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Leitbetriebe und Start-ups fördern

Von Reinhard Göweil

Politik
© Stanislav Jenis

Infrastrukturminister Jörg Leichtfried präzisiert im Interview wirtschaftspolitische Regierungspläne für einen "New Deal".


Wien. Jörg Leichtfried ist als Bundesminister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie unter anderem für die ÖBB und die Asfinag zuständig, Zweitere betreibt das Hochleistungs-Straßennnetz in Österreich. Gemeinsam mit dem Ausbau des Breitband-Netzes, des Flugverkehrs und der Wasserstraße Donau werden jährlich fast fünf Milliarden Euro investiert.

Ein Interview über die neuen wirtschaftspolitischen Schwerpunkte der Regierung. Das Gespräch fand vor der gestrigen Präsentation des "Wirtschaftsbericht 2016" statt, im Gespräch geht es um konkrete Projekte, die von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wegen der Fülle anderer Themen nur angerissen worden waren.

"Wiener Zeitung": Was kann eigentlich das Verkehrsministerium für den von Bundeskanzler Kern geforderten "New Deal" machen?

Jörg Leichtfried: Wir sind ja als Ministerium auch für industrienahe Forschung zuständig, in der Regierung erarbeiten wir gerade in mehreren Arbeitsgruppen Projekte. Eines davon sind sogenannte "quick wins" für Start-up-Unternehmen. Es geht unter anderem um erhebliche bürokratische Erleichterungen. Ein anderes Projekt betrifft die Forschungsförderung, etwa im Hightech-Bereich. Davon können auch die industriellen Leitbetriebe in Österreich profitieren.

Was ist darunter zu verstehen?

Die Obersteiermark ist das metallurgische Kompetenzzentrum in Europa. Vom Erzberg bis zur Montanuniversität Leoben findet auf 120 Kilometer praktisch die gesamte Wertschöpfung statt. Das werden wir unterstützen. Ein anderes Projekt ist die Automobilindustrie. Die verändert sich derzeit stark, und wir werden E-Mobilität dabei als Schwerpunkt definieren und gezielt fördern. In der Verkehrspolitik unterstützen wir das automatisierte Fahren. Im Verkehrsausschuss haben wir bereits eine Änderung des Kraftfahrzeuggesetzes beschlossen, um Teststrecken dafür zu ermöglichen. Es gibt eine Ansprechstelle, an die sich Unternehmen wenden können, wenn sie neue Systeme ausprobieren wollen. Aber das sind natürlich Tests, komplett allein fahrend werden die Autos dort nicht unterwegs sein. Da geht die Sicherheit vor.

Zurück zu den Start-ups, die ja von der Regierung nun besonders umworben werden. Gibt es da nach Brexit eine Möglichkeit, von London innovative Jungunternehmen zu "erben", oder gehen die alle nach Berlin?

London und Berlin bieten große Möglichkeiten, weil es große Städte sind. Wir stellen fest, dass diese Metropolen von Start-ups bevorzugt werden. Die treffen sich gerne, der Austausch gehört quasi zum Geschäftsmodell dazu. Also wollen wir Wien zu einem Start-up-Zentrum auch für den osteuropäischen Raum ausbauen. Und wir wollen ja auch im Rahmen der Forschungsförderung die Elektronikindustrie sehr gezielt ausbauen. Da reden wir eher von Hardware. Im Software-Bereich kommen die Start-ups ins Spiel.

Das Verkehrsministerium ist ja indirekt über Asfinag und ÖBB eine der größten Auftraggeber für die heimische Wirtschaft. Ist auch hier eine stärkere Verknüpfung mit wirtschaftspolitischen Zielen denkbar?

Ja, wir haben eine Idee, die aber noch nicht ausdiskutiert ist. So wird es ja bei öffentlichen Ausschreibungen einen Umstieg vom Billigst- zum Bestbieterprinzip geben. Ich hätte gerne Innovationsförderung als ein Kriterium für Bestbieter. Aber wie gesagt, das ist noch nicht ausgereift.

Auch wenn es innovative Unternehmen eher in die Großstadt zieht, drohen Regionen außerhalb der Ballungszentren abgehängt zu werden, die Infrastruktur dort lässt zu wünschen übrig. Ist das halt so?

Nein, wir wollen natürlich auch im ländlichen Raum Breitband-Internet ausbauen. Und natürlich machen wir uns Gedanken, wie wir die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern können. Da müssen wir natürlich als Bund fragen, was wollen die Länder und die Verkehrsverbünde? Das ist eine große gemeinsame Anstrengung. Das Schienennetz bleibt natürlich der wesentliche Verkehrsweg. Aber die Busse fahren zu selten, daran wird gearbeitet. Wir überlegen neue Modelle wie etwa Mikro-Verkehrssysteme, also Pkw, die dann ergänzend zu den öffentlichen Linien fahren und auch im Verkehrsverbund genutzt werden können.

Noch eine politische Frage zur SPÖ. Was kann das neue Team, dem Sie ja angehören, tun, um die SPÖ wieder in die Höhe zu bringen?

Wir müssen die Frage beantworten, was möchte die Sozialdemokratie? Wir wollen, dass die Menschen aus eigener Kraft bessere Möglichkeiten für sich schaffen können. Wer hart arbeitet, verdient auch soziale Absicherung sowie beste Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Da sehen wir bei der Verteilung von Einkommens- und Vermögenseinkünften wenig Gerechtigkeit. Öffentliche Leistungen zu reduzieren schadet jenen, die nicht privat vorsorgen können.

Hält die Koalition bis 2018?

Ich habe eine sehr gute Kooperation mit meinem ÖVP-Gegenüber, Landwirtschaftsminister Rupprechter. Im Forschungsbereich ebenso mit dem Kollegen Mahrer, aber auch mit Mitterlehner im Wirtschaftsministerium. Unterschiedliche Auffassungen in manchen Fragen sind normal, das sollte man nicht überbewerten.

Die Maschinensteuer-Ansage von Bundeskanzler Christian Kern wird von der ÖVP aber heftig bekämpft.

Also, Arbeit wird in Österreich sehr hoch besteuert. Nun stecken wir in einer industriellen Revolution, die wenige bemerken. Roboter werden zu selbstlernenden Systemen. Das ändert vieles, und darüber müssen wir diskutieren. Es hat ja keinen Sinn, Ideen einfach zu negieren. Weder SPÖ, noch ÖVP äußern sich zu solchen gesellschaftspolitischen Entwicklungen aus Jux und Tollerei. Das sind Fragen, auf die wir dringend Antworten finden müssen.

Sie waren relativ kurz steirischer Landesrat, davor länger Europaparlamentarier. Geht Ihnen Europa ab?

Ich agiere als Minister auch europäisch und bin im Rat Teil der Gesetzwerdung. Wir haben etwa beim vorigen EU-Ministerrat vereinbart, dass ich mich mit den Kollegen der Nachbarländer treffe. Verkehrswege sind europäisch zu betrachten. Nur eines ist mir schon aufgefallen: Das Europaparlament agiert ideologischer, der Rat ist nationaler orientiert.

ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger hat gestern, als auch der neue ÖBB-Chef Matthä präsentiert wurde, eine Teilprivatisierung der Gütersparte Rail Cargo gefordert. Was halten Sie davon?

Ich halte keine weiteren Privatisierungen für notwendig.

Jörg Leichtfried (49) war von Juni 2015 bis Mai 2016 steirischer Verkehrslandesrat. Von 2004 bis 2015 war er als Europaparlamentarier tätig, mit Schwerpunkt Verkehrspolitik. Zuletzt war er dort SPÖ-Delegationsleiter. Der Jurist ist verheiratet und hat einen Sohn.