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Zu schnell bei den Sternen

Von Petra Tempfer

Politik
© Fotolia/ginae014

Familienministerin Karmasin will Fehlgeburten ins Personenstandsregister aufnehmen. Die SPÖ plädiert für eine unbürokratische Beurkundung.


Wien. "Ich bin verheiratet, und ich habe jeweils einen Sohn und eine Tochter. Letztere ist mein Sternenkind. 1998 habe ich meine Tochter in der 19. Schwangerschaftswoche verloren (leider auch ohne Namen und ohne Grab)." Diese Sätze sind auf der Plattform www.sternenkind.info zu lesen, auf der sich Betroffene austauschen. Sternenkinder - damit sind all jene Kinder gemeint, die während oder kurz nach der Geburt sterben und unter 500 Gramm wiegen. Sie haben die Sterne erreicht, bevor sie das Licht der Welt erblickten, so der Hintergrund dieser Wortschöpfung. Rechtlich spricht man von Fehlgeburten. Derzeit gibt es keine Möglichkeit, sie zu beurkunden, wodurch die Eltern sie auch nicht in einem Einzelgrab beerdigen lassen können.

Es ist diese magische Grenze von 500 Gramm, unter der Kinder ein namenloser Niemand bleiben. Sie werden selbst statistisch nicht erfasst. Denn nur all jene, die bei der Geburt mehr als 500 Gramm wiegen (rechtlich: Totgeburten), werden ins Personenstandsregister eingetragen. Genau das soll künftig auch für Sternenkinder möglich sein - zumindest, wenn es nach Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) geht. Sie forderte am Montag, Sternenkinder auf freiwilliger Basis in das Register aufzunehmen. Karmasin appellierte an Frauenministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek, ebenfalls einzulenken. Denn nächste Woche soll ein Gesetzespaket in Begutachtung gehen, das ein neues Personenstandsgesetz mit sich bringen soll.

Vergleich mit Deutschland

Vonseiten der SPÖ spricht man sich allerdings für eine freiwillige Beurkundung aus, und nicht für eine Eintragung ins Personenstandsregister. Der Unterschied: Bei Ersterer bekommen die Kinder zwar auch einen Vor- und Nachnamen, das Ganze ist aber unbürokratischer - daher aber auch nicht mit dem automatischen Recht auf ein Einzelgrab verbunden. Oberhauser will nun Gespräche mit den Landesregierungen forcieren, sagte sie, weil Bestattungen Ländersache sind.

Mit dem Vorschlag einer unbürokratischen Bescheinigung orientiere man sich an Deutschland, wo diese bereits geltendes Recht sei. Das deutsche Modell sei auch in einem überparteilichen, parlamentarischen Entschließungsantrag vor zwei Jahren als positives Beispiel angeführt worden.

"Der Vergleich mit Deutschland hinkt", heißt es dazu aus dem Familienministerium, "weil es dort gar kein Personenstandsregister gibt". Die SPÖ versuche nur, das Thema auf die lange Bank zu schieben. Denn auf Länderebene diskutieren zu müssen, bedeute, noch sehr lange keine Einigung zu erzielen.

Die Beweggründe des Gesundheitsministeriums liegen jedoch auf der Hand: Man will über die Definition von Person und Nichtperson keine Fristenlösungsdebatte lostreten, heißt es - vor allem im Lichte dessen, was derzeit in Polen passiere, wo Europas rigidestes Abtreibungsverbot droht. In Österreich ist der Schwangerschaftsabbruch bis zum dritten Monat straffrei.

Die Familiensprecherin der Grünen, Judith Schwentner, begrüßte indes Karmasins Vorstoß - und fordert eine noch weitreichendere Debatte. Denn Mütter von Sternenkindern haben derzeit auch keinen Anspruch auf vollen Mutterschutz.

Einer deren dringlichsten Wünsche scheint aber zu sein, die Trauer - etwa durch den Weg zum Grab - kanalisieren zu können. Das wird bei zahlreichen Einträgen auf der Sternenkind-Plattform deutlich. Einer davon: "Aber was mich am meisten auffrisst, ist die Ungewissheit, was mit dem Embryo geschehen ist. Ich habe einfach keinen Platz, an dem ich um mein Zwergi richtig trauern kann."