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Den starken Worten soll eine starke Konjunktur folgen

Von Werner Reisinger und Matthias Staudinger

Politik

Regierung will Start-ups fördern und den Industriestandort verbessern. Der Brexit sollte ein warnendes Beispiel sein.


Wien. Auch wenn der Sommer vor der Tür steht - "wir haben noch Einiges vor", kündigt Reinhold Mitterlehner an. Gemeinsam mit Bundeskanzler Christian Kern präsentierte der Vizekanzler und Finanzminister am Montag in der Wiener Akademie der Wissenschaften ein "Wirtschaftspolitische Programm für Österreich 2016 - 2017". Zusammen mit den Ökonomen Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Martin Kocher, dem designierten neuen Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), diskutierte die Regierungsspitze vor Publikum die wirtschaftliche Perspektive der nächsten Jahre.

Zu tun ist in der Tat einiges, und das Sommerloch dürfte angesichts von Brexit und der Wiederholung der Bundespräsidentschaftsstichwahl ohnehin ausfallen. Und so geht es der Regierungsspitze vor allem um eines: positive Signale auszusenden, um angesichts mangelnder Investitionen die unternehmerische Stimmungslage zu verbessern und gemeinsamen Tatendrang zu signalisieren, um der politischen Vertrauenskrise entgegenzuwirken.

Hauptziel Ausbau der Digitalisierung

Zwar soll Österreichs Wirtschaft im kommenden Jahr nach Wifo- und IHS-Prognose nur zwischen 1,5 und 1,7 Prozent zulegen - Verhaltensökonom Kocher spricht dennoch von einem "soliden Wachstumskurs". Stark genug, um die Rekordarbeitslosigkeit von fast 10 Prozent zu senken sei dieser aber nicht, so Kocher. Die ohnehin nur vage optimistischen Prognosen seien jedoch unsicher, zu denken geben den Wirtschaftsforschern vor allem der Einbruch der chinesischen und russischen Wirtschaft sowie geopolitische Spannungen und Kriege - Stichwort Ukraine, Syrien, Irak und IS-Terror.

Man habe viel Beschäftigung geschaffen, wenn auch die hohe Teilzeitquote ein Wermutstropfen sei, betonte Kanzler Kern. Die Situation im Pensionssystem entwickle sich ebenfalls positiv, die Finanzvorschau für 2017 lasse Einsparungen von vier Milliarden Euro erwarten. Gerade deshalb sei es notwendig, beim Budget "Spielräume für Investitionen" zu schaffen, sagte Kern.

Jobs schaffen, das will der Kanzler vor allem mit Investitionen in die heimische Start-up-Szene erreichen. Es gelte, am "industriellen Erbe" Österreichs anzuknüpfen und das Land für Start-ups auch aus dem Ausland attraktiver zu machen. Diese bräuchten neben günstigem Kapital vor allem ideale Standortbedingungen - und hier habe Österreich viel zu bieten. Auch Mitterlehner zeigt sich optimistisch. Man sei, was den Standort angehe, "in der Gesinnung weitergekommen", bei der Verschränkung von Wissenschaft und Wirtschaft brauche man sich nicht mehr verstecken, so der Vizekanzler, der auf die heimischen Leistungen in den Bereichen Quantenphysik und Mathematik verwies.

Öxit würde "die Karre andie Wand fahren"

Stolz ist der Wirtschaftsminister auch auf die 2016 von zehn auf zwölf Prozent erhöhte Forschungsprämie - ihr sei es zu verdanken, dass nun vermehrt deutsche Unternehmen auf den Standort Österreich setzen würden. Gegenüber 2005 hätten sich mehr als doppelt so viele Firmen aus Deutschland in Österreich niedergelassen, so Mitterlehner, der sich auch für eine Standortgarantie aussprach. Investitionen könne man nur durch Vertrauen erreichen, daher müsse der österreichische Wirtschaftsstandort auch langfristig verlässlich sein.

Rückwirkende Gesetze - Stichwort Registrierkassenpflicht - dürfe es nicht geben und der Gesetzesrahmen sollte konstant bleiben. Mitterlehner: "Mit einem Projekt wie dem der Registrierkassen werden wir das unternehmerische Vertrauen nicht stärken." Wifo-Ökonomin Schratzenstaller forderte eine Föderalismusreform, um eine positive Standortpolitik zu ermöglichen. Man solle sich am vom scheidenden britischen Premier Cameron erfundenen Prinzip "one in, two out" ein Beispiel nehmen, plädierte Mitterlehner: Für jedes neue Gesetz werden zwei alte auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft. Der Vizekanzler verwies auf das Arbeitnehmerschutzgesetz, welches veraltet sei. Der Acht-Stunden-Tag sei für die meisten Arbeitnehmer ohnehin schon eher die Regel als die Ausnahme, pflichtete Ökonom Kocher bei.

Abgesehen von freundlicher Standortpolitik zogen sowohl Kanzler als auch Vizekanzler die Briten nur als warnendes Beispiel heran. Schon alleine die Debatte über einen "Öxit", einen Austritt Österreichs aus der EU, wolle man so gar nicht haben, sagte Kern. "Wenn man seine sieben Sinne beinander hat", könne es keine Fundamentaldiskussion über eine EU-Mitgliedschaft geben. Die desaströsen Folgen könne man aktuell anhand des "Live-Experiments" auf der Insel verfolgen, mahnte Kern. Eine Million heimischer Jobs sei vom Export abhängig, nichts mache einen Standort unattraktiver als ein EU-Austritt. Kern: "Abgesehen von der politischen Krise haben große Unternehmen wie Siemens angekündigt, künftig nicht mehr in Großbritannien zu investieren. Das System ist destabilisiert und die Wirtschaft von Platz fünf auf Platz sieben runtergespaced."

Harte Fronten bei Wertschöpfungsabgabe

Trotz der Einigkeit bei der Ablehnung einer mögliche Debatte um einen EU-Austritt: Ganz auf Kurs sind Kanzler und Vizekanzler, was den Wirtschaftsstandort angeht, nicht. Wer den Standort stärken wolle, dürfe gerade jetzt nicht "falsche Signale" senden, konnte sich Mitterlehner einen Seitenhieb auf die von Kern geforderte Wertschöpfungsabgabe nicht verkneifen. Als Kern am Landesparteitag der Kärntner SPÖ das Thema Arbeitszeitverkürzung vorbrachte, mit der man drohenden Verlusten von Arbeitsplätzen entgegenwirken müsse, richtete ihm Mitterlehner prompt aus: "Wer darauf setzt, wird nicht richtig liegen."