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Wer nicht lernen will, muss zahlen

Von Katharina Schmidt

Politik
Nie wieder Hilfsarbeit. Mit der Ausbildungspflicht sollen Jugendliche zumindest Produktionsschulen wie diese in Wien besuchen.
© Liebentritt

Ausbildungspflicht für Jugendliche hat den Nationalrat passiert, ab 1. Juli 2018 drohen den Eltern Geldstrafen.


Wien. Fast wäre das Gesetzespaket doch noch gescheitert. Denn die Grünen machten ihre Zustimmung zum Ausbildungspflichtgesetz bis zuletzt von der Einbindung jugendlicher Asylwerber abhängig, was aber die ÖVP vehement ablehnte. Am Mittwoch wurde das Paket nun doch im Nationalrat beschlossen - mit, wenn auch kleinen, Zugeständnissen von beiden Seiten.

Aber der Reihe nach: Die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre ist eigentlich noch ein Projekt des ehemaligen Sozialministers Rudolf Hundstorfer. Damit sollen all jene Jugendlichen aufgefangen werden, die nach dem Pflichtschulabschluss weder eine weiterführende Schule besuchen, noch eine Lehre absolvieren oder sich anderweitig in einem Ausbildungsprogramm befinden. 6,5 Prozent jedes Jahrgangs - jährlich rund 5000 Personen - gehören laut den Zahlen des Sozialministeriums zur Gruppe dieser sogenannten "Neets" (Not in Education, Employment or Training). Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten - Mindestsicherung, weniger Steuerleistung, niedrigerer Konsum - liegen bei drei Milliarden Euro im Jahr.

Demgegenüber wird die Ausbildungspflicht für die drei Jahrgänge, die jedes Jahr davon betroffen sind - also 15.000 15- bis 18-Jährige - laut Sozialministerium nur 69 Millionen Euro kosten. Konkret sieht das Gesetz vor, dass Schulen oder Eltern dem Sozialministeriumservice melden, wenn Jugendliche nach Ende der Schulpflicht keine weiterführende Schule oder Lehre besuchen. Im Rahmen eines sogenannten Perspektiven- und Betreuungsplans, den das Sozialministeriumservice oder das AMS mit den Jugendlichen erstellt, wird dann ein geeigneter Schul- oder Ausbildungsplatz für die Jugendlichen gesucht. Neben Betrieben kommen dafür auch die überbetriebliche Lehrausbildung oder Produktionsschulen in Betracht.

Von der Ausbildungspflicht befreit sind Jugendliche nur dann, wenn sie Kinderbetreuungsgeld beziehen, Präsenzdienst oder ein freiwilliges Sozial- beziehungsweise Umweltjahr absolvieren. Jugendliche Hilfsarbeit befreit nicht von der Ausbildungspflicht.

Bis zu 1000 Euro Geldstrafe für die Erziehungsberechtigten

Sollte ein Jugendlicher die Ausbildungspflicht verletzen, drohen den Erziehungsberechtigten Verwaltungsstrafen von 100 bis 500 Euro, im Wiederholungsfall 200 bis 1000 Euro. Das allerdings erst ab 1. Juli 2018 - dann tritt das Gesetz voll in Kraft. Von der Ausbildungspflicht betroffen sind aber schon Jugendliche, die mit Ende des Schuljahres 2016/17 ihre Schulpflicht erfüllt haben.

Fast hätte das Gesetzeskonvolut jedoch gar nicht in Kraft treten können - weil die Ausbildungspflicht nicht in Bundeskompetenz liegt, musste dies erst durch einen entsprechenden Passus in der Verfassung festgelegt werden. Und für eine Verfassungsmehrheit brauchten die Regierungsparteien die Stimmen von FPÖ oder Grünen. Die FPÖ hatte von Anfang an abgewunken, die Grünen bis zuletzt Bedingungen gestellt. Konkret wollten sie wie berichtet, dass die Ausbildungspflicht auch für jugendliche Asylwerber gelten sollte. Das Sozialministerium und auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hatten sich ebenfalls dafür ausgesprochen - unter anderem unter Verweis auf die hohen Folgekosten, wenn diese Jugendlichen Asyl in Österreich und damit Anspruch auf die Mindestsicherung bekommen. Doch die Volkspartei legte sich quer: Sozialsprecher August Wöginger ortete ein falsches Signal, es würden falsche Erwartungen geweckt.

Die Verhandlungen dauerten bis zuletzt, die Grünen konnten sich wie erwartet nicht durchsetzen. Dennoch zeigte sich Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz vor der Abstimmung zufrieden: Man habe sich immerhin auf einen Entschließungsantrag geeinigt, in dem die Regierung dazu aufgefordert werde, 27 Millionen Euro für Alphabetisierungs- und Deutschkurse auszugeben.

Regierung wird gebeten, für Deutschkurse zu sorgen

Bei näherem Hinsehen ist die Vereinbarung freilich nicht ganz so großzügig ausgefallen: In dem Antrag wird die Regierung dazu aufgefordert, jene 27 Millionen Euro, die ohnehin schon für Deutschkurse in der Grundversorgung budgetiert sind (16 Millionen davon zahlt das Innenressort, den Rest die Länder), so einzusetzen, dass dadurch möglichst alle jugendlichen Asylwerber Deutsch- und Alphabetisierungskurse bekommen. Außerdem wünscht sich der Nationalrat, dass die Verfahren für Jugendliche aus Kriegsgebieten beschleunigt werden - ein frommer Wunsch, der bei den derzeitigen Kapazitäten wohl nicht in Erfüllung gehen wird. Schatz spricht auch von einer Zusatzvereinbarung, die den Zugang jugendlicher Asylwerber zu Lehrstellen vereinfachen soll. Über die Details sei aber Stillschweigen vereinbart worden. Das Wichtigste für Schatz: "Niemand wird durch die Regelung schlechtergestellt."

Wenn auch die Zugeständnisse nicht allzu groß waren: Immerhin haben sich beide Seiten bewegt - das Gesetz wurde mit Zweidrittelmehrheit angenommen.