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"Österreich agiert nicht nachhaltig"

Von Nina Flori

Politik
Josef Moser übergibt das Amt Ende Juni an Margit Kraker.

Der scheidende Rechnungshofpräsident Josef Moser verabschiedet sich mit 1007 Handlungsempfehlungen.


Wien. 12 Jahre war Rechnungshofpräsident Josef Moser im Amt. Ende Juni muss der 60-Jährige die oberste Prüfungsinstanz abgeben. Am Mittwoch zog er Bilanz und warnte vor dem zunehmenden Wohlstandsverlust im Land.

"Die gesamtstaatliche Verschuldung ist von 2011 bis 2015 um 37 Milliarden Euro gestiegen. Die Abgabenquote hat sich von 41,1 Prozent auf 43,9 Prozent erhöht. Damit liegen wir im internationalen Spitzenfeld, das ist die Champions League", sagte Moser. Um den Wohlstand zu halten, bräuchte es dringend Strukturreformen. Effizienzpotenziale müssten erhöht und Doppelgleisigkeiten beseitigt werden, ansonsten sei man den künftigen Herausforderungen nicht gewachsen. Vor allem in den Bereichen Bildung, Pensionen und Pflege gebe es großen Handlungsbedarf.

1007 Empfehlungen hinterlässt Moser der Regierung. "Diese Maßnahmen sind notwendig, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten und den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Im Moment agiert Österreich nicht nachhaltig", betonte der Rechnungshof-Präsident. Denn nicht nur die Verschuldung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, auch das Vermögen ist um 15 Milliarden gesunken. "Wir sind ärmer geworden, und zwar nicht nur durch die Hypo und die Kommunalkredit."

Schulverwaltungals Großbaustelle

Ein besonderer Dorn im Auge sind Moser die vielen Kompetenzzersplitterungen in Österreich - etwa in der Schulverwaltung. Der Rechnungshof hat bereits wiederholt kritisiert, dass die Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinanderklaffen. So sind etwa Schulwarte oder Sekretärinnen einer Pflichtschule bei der Gemeinde angestellt. Die Lehrer aber beim Land, bezahlt werden sie hingegen vom Bund. Dies habe zur Folge, dass eine einheitlich geführte und wirkungsvolle Ressourcen- und Ausgabensteuerung fehle. Zudem sei keine effektive Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung möglich.

Landesschulräte hätten außerdem eine "Zwitter-Stellung" zwischen Bund- und Länderbehörden und seien dadurch "Diener zweier Herren". Neben dem Präsidenten des Landesschulrats und dem Landeshauptmann gibt es in allen Bundesländern zusätzlich einen amtsführenden Präsidenten. Dieser wird vom Präsidenten - indirekt also vom Landeshauptmann - bestellt und kann von diesem jederzeit abberufen werden. Dies führe zu einem potenziellen Interessen- beziehungsweise Treuekonflikt zur Bundesministerin für Bildung, die das oberste Organ ist, so Moser. Das Bundesministerium habe zudem mangelnde Sanktionsmöglichkeiten, wenn seine Weisungen von dem Landesschulratspräsidenten beziehungsweise dem amtsführendenden Präsidenten nicht befolgt werden. Diese politische Doppelspitze sei nicht zweckmäßig und außerdem kostenintensiv.

Einsparungspotenzialbei Pensionen

Immenses Einsparungspotenzial sieht der Rechnungshof auch bei den Pensionen. Die Zuzahlungen haben sich im Jahr 2015 für alle Pensionen (ASVG und Beamte) auf 19,185 Milliarden Euro belaufen und 26 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes ausgemacht. Zwar setzte der Bund in den Jahren 2000 bis 2012 im ASVG-Bereich und bei den Bundesbeamten mehrere Reformmaßnahmen, wie etwa die Erhöhung der Durchrechnung von 15 auf 40 Jahre, die Senkung des Steigerungsbetrags und die Einführung des Pensionskontos. Trotzdem seien weitere Reformen dringend notwendig. Der Rechnungshof spricht sich vor allem für eine Erhöhung des faktischen Pensionsalters aus. Außerdem kritisiert er, dass es in Österreich für die öffentlichen Bediensteten kein einheitliches Pensionsrecht gibt. Sonderpensionsrechte würden zu deutlich höheren Ansprüchen als nach den Regelungen des Bundes führen und Organisationen wie die ÖBB, die OeNB, den ORF und den Bund erheblich belasten.

Starker Anstiegbei Kosten für Pflege

Neben den Ausgaben für Pensionen und Gesundheit steigen auch die Ausgaben für die Pflege enorm. Bis 2060 dürften sie von etwa 1,8 Prozent des BIP im Jahr 2015 auf 3,1 bis 3,4 Prozent des BIP ansteigen. Der Rechnungshof empfiehlt im Einvernehmen mit den Ländern eine mittelfristig, abgestimmte und regional differenzierte Versorgungsplanung zu entwickeln, die alle Angebote (24-Stunden-Pflege, mobile und stationäre Leistungen) umfasst.

Ein schöner Erfolg im Pflegebereich sei die Reduktion der Pflegegeld-Entscheidungsträger von mehr als 280 Landes- und 23 Bundesträgern auf fünf gewesen, sagte Moser. Die vom Rechnungshof geforderte Vereinheitlichung ist dadurch weitgehend umgesetzt worden. Insgesamt wurden 80 Prozent der 16.132 Empfehlungen, die der Rechnungshof seit 2007 abgegeben hat, umgesetzt. 20 Prozent sind noch offen oder scheiterten an der Reformbereitschaft.

Ende Juni übergibt Moser das Amt des Rechnungshofpräsidenten voraussichtlich an Margit Kraker, die heute im Nationalrat gewählt werden soll. Zu seiner eigenen beruflichen Zukunft wollte Moser nichts sagen, er sei noch im Überlegungsprozess.