Zum Hauptinhalt springen

Eine Gemeinde verliert ihre Unschuld

Von Simon Seher

Politik

Nach dem Brandanschlag auf ein Asylheim steht Altenfelden unter Schock. Das Heim soll bald wieder aufgebaut werden.


Altenfelden. Bis Mittwoch war Altenfelden vor allem für seinen Tierpark bekannt, ein beliebtes Ausflugsziel im Norden des Mühlviertels. Der kleine Ort, eine halbe Stunde Fahrt von Linz entfernt, ist wie die meisten Orte im Mühlviertel umringt von Wald und Wiesen. Am Ortsplatz gibt es Wirtshäuser, Nahversorger und eine Bank. Gute 2000 Menschen leben hier, die meisten pendeln zum Arbeiten nach Linz.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch brannte es dann in Altenfelden. Bisher unbekannte Täter legten Feuer in einem Gebäude, in das in den nächsten Wochen 48 Flüchtlinge einziehen sollten. Neun Feuerwehren waren im Einsatz, doch sie konnten das Haus nicht mehr retten. Der Schock im Ort sitzt tief. Niemand rechnete mit so einem Anschlag.

"Moslems haben hier nichts verloren"

Auch nicht die zehn Männer, die am Tag nach dem Brandanschlag am Ortsplatz am Stammtisch sitzen. Sie trinken Bier und rauchen Zigaretten. Ob sie für oder gegen das Flüchtlingsheim wären, sei egal, erzählen sie: "Uns fragt sowieso niemand. Das ist keine Demokratie mehr", sagt einer. Die anderen nicken. Ein Mann mit kinnlangen, zurückgekämmten weißen Haaren nimmt einen Schluck Bier und setzt an: "Moslems haben hier nichts verloren, die passen nicht zu unserer Kultur. Man sieht doch, was diese Leute in Wien alles anstellen." Nachsatz: "Das ist aber noch lange kein Grund, ein Gebäude anzuzünden." Die Runde stimmt zu. Man merkt, dass die Menschen am Stammtisch - und wohl nicht nur dort - schon genug vom Thema "Flüchtlinge" haben. Seit Monaten drehte sich alles darum.

Den Bürgermeister stellt in Altenfelden seit jeher die ÖVP, im Gemeinderat hat seine Partei die absolute Mehrheit. Die FPÖ ist traditionell stark hier. Bei der Gemeinderatswahl im September 2015 wählte jeder Vierte die Freiheitlichen. Trotzdem werde so gut wie jeder Beschluss im Gemeinderat einstimmig gefällt, sagt Bürgermeister Klaus Gattringer (ÖVP).

Er sitzt in seinem Büro im Marktgemeindeamt und lässt die Mittagspause ausfallen. "Nein, ich komme nicht zum Essen", sagt er seiner Frau. Gattringer stand in der Nacht des Brandes um 4 Uhr Früh auf und schlief seither nicht. Er kann nicht. "Ich kann nicht glauben, dass so eine Realität in meiner Gemeinde angekommen ist", schüttelt Gattringer den Kopf und streicht sich dabei durch seinen grau melierten Vollbart. Als in Deutschland die ersten Flüchtlingsheime brannten, dachte er das sei "ganz weit weg von uns".

Seit zwei Jahren ist der 50-Jährige Inhaber einer Kfz-Werkstatt Bürgermeister von Altenfelden. Anfang Februar organisierte er eine Informationsveranstaltung zum geplanten Flüchtlingshaus. Am Podium saßen Vertreter vom Land Oberösterreich, vom Roten Kreuz und von der Polizei. "Ich dachte, wir hätten den Leuten damals die Angst genommen", sagt Gattringer. Man müsse sich nicht für die Flüchtlinge engagieren, aber sie seien auch keine Bedrohung. Die Unterbringung von Schutzsuchenden sei für ihn als Christ selbstverständlich. Einen Container voller Kleidung, Spielzeug und Bettwäsche spendeten die Altenfeldener. Die Spenden blieben vom Brand verschont, sie wurden noch nicht in das Flüchtlingshaus gebracht.

Wiederaufbau soll so bald als möglich beginnen

Als er, wenige Stunden, nachdem der Brand ausgebrochen war, gefragt wurde, ob er dafür wäre, das Flüchtlingshaus wieder aufzubauen, hatte er keine Antwort darauf. Nach einem Telefonat mit den Verantwortlichen des Roten Kreuzes war allerdings klar: Das Haus wird wieder aufgebaut. "Die Arbeiten sollen so bald wie möglich beginnen", erklärt Walter Aichinger, der Präsident des Roten Kreuzes in Oberösterreich. "Ende August werden 48 Flüchtlinge in Altenfelden einziehen."

Der für Integration zuständige Landesrat Rudi Anschober (Grüne) sieht den Anschlag als "Zäsur". Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" kündigt er an, "keinen Millimeter" vom Kurs abzuweichen und fordert eine schnelle Ausforschung der Täter dieses "feigen Anschlags". Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten sei in den letzten Jahren erheblich gestiegen, so Anschober. Deshalb wird er bei der nächsten Sitzung der Landesflüchtlingsreferenten - die kommenden Montag stattfindet - einen Antrag stellen, ein bundesweites Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus zu schnüren: "Vor allem in Schulen und in den sozialen Medien soll diesem Thema mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden." Auch Kanzler Christian Kern zeigte sich ob der Anschläge "zutiefst geschockt und entsetzt". Er mahnte einen ruhigen, unaufgeregten Umgang mit den Asylthema ein.

Irene Wurmprechtl lebt seit zwanzig Jahren in Altenfelden. Auch sie hätte nicht geglaubt, dass es so weit kommen würde: "Das abgebrannte Haus ist ein menschlicher Schandfleck", der Wiederaufbau sei die einzig logische Konsequenz. Auch in der Volksschule ist der Brand des Flüchtlingshauses ein großes Thema. Erst letzte Woche feierte man hier das Fest "Vielfalt schafft Kultur - Kultur schafft Vielfalt". Die VS Altenfelden ist eine Musikvolksschule, seit Jahren ist dort das "Sonderpädagogische Zentrum" für Schüler mit Beeinträchtigung angesiedelt. Am Tag nach dem Brand arbeiteten die Kinder das Erlebte künstlerisch auf. Die Zweitklässler etwa malten bunte Bilder und schrieben kurze Texte dazu. Auf den Bildern sieht man viel Feuer und Löschfahrzeuge.

"Flüchtlinge sind eine Bereicherung"

Zwei Kilometer entfernt liegt Neufelden. Dort leben seit 30 Jahren Flüchtlinge. In der kleinen Volksschule gibt es Kinder aus acht verschiedenen Nationen. Jedes vierte Kind kommt aus einer Familie mit Fluchthintergrund. "Ohne diese Kinder hätten wir wohl nur drei Klassen in der Schule. Mit ihnen können wir fünf Klassen aufmachen", schildert Schuldirektor Josef Pühringer (mit dem gleichnamigen Landeshauptmann nicht verwandt). Das Miteinander funktioniere, sagt Pühringer: "Die Flüchtlinge sind eine Bereicherung für den Ort."

Die Sozialistische Jugend Rohrbach organisierte für kommenden Sonntag um 16 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto "Stellen wir ihrem Hass unsere Solidarität entgegen". Als Ort wählten die Jugendlichen das Altstoffsammelzentrum. Es liegt direkt neben dem, was vom Flüchtlingshaus noch übrig ist.