Wiener Zeitung: Die Obergrenze der Asylanträge ist zu etwa 65 Prozent erreicht. Ab wann sehen Sie den Arbeitsmarkt überlastet?

Johannes Kopf: Ich habe diese Frage schon mehrmals gestellt bekommen: Wie viele Geflüchtete verträgt der österreichische Arbeitsmarkt? Meine Antwort war eine Gegenfrage: Bis was passiert? Bis die Arbeitslosigkeit steigt? Das tat sie schon letztes Jahr. Bis wir eine Arbeitslosenquote von x haben oder die Stimmung in der Bevölkerung kippt? Wenn man sich den Arbeitsmarkt ansieht, muss man sagen: Ja, wir haben die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik und sie steigt das fünfte Jahr in Folge. Gleichzeitig haben wir eine der niedrigsten Raten in Europa. Die Frage, wie viel der Arbeitsmarkt verträgt, ist meines Erachtens weniger eine arbeitsmarktpolitische, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Und deswegen muss die Politik hier die Antwort geben.

Die aktuelle Arbeitslosenstatistik. - © EUStat
Die aktuelle Arbeitslosenstatistik. - © EUStat

Stichwort Dienstleistungsscheck: Wie sehen Sie den Vorschlag von Sozialminister Alois Stöger, den Arbeitsmarkt auch für Asylwerber zu öffnen?

Die Sozialpartner haben ein Papier mit Integrationsvorschlägen vorgelegt, an dem ich mitarbeiten durfte. Darin sind einige Vorschläge, die den Zugang für Asylwerber erleichtern sollen. Ich glaube, auch dieser. Ein anderer erscheint mir aber vordringlicher: Die diskutierte Öffnung des Lehrstellenmarktes für Asylwerber. Das halte ich für sehr sinnvoll. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es schlecht ist, Jugendliche – egal welcher Nationalität - nichts tun zu lassen. Die Politik hat das bisher aber abgelehnt.

Das deutsche Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat sich angesehen, wie viele Arbeitsplätze für Flüchtlinge theoretisch vorhanden wären. Das Ergebnis war, dass die meisten nur in niedrig qualifizierten Jobs unterkommen. Welche Maßnahmen kann das AMS dagegen ergreifen?

Es muss uns gelingen, die Flüchtlinge in den Bereichen zu qualifizieren, in denen wir einen Mangel haben. Damit sind einerseits Berufsbereiche, andererseits Regionen gemeint. Da ist etwa der Tourismus zu nennen, oder die Industrie in Oberösterreich. Erschwert wird das Ganze aber durch die schlechten Sprachkenntnisse. Außerdem wollen viele der Geflüchteten Geld verdienen, weil sie von etwas leben müssen. Etwa in Oberösterreich, wo die Mindestsicherung nur 560 Euro beträgt. Zudem haben viele Flüchtlinge eine stark empfundene moralische Verantwortung, die zuhause Gebliebenen finanziell zu unterstützen. Wir müssen den Flüchtlingen aber klar machen, dass eine Ausbildung für das weitere Berufsleben unbedingt notwendig ist.