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Die Grenzen der Transparenz

Von Petra Tempfer

Politik

Die nun öffentlichen Protokolle des Ministerrats offenbaren ein prekäres Detail: die Dreiervorschläge für das Bundesverwaltungsgericht. Das ist datenschutzrechtlich problematisch, so Experten.


Wien. Die ehemalige Justizministerin Karin Gastinger wird mit Beginn des nächsten Jahres Richterin am Bundesverwaltungsgericht Wien. Das ist dem Ministerratsbeschluss von 6. September zu entnehmen, der die Dreiervorschläge für insgesamt 40 zu besetzende Planstellen am Bundesverwaltungsgericht beinhaltet. Es war der erst zweite Ministerrat in seiner neuen Form. Kein Pressefoyer, stattdessen ein "Debriefing" durch die Regierungskoordinatoren und: die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle.

Dieser letzte ist der wohl prekärste Punkt, geht es doch um die Gratwanderung zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz. Denn einerseits war aus den Dreiervorschlägen herauszulesen, wer für eine Planstelle konkret infrage kommt - Gastinger war einmal erst- und einmal zweitgereiht. Andererseits war aber auch klar zu erkennen, wer sich zwar beworben, auf die Stelle aber kaum Aussicht hatte: all jene, die nur zweit- und drittgereiht waren. Gibt man in einer der Internet-Suchmaschinen deren Namen ein, erscheint auch besagter Ministerratsbeschluss. Gut möglich, dass einige der Bewerber das vorher nicht wussten: Bundesverwaltungsgericht und Bundeskanzleramt bestätigen, dass sie diese im Vorfeld nicht darauf hingewiesen hätten.

Der Schutz des Fortkommens

Für den Arbeitsrechtsexperten Wolfgang Brodil von der Universität Wien ist das datenschutzrechtlich problematisch. "Es kann in die eine und die andere Richtung ausgelegt werden", sagt er zur "Wiener Zeitung". Der Schutz des Fortkommens spreche für die Geheimhaltepflicht - dass es sich um die Bewerbung um ein öffentliches Amt handelt, für die Transparenz.

Erich Schweighofer vom Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung an der Uni Wien sieht es ähnlich. "Der Bund hat eine Verpflichtung zur Transparenz der Verwaltung; der Betroffene hat ein Interesse, dass nicht jeder über seine Bewerbung Bescheid weiß, insbesondere die bisherige Dienststelle", sagt er.

Die Bekanntgabe erfolge aber erst dann, wenn der Betroffene fast sicher weiß, ob oder ob er nicht die Stelle bekommt. Ein "Listenplatz" bei einer Bewerbung für einen wichtigen Posten sei durchaus ehrenhaft, meint Schweighofer. Bedenklicher wäre es, wenn die Nichtreihung oder Nachhintenreihung veröffentlicht würde. "Diese Wertungsfrage ist meiner persönlichen Meinung nach zugunsten der Transparenz zu lösen, insbesondere auch, weil es sich hier um einen ausschreibungspflichtigen Posten handelt", sagt Schweighofer und bezieht sich dabei auch auf das Ausschreibungsgesetz, wonach zwar Inhalt und Auswertung der Bewerbungsgesuche sowie das Bewerbungsgespräch vertraulich zu behandeln seien - die Bekanntgabe der Namen und einer Reihung der Bewerber aber nicht.

Drei Berichte unveröffentlicht

Vom Bundeskanzleramt hatte es schon im Vorfeld der neuen Auftrittsform des Ministerrats geheißen, dass die Vorträge im Wortlaut veröffentlicht werden, falls nicht ein "schwerer Datenschutzgrund" vorliege. Bisher seien 27 Tagesordnungspunkte behandelt worden, davon fünf Tischvorlagen. Drei Berichte könnten aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden, hieß es.

Sie betrafen laufende Verfahren, deren Veröffentlichung die Aussichtschancen auf Erfolg beeinflussen würden, heißt es dazu aus dem Bundeskanzleramt. Grundsätzlich dürften Schutzinteressen sowie wirtschaftliche oder finanzielle Interessen nicht gefährdet werden. Die öffentlichen Beschlüsse dürften auch keinen Anhaltspunkt für künftige Ausschreibungsverfahren liefern.

Dass man sich mit den Dreiervorschlägen für das Bundesverwaltungsgericht hier in einer datenschutzrechtlichen Grauzone bewegt, dürfte auch dem Bundeskanzleramt bewusst gewesen sein. Denn bei genau diesem Beschluss sei sogar der Verfassungsdienst hinzugezogen worden, heißt es. Offenbar hielt man ihn auch für datenschutzrechtlich bedenklich. Der Verfassungsdienst sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass das öffentliche Interesse in diesem Fall überwiege, so das Bundeskanzleramt. Es sei grundsätzlich immer eine Abwägungssache, was transparent gemacht werden soll und darf und was nicht. Die Ministerratsprotokolle online zu stellen sei jedenfalls eine "fundamentale Veränderung". Angedacht sei auch, dass dieser Schritt durch ein mögliches Informationsfreiheitsgesetz künftig zur "durchsetzbaren Verpflichtung" werde.