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SPÖ legt Konzept gegen kalte Progression vor

Von Werner Reisinger

Politik
© fotolia/freelysky

Als Teil des "New Deal" von Kanzler Kern soll im Herbst die kalte Progression abgeschafft werden.


Wien. Glaubt man der Regierung, so wird der kommende Herbst arbeitsintensiv ausfallen. Der New Deal, den Bundeskanzler Christian Kern ausgerufen hat, soll dann tatsächliche Gestalt annehmen. Schließlich gilt es, auch hinsichtlich der für 2018 geplanten Nationalratswahlen, den neuen Schwung der Regierung durch Ergebnisse politisch zu verwerten.

Der kalten Progression zu Leibe zu rücken, soll laut SPÖ-Kanzleramtsminister und Koalitionskoordinator Thomas Drozda auch Teil des New Deals sein. Sowohl ÖVP als auch SPÖ wollen diese abschaffen. Finanzminister Hans Jörg Schelling legte hierzu zu Jahresbeginn sein Konzept vor. Demnach sollen, wenn die Inflationsrate einen Grenzwert von fünf Prozent überschreitet, die Einkommensteuer-Tarifstufen automatisch angepasst werden. Der Finanzminister kann sich zudem eine Koppelung der Maßnahme an das Wirtschaftswachstum vorstellen - sprich, bei gutem Wirtschaftswachstum soll die Regelung greifen und dem Steuerzahler mehr bleiben, bei schlechter Wirtschaftsentwicklung will Schelling nicht auf die Mehreinnahmen durch die kalte Progression verzichten.

Drozda: NiedrigeEinkommen entlasten

Am Montag brachte nun Drozda seinerseits den SPÖ-Vorschlag aufs Tapet. Einen Automatismus, wie ihn Schelling will und den auch die Gewerkschaften ablehnen, soll es demnach nicht geben. Stattdessen soll einkommensabhängig eingegriffen werden. Ab einem bestimmten Inflationswert - drei bis fünf Prozent, so Drozda - solle sich die Regierung ansehen, wie sich die Teuerung auf die einzelnen Einkommensdezile auswirkt.

"Wenn ich feststelle, dass im untersten Dezil die Inflationsrate 1,9 Prozent beträgt und im obersten 1,1 Prozent, dann braucht man bei niedrigeren Einkommen natürlich eine stärkere Entlastung. Das wird nicht überraschen, dass ich das als Sozialdemokrat so sehe. Aber es hat auch eine sachlich-fachliche Begründung", so Drozda gegenüber der APA. Der Koalitionskoordinator beruft sich hierbei auf Erhebungen der Statistik Austria. Allerdings dürfte Drozda hier einem Missverständnis unterlegen sein. "Bei den genannten Dezilen handelt es sich nicht um Einkommensdezile von Personen, sondern um Dezile der monatlichen Ausgaben von Haushalten laut Konsumerhebung", heißt es vonseiten der Statistik Austria. Die Dezile würden zwar mit dem Haushaltseinkommen korrelieren (sprich, je höher das Haushaltseinkommen, desto höher wohl auch die Haushaltsausgaben), Einkommensteuer zahlen in Österreich jedoch nicht die Haushalte oder Familien, sondern Einzelpersonen.

Brandner: Automatismusist nicht sinnvoll

Peter Brandner, Ökonom vom Thinktank "Die Weis[s]e Wirtschaft", stimmt auch das von Schelling vorgebrachte Modell skeptisch. Eine automatische Anpassung der Tarifstufen, wie sie der Finanzminister vorschlägt, könnte durchaus den Effekt haben, dass der Fiskus mehr zurückgeben muss, als er durch die kalte Progression Mehreinnahmen hat - "weil dann Personen entlastet werden, die gar nicht von der kalten Progression betroffen sind."

Gar nicht viel hält Brandner von der Idee des Finanzministers, die Maßnahmen gegen die kalte Progression an das Wirtschaftswachstum zu koppeln: "Das wäre ein prozyklischer Zugang, wo eigentlich antizyklisch agiert werden müsste." Wenn also die Wirtschaft anzieht, sollte man Maßnahmen gegen die kalte Progression unterlassen und die kalte Progression wirken lassen. Wächst die Wirtschaft schwach oder stagniert, kann der Staat über Maßnahmen gegen die kalte Progression den Bürgern mehr von ihrem Geld lassen. Brandner rät SPÖ und ÖVP zu einem alternativen Zugang. "Wenn ich die Struktur ändern will, sollte ich eine Steuerreform machen. Das passiert in der Regel ohnehin ungefähr alle fünf bis sechs Jahre. Hier sollte man dann bewusst gestalten und treffsicher reformieren, das bringt allen Beteiligten mehr als eine automatisierte Anpassung", so der Ökonom.