartner und ihrer Mode im Gepäck machte sich Tom Platzer auf den Weg nach Traiskirchen zu einem Fotoshooting. Nun gibt es das Ergebnis im Rahmen einer Fotoausstellung im Wiener Rathaus zu sehen.

"I am so happy!" Die 23-jährige Farah Naz aus Pakistan wird nicht müde, diese Worte zu wiederholen. Sie ist eines der sieben abgelichteten Models. Über das ganze Gesicht strahlend, versprüht sie spürbare Lebensfreude durch den Wappensaal des Wiener Rathauses. Eben diese Lebensfreude ist es, die sie sich in Österreich erhofft und gefunden hat. "Ich bin geflüchtet, weil es für Frauen in Pakistan schwierig ist. Wir dürfen nicht rausgehen und wenn, dann voll verschleiert. Nach der Scheidung von meinem Mann verschlimmerte sich die Situation. Für mich war das kein Leben. Jetzt bin ich hier und spüre das Leben. Das hier ist Leben", erzählt Farah Naz begeistert.

Eine erste Etappe ihrer Flucht führte die Pakistani mit ihrer vierjährigen Tochter in den Iran. Dort ginge es den Frauen besser, erzählt sie weiter, aber als Flüchtling gäbe es auch im Iran keine Perspektiven. An die Zukunft ihrer Tochter denkend, flüchtete die junge Frau weiter - übers Mittelmeer und den Balkan, bis Tochter und Mutter schließlich in Österreich, in Traiskirchen, ankamen.

Musste sie ihr Gesicht auf den Straßen Pakistans noch verbergen, ist es nun für die Wiener Bevölkerung im Rathaus sichtbar. Ihr ausdrucksvoller Blick auf einem der Fotos erzählt von Kraft und Erfahrung der erst 23-Jährigen und lässt die Betrachter nicht los. Auf einem weiteren Foto blickt Farah Naz hoffnungsvoll nach oben, Richtung Himmel. Heute lebt sie in Linz, ihre derzeit größte Hoffnung: ein positiver Asylbescheid für sie und ihre Tochter.

Schönheit zeigen

Eine Art Gegenpol zu zeigen, wenn es um Bilder geflüchteter Menschen geht, und dabei eine Geschichte zu erzählen, die Schönheit und Stolz in den Mittelpunkt rückt - das sei das Ziel, des Fotoshooting und letztendlich der Bilder gewesen, erklärt Tom Platzer: "Es wäre viel einfacher gewesen, einen Flüchtling am Stacheldraht mit einem leeren Plastiksackerl in der Hand zu fotografieren. Doch das würde für uns Voyeurismus bedeuten. Wir haben die Gegenseite erkundet, Menschen auf der Flucht in den Mittelpunkt gestellt und sie mit ihrem ganzen Stolz, mit ihrer ganzen Schönheit gezeigt."

Die Bilder sollen, so, wie es die von Farah Naz zweifellos kraftvoll tun, Hoffnung auf eine Zukunft geben. Im krassen Gegensatz zu diesen "schönen Bildern" im Rathaus stehen die uns bekannten Bilder, die Elend und Not der Menschen auf der Flucht dokumentieren: Jene Bilder, die nahezu täglich auf den Fernsehbildschirmen flimmern, in den Tageszeitung abgedruckt werden oder sich in sozialen Medien viral verbreiten.

Hässliche Bilder, die der 17-Jährige John, ein Flüchtling aus Nigeria, nicht nur aus den Medien kennt, sondern selber gesehen hat. Dass er in Traiskirchen vor Tom Platzers Kamera und ein halbes Jahr später bei der Eröffnungsfeier der Ausstellung dabei sein konnte, hat er einem italienischen Rettungsboot zu verdanken. Auf seinem Weg von Libyen nach Österreich ist sein Boot im Mittelmeer gekentert, er wäre fast ertrunken. Statt seine Leidensgeschichte in den Fokus zu rücken, entschied sich Platzer, die Schönheit des jungen Flüchtlings abzubilden. Auch in Johns Gesicht sind Kraft und Hoffnung deutlich erkenn- und spürbar.

Wie der gebürtige Fotograf Platzer die politischen Entwicklungen seit seinem Besuch in Traiskirchen wahrnimmt? Er wisse es nicht, zu lange lebe er schon im australischen Melbourne, sei zu viel unterwegs, zu wenig in Österreich. Es sei aber auch nicht seine Aufgabe, zu beurteilen, sondern aufzuzeigen. Denn "Kunst kommt nicht von können, Kunst kommt von müssen. Ich bin einer, der aufzeigen muss."

Die Ausstellung "Menschen auf der Flucht" ist bis 10. Juni im Stadtinformationszentrum im Rathaus zu sehen.