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Wem gehört "Walter"?

Von Simon Rosner

Politik

Wird Grasser angeklagt? Eine Rückschau auf die Buwog-Affäre.


Wien. Noch steht nicht fest, wann die Empfehlung des Weisungsrats publik gemacht wird und ob Justizminister Wolfgang Brandstetter der Äußerung überhaupt folgen wird. Angekündigt hat er es jedenfalls. Beobachter bewerten die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Anklage in der Buwog-Causa gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser sowie gegen bis zu 17 weitere Beschuldigte kommt als hoch.

Die Affäre um die Privatisierung von mehr als 60.000 Wohnungen der Bundeswohnbaugesellschaften, kurz Buwog, zieht sich seit sieben Jahren. Der Verkauf selbst liegt zwölf Jahre zurück. Laut Grasser sei die Privatisierung "transparent" über die Bühne gegangen, er selbst habe ein "supersauberes Gewissen", für die Steuerzahler sei es ein "sehr guter Erfolg" gewesen.

Diese Bewertung Grassers aus dem Jahr 2009, als die Affäre durch ein "Profil"-Interview seines Mitarbeiters Michael Ramprecht ins Rollen kam, hält der Realität allerdings nicht mehr stand. Es ist nicht transparent, wenn eine Vergabekommission ihre Meinung ohne sachlichen Grund über Nacht ändert.

Und ein "sehr guter Erfolg für den Steuerzahler" ist es auch eher nicht, wenn der Rechnungshof darauf verweist, dass die Republik deutlich mehr hätte erlösen können. Unter anderem damit hatte sich auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigt. Im Bericht der Grünen heißt es: "Für die politischen Entscheidungen (. . .) trägt Grasser die volle politische Verantwortung. In Summe führte dies zu einem Mindererlös von mindestens einer halben Milliarde Euro."

Strafrechtlich relevant sind (eventuell erst im Nachhinein erkennbare) falsche politische Entscheidungen natürlich nicht, sie werfen aber Fragen auf. Wenn es dann keine schlüssigen Antworten gibt, ist Misstrauen angebracht. Und in Sachen Buwog war und ist dieses mehr als gerechtfertigt. Doch was passierte damals genau?

Schon im Arbeitsprogramm der ÖVP-FPÖ-Regierung war 2000 festgehalten worden, dass die Wohnbaugesellschaften des Bundes privatisiert werden sollten. Ein Verkauf an die Mieter scheiterte, wobei der damals angebotene Quadratmeterpreis mehr um das Doppelte über dem dann erzielten Verkaufspreis an die Immofinanz AG lag. Dass ein Einzelverkauf in der Regel mehr bringt, ist naheliegend, er ist allerdings langwierig, was politisch nicht gewünscht war. Eine andere Regierungs-Konstellation hätte den Verkauf wieder stoppen können, zum anderen war Grasser, Mister Nulldefizit, auch bei anderen Entscheidungen um eine rasche Budgetwirksamkeit aus Privatisierungserlösen bemührt.

Der Verkaufsprozess zog sich von Ende 2001 bis Juni 2004, wobei es zwei Vergaben und jeweils damit befasste Kommissionen gab. Zuerst sollte eine Investmentbank gefunden werden, die die Privatisierung abwickelt. Bei der zweiten Vergabe ging es dann um die Veräußerung der Wohnungen selbst. Wie aus dem Untersuchungsausschuss hervorging, kam es in beiden Vergaben zu Unregelmäßigkeiten.

Zwei umstrittene Vergaben

Bei der ersten saß mit Ernst Karl Plech ein enger Vertrauter Grassers in der Auswahlkommission, zudem eben Ramprecht, damals noch Mitarbeiter Grassers. In der Sitzung vom 5. September 2002 war die Kommission der Meinung, dass die CA-Investmentbank der Bestbieter sei. Im U-Ausschuss berichtete Ramprecht, dass ihm Plech tags darauf vor der entscheidenden Sitzung mitgeteilt habe, dass Grasser Lehman Brothers wolle: "Es hat überhaupt keine Möglichkeit der Diskussion gegeben. Ich habe gewusst, wenn das Ministerwunsch ist, dann muss ich das umsetzen", so Ramprecht. Lehman Brothers erhielt tatsächlich den Zuschlag, obwohl das Angebot der 2007 Pleite gegangenen US-Bank 40 Prozent teurer war als jenes der CA-IB.

Der Banker Karl-Heinz Muhr arbeitete damals für Lehman Brothers, er ist mit Grasser befreundet. Wie aus einem Aktenvermerk eines Staatsanwalts hervorgeht, hatte Muhr telefonisch dem damaligen Vorstand der CA-IB, Klaus Requat, erklärt, dass Grasser für Lehman intervenieren werde. Er bot ihm aber an, 50 Prozent des Auftrags in Sub an die CA-IB zu vergeben, wenn diese auf ein Rechtsmittel gegen die Vergabe verzichtet. Und so kam es dann auch.

Beim Verkauf selbst waren am Ende zwei Bieter übrig geblieben. Ein Konsortium aus Immofinanz, der RLB OÖ und der Wiener Städtischen sowie die CA Immo. In der ersten Runde bot Letztere deutlich mehr, es wurde allerdings eine zweite Bieterrunde beschlossen. Was nicht unüblich ist. Vor dieser Runde kam es dann zu einem entscheidenden Tipp an Karl Petrikovics, den Chef der Immofinanz. Lobbyist Peter Hochegger hatte von Walter Meischberger erfahren, wie hoch das Angebot der CA Immo war. Die Immofinanz bot dann 961 Millionen - rund eine Million mehr als der Konkurrent. Es gab keine weitere Bieterrunde, was bei so knappen Abständen wiederum eher unüblich ist.

Von wem Meischberger die Information erhielt, ist unklar. Ermittler vermuten, dass die Information von Grasser kam, viele Personen hatten jedenfalls nicht Kenntnis darüber. Der Ex-Finanzminister bestreitet die Informationsweitergabe jedoch. Für alle Beteiligten in diesem Verfahren gilt die Unschuldvermutung.

Nach dem Verkauf ließ Petrikovics ein Prozent des Betrages, fast 10 Millionen Euro, als Provision für Hochegger nach Zypern überweisen. Dort blieb das Geld allerdings nicht, sondern floß weiter nach Liechtenstein, wo es auf drei Konten aufgeteilt wurde. Meischberger reklamiert alle drei Konten für sich, die Ermittler sehen dies jedoch anders. Dass ein Konto Plech zuzuordnen ist, erscheint "zwingend", wie die Grünen in ihrem U-Ausschuss-Bericht schreiben. Doch was ist mit dem dritten Konto, dem Konto "Walter"? Hier gibt es Hinweise und Deutungen, dass die Spur zu Grasser führt. Dieser will mit dem Konto nichts zu tun haben. Sollte es zu einem Prozess kommen, wird es eine der entscheidenden Fragen sein, ob ein Nachweis erbracht werden kann, wem dieses Konto gehörte und ob es für Kickback-Zahlungen genutzt wurde. Dass das Geschehen bereits jetzt zwölf Jahre zurück liegt, wird die Rekonstruktion freilich nicht leichter machen.