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Unter Beobachtung

Von Katharina Schmidt

Politik

Innenminister Sobotka will OSZE-Wahlbeobachter ins Land holen. Erst 2010 versickerten deren Hinweise auf Missstände ungehört.


Wien."Im Hinblick auf die Bedenken hinsichtlich möglichen Missbrauchs von Wahlkarten sollte in Erwägung gezogen werden, die Verteilung, Retournierung und Aufbewahrung der Wahlkarten strenger zu gestalten, um den Missbrauch eines derzeit zu einem erheblichen Ausmaß auf Vertrauen beruhenden Systems zu verhindern."

Nein, dieser Satz stammt nicht aus dem Erkenntnis der Verfassungsrichter zur Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl. Obwohl er ganz ähnlich klingt wie eine Rüge der Höchstrichter stammt dieser Satz aus dem Bericht der OSZE-Wahlbeobachter zur Bundespräsidentenwahl 2010. Es war die erste breit angelegte Wahlbeobachtungsmission des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) in Österreich, wo Wahlbeobachter erst seit 2007 zugelassen sind. Und hätte man auf die Wahlexperten aus zehn Ländern gehört, die sich auf Einladung Österreichs in den Wahllokalen umschauten, hätte man sich vielleicht sogar das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Freitag ersparen können. Denn einige der Punkte, mit denen die 14 Höchstrichter ihre Anordnung der Wahlwiederholung begründeten, finden sich schon in dem Bericht der OSZE-"Election Assessment Mission" aus 2010.

"Manche Behörden bewahrten Stimmzettel sorgfältiger auf"

Zwar ergaben sich damals bei der Auszählung der Briefwahlstimmen "keine besonderen Fragen", allerdings stellten die Wahlbeobachter fest, dass bei der Aufbewahrung der Wahlkarten geschludert wurde: "Während das Gesetz vorschreibt, dass ausgefüllte Wahlkarten unter Verschluss gehalten werden müssen, bewahrten einige Behörden diese Stimmzettel wesentlich sorgfältiger auf als andere." Das wurde auch sechs Jahre später, in den Zeugeneinvernahmen vor dem VfGH vergangene Woche, klar.

Bei der Auszählung der Stimmen bemerkten die OSZE-Beobachter Vorgänge, die später ebenfalls bei den Zeugenaussagen vor dem VfGH für Erstaunen sorgen sollten. Zur Eintragung der Wahlergebnisse in die Ergebnisprotokolle hieß es in dem Bericht, dass die Beobachter "in einigen Fällen" bemerkt hätten, dass die Wahlbehörden-Mitglieder "entgegen den Bestimmungen das Ergebnisprotokoll im Voraus unterzeichnet hatten". Apropos Wahlbehörden: Kritisiert wurde auch, dass "in einigen Wahllokalen von Parteien nominierte Beisitzer nur einer Partei angehörten." Nachsatz: "Obwohl dass möglicherweise den Eindruck der Befangenheit hervorrufen könnte, wurde es von den meisten Gesprächspartnern nicht als gravierend angesehen, da alle betroffenen Parteien das Recht haben, Vertreter (. . .) zu entsenden."

Immerhin eine Empfehlung in Bezug auf die Wahlkarten hat man umgesetzt: Damals kritisierten die Beobachter die Regelung, dass Wahlkarten erst bis zum fünften Tag nach der Wahl bei der Wahlbehörde eingelangt sein mussten. Nach einer Änderung der Wahlordnung müssen Briefwahlkarten seither bis zum Wahltag um 17 Uhr einlangen, um taktisches Wählen nach Verkündung erster Ergebnisse zu verhindern.

Sobotka will künftig Schlamperei verhindern

Die anderen Empfehlungen verhallten ungehört. Vor diesem Hintergrund erscheint es fast ironisch, dass Innenminister Wolfgang Sobotka am Freitag gleich nach der Verkündung des VfGH-Erkenntnisses erklärte, er werde für den zweiten Wahlgang OSZE-Wahlbeobachter in jenen 14 Bezirkswahlbehörden beantragen, in denen die Verfassungsrichter die von der FPÖ in der Anfechtung behaupteten Unregelmäßigkeiten bestätigt haben. Gefragt, warum man nicht schon auf den OSZE-Bericht aus 2010 angemessen reagiert habe, meinte Sobotka, er könne nicht beurteilen, was seine Vorgänger im Amt des Innenministers und obersten Wahlleiters getan hätten. Er werde jedenfalls "alles daransetzen, damit sich so etwas an Fehlern, Schlampereien und Ungesetzlichkeiten nicht wiederholen kann". Geschlampt hätten seine Vorgänger freilich nicht.

Das ODIHR in Warschau steht jedenfalls in den Startlöchern: Man warte auf eine Einladung aus Österreich, bevor man weitere Schritte unternehme.