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Fast nur in der zweiten Reihe

Von Simon Rosner

Politik

Nur sieben Prozent der österreichischen Gemeinden haben eine Bürgermeisterin. Der Gemeindebund will diesen Anteil erhöhen und fordert Karenzzeit für Ortschefinnen.


Wien. Hilde Zach war die Erste. Im Jahr 2002 wurde die ÖVP-Politikerin Österreichs erste Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt, acht Jahre stand sie Innsbruck vor, ehe sie sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzog und das Amt an Christine Oppitz-Plörer übergab. Zach starb im Jahr 2011. Seit dem Vorjahr hat Österreich in Maria-Luise Mathiaschitz eine zweite Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt, in Klagenfurt. Das war es aber auch schon.

Frauen sind hierzulande als Ortsvorsteherinnen massiv unterrepräsentiert, nur sieben Prozent der 2100 österreichischen Gemeinden haben eine Bürgermeisterin, in Zahlen: 146. Immerhin hat sich die Anzahl aber seit 1999 mehr als verdreifacht. Im Gemeinderat ist das Verhältnis ein anderes, rund ein Viertel aller Gemeinderäte ist weiblich.

Der Gemeindebund, die Interessenvertretung der Kommunen, will den Anteil der Bürgermeisterinnen erhöhen, Präsident Helmut Mödlhammer nannte hier als Ziel für die kommenden fünf Jahre das Überschreiten der 10-Prozent-Marke. Nur in einem Bundesland ist dies derzeit der Fall, nämlich in Niederösterreich. Nach Ansicht von Mödlhammer hat dies auch damit zu tun, dass in diesem Bundesland die Bürgermeister nicht direkt gewählt werden. "Männer streben das Amt von sich aus an, Frauen müssen überredet werden", sagt er. Und das sei im überschaubaren Gemeinderat eher möglich.

Sonja Ottenbacher ist eine von vier Bürgermeisterinnen in Salzburg. Die ÖVP-Politikerin war fünf Jahre Vizebürgermeisterin, ehe sie 2004 zur Ortsvorsteherin in Stuhlfelden (1600 Einwohner) gewählt wurde. Geplant war das nicht, bei einer Umfrage vor der Wahl hatte damals jedoch der designierte Bürgermeisterkandidat weniger Unterstützung erfahren als Ottenbacher. Die ehemalige Psychotherapeutin sagt: "Wir müssen auch beim Selbstbewusstsein der Frauen ansetzen. Frauen wollen eher im Hintergrund arbeiten." Ottenbacher erzählt aber auch von Widerständen. "Es passieren schon Anfeindungen im Wahlkampf. Und am Anfang wird man kritisch beäugt, wird genau beobachtet, ob man sich wehren und durchsetzen kann."

Eher spät ins Amt

In Egg in Vorarlberg war der Widerstand gegen die designierte Bürgermeisterin Corinna Willi offenbar so groß, dass sie sich Anfang des Jahres selbst zurückzog und Listenkollege Paul Sutterlüty Platz machte. Es gebe immer wieder wüste Anfeindungen gegen Bürgermeister, und zwar beider Geschlechter, sagt Mödlhammer, Männer würden aber solche Episoden eher durchtauchen. "Die sagen: ,Das stehe ich durch’."

Um mehr über die Bürgermeisterinnen, ihren Werdegang, Bildung, Arbeitsaufwand und ihre Bedürfnisse zu erfahren, hat der Gemeindebund die Ortschefinnen online befragt. Und dabei sind doch Unterschiede zu früheren Bürgermeister-Befragungen ohne Geschlechterbezug erkennbar gewesen. Auffällig war, dass es kaum Bürgermeisterinnen unter 40 Jahre gibt, die meisten fallen in die Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren. Der Bildungsgrad ist bei Frauen überdurchschnittlich hoch, und auch der Anteil der Bürgermeisterinnen, die das Amt hauptberuflich ausüben, liegt sehr deutlich über jenem der männlichen Kollegen, die zu 70 bis 80 Prozent noch einen zivilen Beruf haben. Auch Ottenbacher hat ihre Praxis aufgegeben, da die durch das Amt notwendige Flexibilität nicht mehr mit dem Beruf vereinbar war.

Keine Karenzzeit

Interessant ist, dass bei der Befragung nur elf Prozent angaben, dass sie das Amt aktiv angestrebt hätten, genauso viele seien "überredet worden", bei 44 Prozent hätten es "die Umstände so ergeben" - wie damals bei Ottenbacher, der Bürgermeisterin aus Stuhlfelden. Dass sich das Amt und seine Erfordernisse offenbar nicht gerade ideal in die Lebensplanung vieler Frauen fügt, lässt sich nicht nur aus dem vergleichsweise hohen durchschnittlichen Antrittsalter, sondern auch aus den Antworten herauslesen. Denn Familie und Amt sind nur schwer vereinbar.

"Es gibt keine Karenzzeit und keinen Mutterschutz", sagt Mödlhammer, die soziale Absicherung wird von rund 70 Prozent der Bürgermeisterinnen als wenig oder gar nicht zufriedenstellend bewertet. "Diese Sorge ist stärker ausgeprägt als bei den Männern", sagt der Gemeindebundchef. Die Vertretungsregelung von Ortschefs ist Sache der Länder und deshalb in Österreich ganz unterschiedlich gestaltet. "Das sollte landesweit gleich geregelt werden, vor allem bei hauptberuflichen Bürgermeistern", sprich: Gehaltsfortzahlung auch bei längerer Abwesenheit, etwa für eine Karenzzeit.

Seit zehn Jahren hat sich ein jährliches Treffen der Bürgermeisterinnen etabliert, das heuer in Stuhlfelden stattfindet. Für Ottenbacher ist die Einrichtung ein wichtiger Fixtermin im Jahr. Schon allein, um zu hören, wie es den Kolleginnen geht. Immerhin erfreulich: Das Treffen wird jedes Jahr ein bisschen größer.