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Eine (un)heilige Allianz

Von Werner Reisinger

Politik
Türkische Botschaft und religiöse Verbände feierten im April gemeinsam in Wien.
© Screenshot/Facebook

In der Islamischen Glaubensgemeinschaft tobt ein heftiger Streit um die Lehrstühle für Religionspädagogik. Türkische Botschaft und Islamverbände sollen Hand in Hand arbeiten.


Wien. Der Konflikt in der offiziellen Vertretung der Muslime, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), spitzt sich immer mehr zu. Schon seit einigen Wochen tobt hinter den Kulissen ein heftiger Streit um die Bestellung der Lehrenden an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) in Wien und Krems. Dort ist, als Folge des neuen Islamgesetzes, seit 1. September der Hochschulstudiengang für islamische Religionspädagogik (IRPA) angedockt. Damit wurde die Ausbildung von muslimischen Religionslehrern erstmals einer staatlichen Institution unterstellt. Bisher bildete die IRPA als eigenes Institut unter der Direktorin Amena Shakir muslimische Lehrende aus.

Laut österreichischer Verfassung obliegt die Bestellung von Professoren für Religionspädagogik der Glaubensgemeinschaft, also der IGGiÖ. Die Entscheidung trifft dort statutengemäß der Oberste Rat. Doch in der IGGiÖ ist man sich offensichtlich keineswegs einig, wer in Zukunft die muslimischen Religionslehrer ausbilden soll.

Wie der "Kurier" vergangene Woche berichtete, wandte sich Ende Juli der Vizepräsident der IGGiÖ, Abdi Tasdögen, mit einem erbosten Mail an die Mitglieder des Obersten Rates. Der "Wiener Zeitung" liegt die Korrespondenz vor. Tasdögens Vorwurf: Die bereits beschlossene und mit der KPH abgesprochene Liste der zu bestellenden Hochschullehrer sei aufgrund von Interventionen des türkischen Botschaftsrates für religiöse Angelegenheiten, Fatih Mehmet Karadas, vom neugewählten IGGiÖ-Präsidenten Ibrahim Olgun wieder revidiert worden.

In einem weiteren Mail wirft Olgun seinem Vize vor, eine "illegale Zustimmung" seitens der IGGiÖ zur Anstellung der Lehrkräfte an der KPH gegeben zu haben und "parallele Struktur" aufgebaut zu haben. Tasdögen erklärt seinerseits, den bereits gefassten Beschluss des Obersten Rates durch einen neuerlichen Beschluss aufgehoben zu haben - und im Vorfeld auf Mitglieder des Obersten Rates Druck ausgeübt zu haben. Tasdögen zitiert Olgun, dass dieser aufgrund von "Änderungswünschen" des türkischen Botschaftsrats Karadas sowie "Personen von der Atib" (Moschee- und Kulturverband der türkischen Regierung) mit der bereits beschlossenen Liste nicht einverstanden sei. Daraufhin gab Tasdögen eigenmächtig sein endgültiges OK an die Hochschule.

Druck von türkischer Botschaft

Brisant dabei: Botschaftsrat Fatih Karadas ist nicht nur Botschaftsrat für religiöse Angelegenheiten, sondern gleichzeitig auch Vorstandsvorsitzender der Atib. Eine wichtige Rolle in der Befehlskette aus der türkischen Botschaft soll dem vorliegenden Mail nach auch der Anwalt A. spielen. Der Rechtsanwalt aus Wien berät die IGGiÖ juristisch, hatte deren Beschwerde gegen das neue Islamgesetz mitaufgesetzt und ist Vorsitzender des IGGiÖ-Schiedsgerichts, das die Wahlanfechtung von Olgun abgewiesen hatte. Nun entscheidet das Bundeskanzleramt über Olguns Vorsitz - dem Vernehmen nach dürfte Olgun IGGiÖ-Präsident bleiben. Tasdögen behauptet im vorliegenden E-Mail mehrmals, A. habe im Auftrag der türkischen Botschaft in der Causa ebenfalls Druck auf die Mitglieder des Obersten Rates der IGGiÖ ausgeübt - gegenüber der "Wiener Zeitung" bestreitet A. die Vorwürfe.

Wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergeben haben, dürfte es, so Tasdögens Anschuldigen stimmen, nicht gelungen sein, die Liste der zu bestellenden KPH-Lehrer nach türkischen Vorstellungen zu modifizieren. Insgesamt handelt es sich um 17 Planstellen (Vollzeitäquivalente) und 22 Personen. Bereits vor Monaten kamen KPH und IRPA überein, 15 Lehrende aus dem alten Personalstamm der IRPA plus zwei weitere, für Fortbildung zuständige Lehrkräfte, als Vorschlag an die IGGiÖ zu übermitteln. Gestrichen wurden von der IGGiÖ lediglich vier Personen oder 2,25 Vollzeitstellen. Die Verträge für die 17 Plastellen sind bereits unterzeichnet, die Dienstverhältnisse sind aufrecht - wenn auch nur auf ein Jahr befristet. Durchaus möglich also, dass sich in einem Jahr der Kampf, wer die islamischen Religionslehrer ausbilden soll, wiederholt.

Beste Kontakte zu "Avrasya"

Fatih Karadas, Botschaftsrat für religiöse Angelegenheiten, dürfte auch sonst nicht nur ausgezeichnete Kontakte mit Atib, sondern auch mit der Avusturya Türk Federasyon pflegen. Der Kulturverein firmiert in Linz unter dem Namen Avrasya und steht der MHP nahe - einer rechtsextremen türkischen Partei, besser bekannt unter dem Namen "Graue Wölfe".

Am 23. April lud der Verein zu Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags des Propheten, anwesend waren neben Karadas auch der türkische Botschafter Mehmet Hasan Görgüs, der damalige IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac sowie die Spitzen der rechtskonservativen Milli Görüs, die sich in Österreich Islamische Föderation nennt.