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Ein offenes Rennen

Von Brigitte Pechar und Walter Hämmerle

Politik

Acht Kandidaten stellen sich erstmals einem öffentlichen Hearing für das Amt des Rechnungshofpräsidenten.


Wien. Acht Kandidaten für das Amt des Rechnungshofpräsidenten stellen sich am Mittwoch in einem öffentlichen Hearing den 28 Abgeordneten des Hauptausschusses. Der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler (1992 bis 2004 Rechnungshofpräsident, davor sechs Jahre lang Vizepräsident) geht von einem offenen Rennen aus. Und zwar deshalb, weil denkbar sei, dass eine Pattsituation zustande komme: ÖVP und FPÖ kommen gemeinsam ebenso auf 14 Abgeordnete wie SPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach.

Die Favoritin

Helga Berger, die von der ÖVP nominiert wurde, startet als Favoritin ins Rennen um den RH-Chefsessel. Die jetzige Chefin der Budgetsektion im Finanzministerium und ehemalige Sprecherin des RH gilt auch für die FPÖ als wählbar, weil sie einst im Kabinett der ehemaligen FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer werkte. Dann bräuchte es nur noch eine weitere Stimme, etwa jene des Team Stronach. Ob Berger auch für die SPÖ akzeptabel ist, ist die spannende Frage, zumindest gilt sie hier nicht als rotes Tuch. Wählbar aus Sicht der Kanzlerpartei ist jedenfalls Viktoria Kickinger, die eigentlich von Grünen und Neos nominiert wurde, aber durchaus auch als SPÖ-nahe gelten kann. Zwar haben sich die Parteien eigentlich für eine Frau als neue Präsidentin ausgesprochen, doch sollten die mehrheitsfähigen Kandidatinnen im Hearing straucheln oder für den Fall einer Pattsituation hätte Gerhard Steger noch Außenseiterchancen. Der von SPÖ und Stronach nominierte frühere Budget-Sektionschef im Finanzministerium und nunmehrige Chef der Budgetsektion im Rechnungshof war ursprünglich Favorit, zumal der bekennende Sozialdemokrat auch in der ÖVP als Fachkraft unumstritten ist.

Was nun die Nominierung von Helga Berger als ÖVP-Kandidatin angeht, so könnte Klubchef Reinhold Lopatka für einmal das Opfer seines selbst gepflegten Images geworden sein. Am Dienstag warf SPÖ-Klubchef Andreas Schieder diesem vor, in der "Giftküche zu sitzen und zu versuchen, Zwietracht zu säen und ein billiges, mieses taktisches Spiel zu spielen". Tatsächlich aber, so heißt es aus der ÖVP, sei der Klubchef nicht der Mastermind hinter Bergers Nominierung gewesen, vielmehr soll er dieser anfangs sogar skeptisch gegenübergestanden sein. Wahrheit oder Dichtung?

Nach dem Hearing, das heute bis in die Abendstunden dauern könnte, beraten sämtliche Parlamentsparteien ihr weiteres Vorgehen für die Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstag, wo der oder eher die neue Präsidentin nominiert wird. Die endgültige Wahl erfolgt durch das Plenum am 15. oder 16. Juni mit einfacher Mehrheit der Abgeordneten.

Koalitionsbruch oder nicht

Ausschlaggebend, so beteuert man in den schwarzen Reihen, werde der Auftritt der Kandidaten im Hearing sein, wer hier versage, werde auch keine Mehrheit erhalten. Das gelte auch für Berger. Die ÖVP trifft sich um 19.30 Uhr zu einer Klubsitzung, bei der wohl mit Sicherheit auch Parteichef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner dabei sein wird.

Was bedeutet jedoch eine Entscheidung gegen die SPÖ für die Koalition und deren ausgerufenen Neustart? Im Regierungsübereinkommen ist explizit festgehalten, dass sich beide Parteien weder im Plenum noch in den Ausschüssen überstimmen dürfen. Ob die RH-Entscheidung einen Koalitionsbruch bedeutet, können aber nur SPÖ und ÖVP selbst feststellen. Möglichkeiten, den Bruch zumindest rhetorisch zu kitten, gäbe es jedenfalls. So ist der RH rein rechtlich ein Hilfsorgan des Parlaments und nicht der Regierung. Und würden SPÖ und ÖVP zwingend auf ein abgestimmtes Vorgehen pochen, dann hätte sich der Nationalrat die Sache mit den Hearings sparen können. Trotzdem lässt sich in die Abhaltung einer öffentlichen Präsentation keine Lizenz zum Überstimmen des Partners hineininterpretieren.

Schieder jedenfalls wollte sich am Dienstag nicht zu dieser Frage äußern: Zunächst gehe es um das Hearing, wichtig sei, dass sich der neue Präsident oder die Präsidentin auf eine möglichst breite Mehrheit von Regierungs- und Oppositionsabgeordneten stützen könne. Und Bundeskanzler Christian Kern meinte nach dem Ministerrat, es seien all gut beraten, die Texte zu lesen. Das habe er, erwiderte der danebenstehende Mitterlehner trocken.

Hauptsache unbeeinflussbar

Da es sich um eine politische Funktion handelt, gibt es für diese Position kein klar festgeschriebenes Anforderungsprofil. "Fachwissen braucht man eigentlich gar keines", sagt dazu der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler. Aber der ökonomische Bereich müsse ebenso abgedeckt werden können, wie ein juristisches Fachwissen vorhanden sein müsse. "Das bedeutet nicht, dass der RH-Präsident Jurist sein muss. Er muss sich aber, wenn er es nicht ist, schon zuvor mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit des Rechnungshofs vertraut machen." Die Kompetenzen des Rechnungshofs sind in der Verfassung festgelegt. Ebenso wie das Verfahren, was den Prüfungsablauf und die Berichterstattung betrifft, außerdem gibt es das Rechnungshofgesetz.

Die Erfahrung habe gezeigt, dass gewisse Fähigkeiten notwendig seien, sagte Fiedler. So müsse seine Argumentationsfähigkeit sehr stark sein, weil er ja keine Sanktionsfähigkeit habe, um seinen Empfehlungen zum Durchbruch zu verhelfen. Er müsse daher überzeugen können - sowohl gegenüber der geprüften Stelle oder eventuell gegenüber einem Minister und letztlich gegenüber den Abgeordneten im Nationalratsplenum. Er müsse die besseren Argumente haben und diese dann auch gut vorbringen können - eine gewisse rhetorische Beschlagenheit sei daher gewiss von Vorteil.

Entscheidend sei aber, dass der RH-Präsident gegenüber der Öffentlichkeit den Eindruck der Unbestechlichkeit, der Unbeeinflussbarkeit erwecke und vertrauenerweckend sei. Es müsse für ihn klar sein, für den Steuerzahler da zu sein, "denn es geht bei den Prüfungen immer darum, ob die Steuergelder zweckmäßig eingesetzt sind oder nicht".

Zusammengefasst, so der frühere Richter Fiedler, brauche der RH-Präsident folgende Eigenschaften: 1. Er muss eine Führungskraft sein, da der Rechnungshof mehr als 300 Mitarbeiter habe. 2. Er muss völlige Objektivität wahren. Sollte er eine Parteizugehörigkeit haben, darf er dieser keinen Raum geben. 3. Er muss ein starkes Rückgrat haben und allen Begehrlichkeiten entgegentreten. 4. Muss der RH-Präsident ein dickes Fell haben.