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Berufliche Integration als Chance

Von Nedad Memic

Politik
Leo Widrich (2.v.l.) und Stephanie Cox (ganz r.) wurden aktiv und gründeten "chancen:reich 2016" zur Vermittlung von Flüchtlingen am österreichischen Arbeitsmarkt.
© chancenreich

Am Mittwoch findet im Wiener Museumsquartier die erste Berufsmesse für geflüchtete Menschen in Österreich statt.


Wien. In der Halle E+G des Wiener Museumsquartiers kommen am Mittwoch rund 50 österreichische Unternehmen und NGOs zusammen. Ihr Ziel: Im direkten Kontakt mit geflüchteten Menschen konkrete Möglichkeiten ihrer Beschäftigung zu erörtern. Diese einmalige Gelegenheit ist das Resultat einer Initiative von zwei jungen Menschen: Stephanie Cox und Leo Widrich. Die beiden stehen hinter der Initiative "chancen:reich", in deren Rahmen die gleichnamige Berufsmesse "chancen:reich 2016" stattfindet.

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont Cox die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements für Flüchtlinge: "Nach einer Hilfsaktion in einer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge wollten Leo Widrich und ich aktiv einen Beitrag leisten. Uns geht es dabei vor allem darum, den Ankommenden eine Perspektive zu bieten, aber auch Potenziale für Österreich aufzuzeigen, die durch Zuwanderung entstehen", so die Unternehmensberaterin und Kultur- und Sozialanthropologin. Zusammen mit mittlerweile 14 anderen ehrenamtlichen und vorwiegend jungen Aktivisten arbeitet sie derzeit auf Hochtouren an der Vorbereitung der Messe.

Unterstützung von Großunternehmen

Und tatsächlich: Die Berufsmesse wurde bereits von führenden Akteuren der heimischen Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaft als Chance entdeckt. Die Veranstaltung wird vom Wiener Arbeitsmarktservice (AMS), der Wirtschaftsagentur Wien, dem Handelsverband sowie der Rewe Group als Partner unterstützt. Weitere österreichische Großunternehmen, darunter Erste Bank, Spar, Lenzing, Österreichische Post, T-Mobile oder Simacek, Caritas, Fonds Soziales Wien oder der Samariterbund konnten ebenfalls als Partner gewonnen werden.

Ziel ist es, diese Unternehmen direkt mit den Messeteilnehmern zu verbinden. "Schon im Vorfeld der Veranstaltung matchen wir die Profile der angemeldeten Teilnehmer mit den Anforderungsprofilen der zu besetzenden Stellen unserer Partner und koordinieren Interviewtermine vor Ort", erklärt Cox den Ablauf der Messe.

Neben den Interviews mit Unternehmen wird ein umfassendes Rahmenprogramm geboten. Die Teilnehmer haben etwa die Möglichkeit, professionelle Business-Fotos zu bekommen. Es werden Vorträge abgehalten. Neben Messeständen und Roundtables werden praxisbezogene Angebote bestehend aus Workshops, Arbeitsrechtsberatung und die Möglichkeit für CV-Checks und Bewerbungstrainings angeboten.

An den Informationsständen können die Messebesucher außerdem Näheres zu den Themen Existenzgründung, Anerkennung von Qualifikationen und Zeugnissen sowie Wohnungssuche erfahren. Viele Menschen in Wien und Österreich stehen einer Beschäftigung von anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten skeptisch gegenüber - auch weil eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Cox sieht das anders: "Der Fachkräftemangel wird in Österreich für immer mehr Unternehmen zur Herausforderung. Das Fachkräftepotenzial der neuen Österreicher und Österreicherinnen kann bestmöglich im Interesse des Wirtschaftsstandortes genützt werden. Gerade um diesem Mangel entgegenzuwirken, ist die heimische Wirtschaft auf zugewanderte Arbeitskräfte angewiesen", ist Cox überzeugt und fügt hinzu, dass laut einer Studie der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung (PpEB) jedes siebente Unternehmen in Österreich Flüchtlinge beschäftigt oder plant, diese zu beschäftigen.

Tatsächlich werden vom Staat zusätzliche Maßnahmen und finanzielle Mittel vorgesehen, um Personen mit einem anerkannten Asylstatus und einer Arbeitserlaubnis die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. "Ab Herbst werden wir 30.000 zusätzliche Deutschkurseintritte anbieten, davon 15.000 für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte", sagt Sebastian Paulick, Sprecher des AMS Wien. Parallel dazu laufen standardisierte Kompetenzchecks, die den Menschen vorschreiben, welche Berufsprüfungen in Österreich noch zu absolvieren sind, um für den Arbeitsmarkt fit zu werden. "Dem AMS Wien geht es darum, möglichst viele Menschen zu einem österreichischen Berufsabschluss zu bringen und ihnen eine umfassende Beratung rund um die Fragen des Arbeitsmarkts zu bieten", so Paulick. Für Cox zeigt der AMS-Kompetenzcheck durchaus konkrete Berufspotenziale bei geflüchteten Menschen in Österreich: "Nach Herkunftsländern betrachtet weisen Flüchtlinge aus Syrien, dem Iran und dem Irak die höchste Qualifikation auf", weiß Cox. "So besitzen 67 Prozent der Kompetenzcheck-Teilnehmer aus Syrien, 73 Prozent der Teilnehmer aus dem Irak und sogar 90 Prozent der Teilnehmer aus dem Iran eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung, das heißt sie haben entweder Studium, Matura oder eine Berufsausbildung", so Organisatorin Cox.

Trotz hoher Arbeitslosigkeit herrscht in vielen Berufsbranchen immer noch ein Arbeitskräftemangel. Hier sehen die Organisatoren der ersten Berufsmesse eine Lücke, die durch geflüchtete Fachkräfte gefüllt werden könnte. "Vor allem in den Bereichen Handel, Bauwirtschaft, Tourismus, Gesundheitswesen und Technologie wird nach Fach- und Arbeitskräften gesucht. Der Fachkräftemangel betrifft auch den Lehrstellenbereich. Auch hier suchen Hotellerie und Gastronomie sowie die Technologiebranche nach qualifizierten Lehrlingen. Viele Betriebe stehen heute vielmehr vor der Herausforderung, offene Lehrstellen kaum mehr besetzen können", sagt Cox und bestätigt damit einige Initiativen aus der einheimischen Hotelbranche, die bereits im vergangenen Jahr Flüchtlinge in den Arbeitsprozess inkludieren wollten.

Die Organisatoren wollen aber die Probleme der Rekordarbeitslosigkeit nicht kleinreden. "Die berufliche Integration ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance", sagt Cox: "Jeder Flüchtling, der in einen Job vermittelt wird, ist eine Entlastung für das Sozialsystem und eine Investition in die Zukunft."