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KZ-Überlebende klagen rechtsextreme "Aula"

Von Werner Reisinger

Politik
In der "Aula" finden sich rechtsextreme und antisemitische Artikel ebenso wie krude Verschwörungstheorien.
© DÖW/WZ-Kollage

Nach Verfahrensniederlegung werden nun zivilrechtliche Schritte ergriffen.


Wien. Seit mittlerweile 65 Jahren gilt sie als eine der wichtigsten Publikationen des rechtsextremen, völkisch-deutschnationalen Lagers: die Zeitschrift "Aula" aus Graz. Gegründet 1951 als "freiheitliches Akademiker-Mitteilungsblatt des Akademikerverbandes Österreichs", bezeichnet die "Aula" sich heute als "freiheitliches Magazin".

Wer die Ausgaben der monatlich erscheinenden Zeitschrift durchblättert, braucht einen guten Magen: In unverhohlen rassistisch-antisemitischer Sprache liest man krude Verschwörungstheorien über eine angebliche "eurasisch-negroide Umvolkung deutschen Landes und ganz Europas", Wissenschaftler werden als "KZ-Besessene" diffamiert und der Holocaust als eine "Quelle der Kraft, wenn auch eine negative, parasitäre" für Juden bezeichnet. In der "Aula" publizieren Angehörige von völkischen Burschenschaften, bekannte Rechtsextremisten wie der ehemalige Wiener Gymnasiallehrer Walter Marinovic oder Karl Richter, Politiker der deutschen NPD, über deren Verbot aktuell in Deutschland zum zweiten Mal verhandelt wird.

Regelmäßiger Autor in der "Aula" ist auch Fred Duswald, Burschenschafter und ehemaliges Vorstandsmitglied des mittlerweile behördlich aufgelösten "Vereins Dichterstein Offenhausen". In einem im Juli 2015 erschienenen Artikel mit dem Titel "Mauthausenbefreite als Massenmörder" bezeichnete Duswald Überlebende des KZ Mauthausen als "Landplage" und "Kriminelle", die nach der Befreiung "raubend und plündernd, mordend und schändend" durchs Land gezogen seien. Der grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser erstattete daraufhin Anzeige gegen Duswald und den "Schriftleiter" der "Aula", Martin Pfeiffer. Die Staatsanwaltschaft Graz stellte das Verfahren jedoch ein: "Unbestritten" hätten sich auch "Rechtsbrecher" unter KZ-Häftlingen befunden, zudem sei "nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete" dargestellt habe, hieß es in der Begründung.

Juristisches Neuland

Die Entscheidung der Grazer Staatsanwaltschaft sorgte für heftige Kritik. "Unfassbar und menschenverachtend" nannte Christian Pilnacek, der zuständige Sektionschef im Justizministerium, die Begründung, in der die "unsägliche Diktion" der rechtsextremen Zeitschrift "gerechtfertigt" würde. Justizminister Wolfgang Brandstetter kündigte an, künftig für eine "verstärkte Bewusstseinsbildung" bei angehenden Richtern und Staatsanwälten Sorge tragen zu wollen.

Jetzt legt Walser nach. Neun Holocaust-Überlebende, darunter auch der Wiener Rudolf Gelbard, seit Jahren unermüdlich im Dienste der Aufklärung unterwegs, sowie Caroline Shklarek-Zelman, Tochter von Leon Zelman, haben sich auf Initiative Walsers zu einer zivilrechtlichen Klage gegen die "Aula" entschlossen. "Nach der Einstellungsbegründung fühlte sich die ‚Aula‘ bestätigt, weiterhin Holocaust-Überlebende zu diffamieren. Bis dato gibt es keinen Rechtsschutz, die Betroffenen können sich nicht zur Wehr setzen", sagte die mit der Klage betraute Anwältin, Maria Windhager, am Donnerstag vor Journalisten.

Mit der Klage werde nach der Verfahrensniederlegung juristisches Neuland betreten: Eine Gruppe sei pauschal verunglimpft worden, es liege eine sogenannte "Kollektivbeleidigung" vor. Aus juristischer Perspektive sei nun die Frage, ob das Kollektiv so überschaubar sei, dass die Behauptungen auf Einzelpersonen zutreffen könnten. Den Klägern gehe es um eine sogenannte Aktivlegitimation, also eine Befugnis, einen zivilrechtlichen Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen. Windhager: "Weil die Gruppe der Überlebenden immer kleiner wird, rechnen wir uns gute Chancen aus, dass das beleidigte Kollektiv als überschaubar eingestuft wird."

Rudolf Gelbard, als Kind von den Nationalsozialisten ins KZ Theresienstadt verschleppt, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. Die Aussagen in der "Aula" seien derart infam und unhaltbar, dass auf einen Erfolg der Klage zu hoffen sei.

FPÖ inseriert regelmäßig

Gelbard betonte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auch die vielfältigen Bezüge der "Aula" zur FPÖ. Tatsächlich inseriert die Partei regelmäßig in der "Aula", 2011, zum 60-jährigen Jubiläum des Blattes, gratulierte Parteichef Heinz-Christian Strache ebenso wie der der oberösterreichische Parteichef Manfred Haimbuchner und der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus: "Ich (...) wünsche den Kameraden weiterhin viel Erfolg", so Gudenus damals.

Mit der "Aula" habe die FPÖ nichts zu tun, entgegnet Martin Glier, Pressesprecher der Partei. Fragen zu den FPÖ-Inseraten in der rechtsextremen Zeitschrift wollte die FPÖ bis Redaktionsschluss nicht beantworten.

Für rechtsextreme Vorfälle gibt es nun eine weitere Online-Meldestelle. Betrieben wird sie vom Mauthausen Komitee Österreich. Erreichbar ist die Stelle unter www.mkoe.at/rechtsextremismus-melden. Die Daten der Melder bleiben anonym und werden nicht an Dritte weitergeschickt, wurde versichert.