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Politischer Generationenwechsel

Von Reinhard Göweil

Politik
© WZ Online

Bis spätestens 2018 treten die mächtigsten Landespolitiker und Sozialpartner des Landes ab. Das verändert die Republik.


Wien. Michael Häupl (66), Wiener Bürgermeister, und der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (69) werden gerne als "mächtigste Politiker Österreichs" bezeichnet. Ohne die beiden geht in ihren beiden Parteien, der SPÖ und der ÖVP, tatsächlich wenig. ÖGB-Präsident Erich Foglar (61) und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (67) werden als Spitzenrepräsentanten der Sozialpartnerschaft ebenfalls gerne mit dem Attribut "mächtig" versehen. Und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (66) hat sich zuletzt in der ÖVP auch ganz schön in den Vordergrund gespielt. Am Donnerstag peitschte er mit der FPÖ die Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge im Linzer Landtag durch - und durchkreuzte so den Plan des Sozialministers, eine österreichweite Regelung zu vereinbaren.

ÖAAB würde ÖVP übernehmen

Alle Genannten eint eines: Sie werden sich wohl keiner Wahl mehr stellen, womit praktisch die "alte Garde" abtritt - und das Gefüge in den politischen Strukturen ordentlich durcheinander gewirbelt wird. Der offizielle Kulminationspunkt ist das Jahr 2018. Da finden nicht nur Nationalratswahlen statt, sondern das Jahr wird ein richtiges Super-Wahljahr. Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten stehen an. Der ÖGB-Bundeskongress wird einen neuen Präsidenten wählen. 2019 folgen die Arbeiterkammer-Wahl sowie die Europa-Wahl. 2020 wählt die Wirtschaftskammer einen neuen Präsidenten und Wien einen neuen Gemeinderat. Und da so ein Wahlprozess eben Monate verschlingt, werden jetzt schon die Weichen gestellt. Erwin Pröll hat mit der "Rückholaktion" der früheren Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (52) in die Landesregierung ein starkes Indiz geliefert, wer ihm nachfolgen soll. Ob sie in der Lage sein wird, mit jener Autorität die absolute Mehrheit im ÖVP-Kernland zu verteidigen, die Erwin Pröll schaffte, wird von Meinungsforschern infrage gestellt. Davon aber wird ihr "Standing" innerhalb der ÖVP abhängen.

Josef Pühringer wird wohl von dessen Stellvertreter Thomas Stelzer ersetzt, doch der ist in der oberösterreichischen ÖVP nicht so unumstritten, wie es Mikl-Leitner in Niederösterreich wäre. In der Wirtschaft, vor allem der in Oberösterreich besonders einflussreichen Industrie, wäre Wirtschaftslandesrat Michael Strugl (52) der Favorit gewesen. Wenn Stelzer 2017 - wie es Gerüchte in Oberösterreich wissen wollen, für die es im Moment keine Bestätigung gibt - Pühringer nachfolgt, könnte sich Strugl aus der Politik zurückziehen. Er wird als Nachfolger von Leo Windtner als Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich gehandelt. In der ÖVP würde das alles - so ist aus der Partei zu hören - nicht friktionsfrei ablaufen. Sowohl Mikl-Leitner als auch Stelzer kommen aus dem ÖAAB, dem Arbeitnehmerbund der Volkspartei. Im Wirtschaftsbund und im Bauernbund wird darob durchaus gegrummelt.

Sollte tatsächlich vor der Nationalratswahl der jetzigen Bundes-Obmann Reinhold Mitterlehner (60) durch Außenminister Sebastian Kurz (29) ersetzt werden, würde der ÖAAB endgültig alle Schlüsselpositionen besetzen. Kurz kommt auch aus dem ÖAAB. Für die ÖVP, die sich als Wirtschaftspartei versteht, wäre das immerhin bemerkenswert. So hat sich der ÖAAB sehr für die seit 2016 geltende Steuerreform eingesetzt. Der Wirtschaftsbund ist damit - Stichwort Registrierkassen - alles andere als glücklich. Und auch wenn sich der ÖAAB für Arbeitszeit-Flexibilisierung einsetzt, gehen dessen Forderungen im Familienbereich dem Wirtschaftsbund zu weit.

Auch wenn die ÖVP aus den alten Streitereien gelernt hat, werden diese personellen Änderungen die Machtverhältnisse in der Volkspartei verschieben. Umso mehr, als Christoph Leitl nicht nur als Wirtschaftskammer-Präsident aufhört, sondern auch als ÖVP-Wirtschaftsbund-Obmann.

OÖ als SPÖ-"Battleground"

Doch nicht nur auf die ÖVP, auch auf die SPÖ kommt beim Generationenwechsel einiges zu. Wer Michael Häupl als Bürgermeister und Wiener Parteivorsitzender nachfolgt, ist offiziell unbekannt. Nun wird in Wien erst 2020 gewählt, doch der oder die Neue sollte wohl Zeit haben, sich einzuarbeiten und in der Stadt bekannt zu machen. Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig (55) hat wohl die besten Chancen. Er kann sich auf die große Bezirkspartei Floridsdorf, deren Obmann er ist, stützen. Da ihn auch "Flächenbezirke" wie Liesing, Simmering und Donaustadt unterstützen, wird ihm allerdings innerhalb der SPÖ vorgeworfen, keine klare Abgrenzung zur FPÖ zu treffen. In diesen Bezirken konnte die FPÖ zuletzt punkten, in Simmering hat sie die SPÖ als stärkste Partei überholt. Mit Sybille Straubinger (45) führt nun erstmals eine Frau die Geschäfte der Wiener Partei, die (auch finanziell) stärkste Landesorganisation der SPÖ. Ihr Vorgänger Georg Niedermühlbichler wechselte in die Bundespartei-Geschäftsführung.

Als Baustelle präsentiert sich die SPÖ Niederösterreich. Die ist zwar an Mitgliedern stärkste SPÖ-Landespartei, aber in ihrer Bedeutung überschaubar. Der eindrucksvoll als Bürgermeister St. Pöltens wiedergewählte Matthias Stadler (50) hat eine Kandidatur bei der Landtagswahl 2018 kategorisch ausgeschlossen. Stadler und Erwin Pröll arbeiten gut zusammen, das ist keine Selbstverständlichkeit zwischen ÖVP und SPÖ in Niederösterreich. Wenn Stadler bei seinem Nein bleibt, erhöht sich Mikl-Leitners Chance. Christian Kern (50), der sicher als nächster Spitzenkandidat der SPÖ in die Nationalratswahl geht, hat aber auch in Oberösterreich Sorgen. Die jüngst als Landesparteivorsitzende gewählte Birgit Gerstofer, bisher AMS-Chefin in Oberösterreich, gilt als kleinster gemeinsamer Nenner. Für den wirtschaftsaffinen Kern ist aber bei einer Wahlauseinandersetzung Oberösterreich wesentlicher Faktor. Er will dort die Industrie "zurückgewinnen". Während die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) bei den Betriebsratswahlen der privatisierten Voestalpine Ergebnisse jenseits der 90 Prozent erreicht, sackte die SPÖ in Oberösterreich bei den Nationalratswahlen 2013 auf 27 Prozent, und bei den Landtagswahlen überhaupt unter 20 Prozent.

In der Steiermark hofft die SPÖ auf Michael Schickhofer, der von Franz Voves installiert wurde. Landeshauptmann-Stellvertreter Schickhofer (36) war an der Ablöse von Werner Faymann beteiligt, er gilt in der Steiermark als unbestrittener Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl. Auch in der Steiermark verlor die SPÖ in den Industriestädten viele Stimmen an die FPÖ. Das will Kern umdrehen.

Wahlen in Österreich werden in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark entschieden. Von den knapp 6,4 Millionen Wahlberechtigten entfallen 4,51 Millionen auf diese vier Bundesländer, das sind knapp 70 Prozent.

Personen vor Parteien

Und da bei diesen Wahlen überzeugende Persönlichkeiten immer wichtiger werden, und die Parteipräferenz überholen, bekommt der Abgang der "alten Garde" besondere Bedeutung. Michael Häupl und Erwin Pröll haben zuletzt bessere Ergebnisse eingefahren, als ihre Parteien zusammengebracht hätten. Im Oktober wird es ein Ergebnis beim Finanzausgleich geben, die wesentliche Geldquelle der Bundesländer. Das werden die Haudegen der heimischen Politik noch verhandeln. Danach ist alles offen. Vorgezogene Neuwahlen im Bund würden alles beschleunigen - sie würden mit neuen Gesichtern geschlagen werden.