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Später Kinderwunsch

Von Petra Tempfer

Politik
© Fotolia/Liddy Hansdottir

Das Verdrängen der Familienplanung hat die Gruppe der Lehrlinge erreicht: Die früheren Garanten für ein kinderreiches Österreich wollen nun auch immer später Kinder.


Wien. Sie galten als Garant für ein kinderreiches Österreich. Nun hat der späte Kinderwunsch auch die Lehrlinge erreicht. Zu diesem Schluss kam eine repräsentative Studie des Instituts für Jugendkulturforschung, die Studienautor Bernhard Heinzlmaier und Familienministerin Sophie Karmasin am Montag vorstellten. Genau genommen seien es vor allem die Männer, die immer später Kinder wollten, sagt Heinzlmaier im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Vor 30, 40 Jahren haben Lehrlinge ihr erstes Kind bekommen, sobald sie mit der Ausbildung fertig und integriert waren. Also mit etwa 22 Jahren", so Heinzlmaier. Heute seien sie einige Jahre älter. Der Durchschnitt der Frauen aus bildungsnahen Schichten respektive der oberen Mittelschicht bekäme ihr erstes Kind gar erst mit 30.

Das ist laut Studie auch das Alter, das Lehrlinge bei ihrer Familienplanung offenbar anstreben. 49 Prozent der Befragten gaben an, ihren Kinderwunsch erst im Alter zwischen 26 und 30 Jahren realisieren zu wollen. Differenziert man zwischen männlichen und weiblichen Befragten, klaffen die Pläne allerdings auseinander: 52 Prozent der männlichen Lehrlinge wünschen sich erst zwischen dem 26. und 30. Lebensjahr Kinder. 46 Prozent der weiblichen Lehrlinge planen hingegen, schon in der Altersspanne von 21 bis 25 Jahren Kinder zu bekommen.

Warum das so ist? "Der Mann will vorher ein spaßiges Leben haben", sagt Heinzlmaier. Aber nicht nur. Freilich sei es auch die Unsicherheit, einen Job zu bekommen und eine Familie finanziell erhalten zu können. In Wien zum Beispiel gehen laut Statistik Austria 31 Prozent der Männer zwischen 20 und 25 Jahren keiner regulären Arbeit nach (Schulungen eingerechnet), wie das "Profil" in seiner aktuellen Ausgabe detailliert ausführt.

Immerhin planen der Studie zufolge 84 Prozent der befragten Lehrlinge, eine Familie zu gründen - und zwar Frauen und Männer gleichermaßen. Betrachtet man die unterschiedlichen Branchen, gibt es allerdings Unterschiede. In der Tourismus- und Freizeitwirtschaft (74 Prozent) und in der überbetrieblichen Lehrausbildung (76 Prozent) ist der Familienwunsch nämlich deutlich niedriger, in den Sparten Gewerbe und Handwerk indes am höchsten (89 Prozent).

Lehrlinge in Gewerbe und Handwerk am konservativsten

Das korreliere ebenfalls mit der biographischen Planungssicherheit, so Karmasin. Laut Heinzlmaier steckt aber noch mehr dahinter. "Die Lehrlinge in Gewerbe und Handwerk kommen mehrheitlich aus dem bürgerlich-traditionellen Milieu", sagt der Jugendforscher. Das könnten Familien mit Migrationshintergrund oder konservative österreichische Familien sein. In jedem Fall sei es eine Frage der Sozialisation, inwieweit Kinder das ihnen vorgelebte Bild der Familie übernehmen. "Eine erfolgreiche Mutter produziert andere Ansprüche an ihre Tochter als eine Mutter, die Hausfrau ist", so Heinzlmaier. In konservativen Kreisen würden Familien auch seltener zerbersten. Sie bleiben eher zusammen, "auch wenn es die Hölle ist".

Dass sich das konservativste Familienbild in der Gruppe der Lehrlinge in Gewerbe und Handwerk findet, zeigt auch jener Punkt der Lehrlingsstudie, in der es um Kindererziehung und Haushalt geht. Denn die Hälfte der Befragten dieser Gruppe meinen, dass die Frau bei den Kindern bleiben sollte, bis diese selbständig sind. Weitere 37 Prozent sind der Auffassung, dass sich die Frau generell um den Haushalt kümmern sollte, während die Männer die Aufgabe hätten, das Geld zu verdienen.

Grundsätzlich hätten sich aber vor allem die weiblichen Lehrlinge deutlich von traditionellen Rollenbildern verabschiedet, sagt Heinzlmaier. "Genauso wie ihre bildungshöheren Geschlechtsgenossinnen fordern sie eine geschlechtergerecht verteilte Partizipation an Familien- und Arbeitswelt." Der Studie zufolge wollen 87 Prozent der befragten weiblichen Lehrlinge nicht in eine Entscheidung zwischen Arbeit und Familie hineingedrängt werden. Sie wollen in ihrem Leben beides miteinander verbinden können.