Wien. Bundeskanzler Christian Kern will auf der Seite jener stehen, die in der Zukunft Chancen sehen, keine Gefahren. Vor zwei Wochen folgte er deshalb auch der Einladung zum Pioneers Festival in der Hofburg, einer Zukunftskonferenz für innovative Ideen und Start-ups, und er brachte den Hoffnungsvollen eine klare Botschaft mit: Wir brauchen Euch. Die Förderung von Start-ups hätte "absolute Toppriorität", wie er bei seinem Vortrag betonte.

Doch wer und was sind diese Start-ups, die Österreich in eine große Zukunft führen sollen? Nicht jede Geschäftsgründung eines jungen Menschen ist per se ein Start-up. Es handelt sich dabei um Unternehmen, die innovative oder disruptive Technologie und Produkte anbieten und die in der Regel schnell wachsen wollen. Häufig müssen sie es auch, denn es könnte jemand anderer die gleiche Idee haben. Und gerade im Internet-Bereich läuft es oft ähnlich wie im Sport: "The winner takes it all." Aber dazu später.

Denn zuerst ist da nur eine Hoffnung, eine Idee. "Und eine Wette auf den Markt", wie Felix Häusler sagt. Häusler ist Mitgründer des Start-ups Grape, das Software für Firmenkommunikation entwickelt. In der ersten Phase, der Seed-Phase, muss das Produkt entwickelt werden, und das bedingt Kapital. Im weiten Feld der Digital Industry ist das nicht selten Humankapital: Es wird also die eigene Arbeitskraft investiert sowie eigenes Geld. Laut European Start-up Monitor ist dies bei neun von zehn Start-ups in Österreich der Fall.

Aber auch die öffentliche Hand greift unterstützend ein. Es gibt mehrere Fördertöpfe von Bund und Ländern, die beiden größten Töpfe (FFG und aws) verteilen jährlich rund 300 Millionen Euro. Etwa die Hälfte der Start-ups geben an, öffentliche Subventionen erhalten zu haben, auch Grape lukrierte diese. "Sie haben uns geholfen, das hier aufzubauen", sagt Häusler. Und auch Florian Gschwandtner, CEO und Co-Founder des Lauf-Apps Runtastic, lobt die heimische Förderlandschaft. "Hier gibt es wirklich viele Möglichkeiten, die wir auch in Anspruch genommen haben."

Runtastic gehört zu jenen Start-ups, die nach einer raschen Wachstumsphase von einem Konzern gekauft wurden. Erst stieg der Springer-Verlag ein, im Vorjahr übernahm dann Adidas das App für 220 Millionen Euro. In der Sprache der Branche ist das ein Exit: Investoren und/oder Gründer stoßen dabei ihre Unternehmensanteile ab.

Runtastic ist der Traum, der sich in dieser Größenordnung allerdings eben nur sehr selten erfüllt. Doch es ist unter anderem dieser Traum, der viele Gründer jahrelang bei geringem Einkommen rund um die Uhr arbeiten lässt, der ein besonderes Abenteuer verspricht und der auch Investoren, kleine wie große, in die Szene holt. Das ist dann Phase zwei, die Phase des Start-ups.

Beim Großteil dieser Unternehmen in Österreich dreht sich alles um das Thema Internet, doch spielt hierzulande auch Life Science eine Rolle, vor allem im Bereich Immunologie, wie Helmut Gassler vom Zentrum für Soziale Innovation erklärt. In Wien hat sich um das Institut von Josef Penninger ein Cluster gebildet, wenn man so will ein kleines Nischen-Silicon-Valley.

Das ist für Wien wichtig und ein Merkmal der Szene. Investoren gehen dorthin, wo es Wissen gibt - und Wissen dorthin, wo es Geld gibt. "Start-ups brauchen den Risikokapitalmarkt. Auf der anderen Seite gründet man lieber dort eine Idee, wo man eine Anbindung an die Szene hat", erklärt Gassler. Fast zwei Drittel aller Start-ups sind in Wien beheimatet. Was gut für die Hauptstadt ist, ist grundsätzlich jedoch eine Herausforderung, und zwar explizit für die Politik, weil sich die Arbeit an einem Ort verdichtet.

Deutlich mehr Risikokapital


Es ist diese zweite Phase, bei der es in Österreich viel Luft nach oben gibt. Nach einem massiven Einbruch an privaten Investitionen im Jahr 2013 hat sich der Einsatz von Risikokapital im Vorjahr wieder deutlich erhöht - von 13 auf mehr als 110 Millionen Euro. Das hat auch mit einem neuen Crowdfunding-Gesetz zu tun, das im Vorjahr in Kraft trat. Beim Venture-Kapital schneidet Österreich auch im EU-Vergleich nicht so schlecht ab. Der Großteil der Investments fließt jedoch in die "Later-Stages"-Phase, wenn die Start-ups einen Markt gefunden haben und auf ihn ausgerichtet werden.

Es ist aber vor allem die zweite Phase, die von etlichen Schwierigkeiten gekennzeichnet ist. Zum einen wäre da eben die Finanzierung. Größere Fonds investieren dort, wo sich die Start-ups ballen. Umso wichtiger ist es, dass es Erfolge gibt, denn das zieht in weiterer Folge wieder Geld an. Zum einen engagieren sich risikofreudige Investoren, genannt Business Angels, die meistens auch Netzwerke und Know-how mitbringen. Bei größeren Beträgen braucht es aber die Venture-Capital-Fonds. All diese Fremdfinanzierungsformen haben ihre Vor- und Nachteile, klar ist aber: Die Start-ups brauchen sie, und dazu müsste Österreich ein entsprechendes Umfeld für Geldgeber schaffen, fordert die Gründerszene. Denn wenn das Risikokapital für die wichtige Gründungsphase nicht kommt, gehen die Founder eben dorthin, wo es fließt. "Wir haben so viel Kohle rumliegen, aber alle erzählen uns, dass sie Investitionsverluste nicht abschreiben können", sagt Felix Häusler.