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Weg vom Schuss?

Von Werner Reisinger

Politik

Die Zahl der Waffenregistrierungen nähert sich der Ein-Millionen-Marke. Eine "Kultur der Knarren" ist dennoch nicht in Sicht.


Wien. "Trainieren Sie, verschiedene Situationen zu klären und zu ‚bewältigen‘ ..." "Wir machen keine ‚Schnellschießkurse‘- wir nehmen uns Zeit!" Wer überlegt, das Schießen zu lernen und sich eine Waffe zuzulegen, erhält auf der Internetseite waffentraining.at ein Gesamtangebot. Neben umfassenden Schießkursen inklusive Handhabung, Wartung und Fehlerbehebung bietet der Anbieter Rudolf Frank auch gleich Tipps, welche Waffe am besten passen würde - und hilft gerne mit rechtlicher Beratung beim Waffenerwerb.

Für seine Schießkurse würde man aber keine waffenrechtlichen Dokumente benötigen. Auch könne man sich selbst aussuchen, mit welchen Waffen man schießen wolle. Mit im Angebot sind Scharfschützengewehre "in verschiedenen Kalibern". Auch ein Shop ist Teil des Internetauftritts, mit nur einem Klick kommt man auf ein umfangreiches Angebot an Waffenzubehör. Vom Magazin für das amerikanische Sturmgewehr AR15 bis zu Pistolenmunition findet sich alles, was das Herz des Waffenliebhabers begehrt. Mit Journalisten will Frank nicht über sein Geschäft und die Schießkurse sprechen, von einem Lokalaugenschein bei einem seiner Schießtrainings ganz zu schweigen. Zu sensibel sei das Thema hinsichtlich seiner Kundschaft, zu negativ würden die Medien das Interesse an Waffen darstellen, sagt der "langjährige Schießtrainer".

Wachsender illegaler Markt?

Gerne mit Medien spricht hingegen Georg Zakrajsek. Den Generalsekretär der Interessensgemeinschaft liberales Waffenrecht in Österreich (IWÖ) wundert nicht, dass angesichts der realen Bedrohung durch den Terrorismus und die durch die Flüchtlingsbewegung gestiegene Unsicherheit in der Bevölkerung der Trend zu Schusswaffen zunimmt.

Während findige Geschäftsleute wie Rudolf Frank den Trend in bare Münze zu verwerten wissen, trommelt Zakrajsek umso stärker für ein politisches Ziel: den legalen Zugang zu Schusswaffen zu vereinfachen. Mit Stichtag 4. Juli besitzen in Österreich 282.135 Personen 957.301 Schusswaffen, fast 30.000 Österreicher haben allein in den vergangenen 12 Monaten eine oder mehrere Pistolen oder Gewehre registrieren lassen. Politiker wie der grüne Salzburger Landtagsabgeordnete Simon Heilig-Hofbauer fordern eine schärfere Praxis bei den für den Erwerb einer Waffenbesitzkarte notwendigen psychologischen Tests und kritisieren Gruppengutachten, die zu wenig Zeit für eine genaue Untersuchung der einzelnen Kandidaten zulassen würden. Auch Psychologen schließen sich der Kritik an und treten für eine Verschärfung der Gutachten ein.

Den legalen Waffenerwerb erschweren? Für Zakrajsek ein rotes Tuch. Wie auch die Vertreter des heimischen Waffenfachhandels, sieht er mit seiner Initiative, der sich seinen Angaben nach mehr als 5000 Einzelmitglieder und Verbände mit insgesamt 40.000 Mitgliedern angeschlossen haben, den illegalen Waffenhandel als das eigentliche Problem an. Eine halbe Million illegaler Waffen sei hierzulande schon jetzt im Umlauf, glaubt Zakrajsek. Ein verschärftes Waffengesetz würde den illegalen Markt noch weiter fördern, so seine Argumentation. In der Tat dürfte es nicht schwer sein, sich in Österreich eine illegale Waffe zu besorgen. Vor allem aber im nahen Ausland - am Balkan, in Polen oder in der Slowakei - würden en masse Waffen aus den Beständen von kriegsführenden Parteien, beispielsweise aus der Ukraine, angeboten werden, ist aus Kreisen der internationalen Polizeibehörde Europol zu hören. Zu Dumpingpreisen, wie Zakrajsek nicht müde wird zu betonen. "Für 200 Euro kann man in Polen am Flohmarkt eine Kalaschnikow kaufen", behauptet er.

Unglaubwürdige Schätzungen

Nach dem Ende der Kriege am Balkan gelangten riesige Arsenale mit Militärwaffen in privaten Besitz. Es seien hauptsächlich Kriminelle aus der ost- und südosteuropäischen Diaspora, die in Österreich als Quellen für den illegalen Waffenmarkt fungieren würden, ist aus Europol-Ermittlerkreisen zu hören. Aufgrund des enormen Ermittlungsaufwands nach Anschlägen sei unter Kriminellen die Bereitschaft, an Terroristen zu verkaufen, jedoch eher gering. "Den kursierenden Schätzungen zur Zahl der illegalen Waffen ist keineswegs zu trauen", erklärt der Wiener Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl. Das Argument, dass der Bedarf an Waffen, ähnlich wie beim Drogenkonsum, sowieso da sei, lässt er nicht gelten. Auch sind die Österreicher aus seiner Sicht keineswegs im Begriff, ein waffenstarrendes Volk zu werden. Vielmehr sei der Anstieg der Waffenkäufe als eine eher kurzlebige Konjunktur zu verstehen. "Der Anstieg der vergangenen Monate ist Angstkäufen geschuldet. Nach einigen Monaten wandert die Waffe in den Kasten und wird vergessen, weil sich die Stimmungslage verändert hat", sagt Kreissl.

Den legalen Waffenkauf einfacher zu machen, würde derartige Panikkäufe noch zusätzlich erleichtern, ist der Kriminalsoziologe überzeugt. Erleichterungen stünden aber ohnehin nicht zur Debatte, heißt es aus dem Innenministerium. Bezüglich Nachschärfungen bei den psychologischen Tests würden bereits Gespräche mit dem Gesundheitsministerium laufen.